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Täter schlugen fast zeitgleich zu

Zehn Monate nach dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ ist Paris von einer beispiellosen Terrorserie erschüttert worden. Bei nahezu zeitgleichen Anschlägen an mehreren Orten wurden am Freitagabend mindestens 128 Menschen getötet, 99 Personen schweben noch in Lebensgefahr, Dutzende weitere wurden verletzt.

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Präsident Francois Hollande verhängte mit sofortiger Wirkung den Ausnahmezustand. Laut Polizeiangaben gab es Angriffe an mindestens sechs verschiedenen Orten. Der TV-Sender CNN berichtete von mindestens 153 Toten. Allein in einer der bekanntesten Konzerthallen der französischen Hauptstadt, dem Bataclan, starben nach Behördenangaben mehr als 100 Menschen. Vier davon waren Attentäter, von denen sich drei durch Zünden ihres Sprengstoffgürtels selbst töteten, wie die Polizei mitteilte. Ein vierter sei von der Polizei getötet worden.

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Weite Teile von Paris abgeriegelt

Bei einer bisher beispiellosen Anschlagserie sind am Freitag in Paris weit über 100 Menschen ums Leben gekommen. Während des großangelegten Polizeieinsatzes wurden weite Teile der Stadt abgeriegelt.

Im Club Bataclan, in dem am Freitagabend die US-amerikanische Rockband Eagles of Death Metal vor fast 1.500 Zuschauern aufgetreten war, hatten mehrere Terroristen um sich geschossen, Geiseln genommen und „Allah ist groß“ gerufen. Laut Augenzeugen schossen die Täter mehr als zehn Minuten wild um sich. Wer hinter den Anschlägen und der Geiselnahme steckte, war zunächst unklar. Neben Eagles of Death Metal stand auch das österreichische Duo White Miles auf dem Programm des ausverkauften Konzerts.

Österreicher unter den Verletzten

Die Musiker der US-Rockband haben den verheerenden Angriff auf die Konzerthalle offenbar überlebt. Die Frau von Schlagzeuger Julian Dorio sagte der „Washington Post“, ihr Mann habe sie angerufen, „um mir zu sagen, dass er mich liebt und dass er in Sicherheit ist“. Dorios Mutter bestätigte, dass ihr Sohn und die anderen Bandmitglieder den Angreifern entkommen seien. Einige Mitglieder ihrer Crew würden aber noch vermisst. Die beiden Mitglieder der White Miles schilderten die Attacke im Interview mit tirol.ORF.at - mehr dazu in oesterreich.ORF.at

Bei dem Angriff auf die Konzerthalle wurde laut Angaben von Außenminister Sebastian Kurz auch ein Österreicher verletzt. Zwei weitere Österreicher hätten sich ebenfalls am Anschlagsort befunden, seien aber unverletzt geblieben, so Kurz gegenüber der ZIB. Man stehe mit den Familien in Kontakt, darüber hinaus lägen keine gesicherten Informationen über betroffene Österreicher vor.

Augenzeuge: Täter „sehr ruhig, sehr entschlossen“

Der Augenzeuge Pierre Janaszak sagte, die Attentäter im Bataclan hätten die Beteiligung Frankreichs an der US-geführten Militärkoalition gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak als Grund für die Anschlagserie genannt. „Es war ein Blutbad“, sagte der Journalist Julien Pearce, der am Freitagabend das Konzert im Bataclan besuchte. „Die Menschen haben geschrien, gekreischt, und alle sind auf dem Boden gelegen.“ Er habe „viele Schüsse“ gehört, die Terroristen seien „sehr ruhig, sehr entschlossen“ gewesen, berichtete Pearce. „Sie waren sehr jung.“

Karte zu den Anschlägen in Paris

Grafik: APA/Omniscale/ORF.at; Quelle: dpa

Orte der Terrorangriffe

Die Gegend rund um das Bataclan war weiträumig abgeriegelt. Sie gehört zu den beliebtesten Ausgehvierteln der französischen Hauptstadt. An Freitagabenden sind dort besonders viele junge Leute unterwegs. Die Redaktion des Satireblatts „Charlie Hebdo“, die im Jänner von Terroristen überfallen worden war, ist nur wenige Straßenzüge entfernt. In der Nacht eilten Hollande und Regierungschef Manuel Valls zu dem Club.

Explosionen vor Stade de France

Zu den weiteren Angriffsorten gehörte auch die Umgebung des Stade de France im nördlichen Pariser Vorort Saint-Denis, wo ein Fußballländerspiel zwischen Deutschland und Frankreich stattfand. Im Stadion waren während der ersten Halbzeit zwei schwere Explosionen zu hören. Vier Menschen wurden bei den Detonationen getötet. Das Länderspiel wurde trotz der Anschlagserie nicht abgebrochen.

Hotline für Betroffene

Nach Angaben der österreichischen Botschafterin in Paris, Ursula Plassnik, gibt es bisher keine Informationen, dass sich Österreicher unter den Opfern befinden.

Für Angehörige, die sich informieren wollen, ob Familienmitglieder oder Freunde aus Österreich von den Anschlägen in Paris betroffen sein könnten, wurden nachfolgende Hotlines eingerichtet:

  • In Österreich: 050 11 50 44 11
  • Für Österreicher in Frankreich: 0043/190 115 44 11
  • Hotline der Stadt Paris (lokal): 0800 6 005

Anschließend verließen die Zuschauer das Stadion laut Medienberichten ohne Panik. Viele waren ratlos. Kinder hatten Tränen in den Augen. Keiner wusste genau, was geschehen war. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der die erste Halbzeit an der Seite Hollandes im Stadion verfolgt hatte, zeigte sich entsetzt. „Wir stehen an der Seite Frankreichs“, sagte Steinmeier.

„Krieg mitten in Paris“

Auch in der Nähe des Stade de France sollen sich die Angreifer selbst in die Luft gesprengt haben, berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Ermittler. Ziele waren neben dem Stade de France und dem Bataclan auch drei Cafes und Restaurants in der Nähe. Im Cafe Le Carillon gab es mindestens 14 Tote, im Cafe La Belle Equipe mindestens 18 Tote, im Cafe Bonne Biere fünf Tote und auf dem Boulevard Voltaire einen Toten. Nach bisherigen Erkenntnissen begannen die Anschläge kurz nach 21.00 Uhr.

Die genauen Hintergründe der Angriffe waren noch unklar. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein. Sie sprach von fünf getöteten mutmaßlichen Attentätern. Befürchtet wurde, dass sich Attentäter oder Komplizen noch auf freiem Fuß befinden könnten. Alle Indizien deuten darauf hin, dass es sich um eine minutiös vorbereitete Aktion handelte. Die Zeitung „Le Figaro“ titelte: „Krieg mitten in Paris“. Die Anschlagserie ist der schlimmste Anschlag in der französischen Geschichte und der schlimmste Anschlag in Europa seit dem 11. März 2004, als bei Bombenanschlägen auf Vorstadtzüge in Madrid 191 Menschen getötet worden waren.

Hollande verhängt Ausnahmezustand

Hollande appellierte in einer Fernsehsprache an seine Landsleute, angesichts der neuen Anschläge zusammenzuhalten. „Die Terroristen wollen uns in Angst und Schrecken versetzen. Man kann Angst haben, man kann Schrecken verspüren“, sagte der Präsident. „Aber dem Entsetzen steht eine Nation gegenüber, die weiß, wie sie sich verteidigt. Die weiß, wie sie ihre Kräfte sammelt. Und die einmal mehr wissen wird, wie sie die Terroristen besiegen wird.“

Zuschauer auf dem Rasen des Stadions

APA/AFP/Matthieu Alexandre

Zahlreiche Zuschauer begaben sich zunächst auf den Rasen

Hollande sagte, er habe „alle nur möglichen Kräfte mobilisiert“, um die „Neutralisierung der Terroristen“ zu erreichen und die betroffenen Stadtviertel zu sichern. Nach Angaben des Elysee-Palastes wurden 1.500 zusätzliche Soldaten mobilisiert, um die Sicherheitsvorkehrungen in der Hauptstadt zu verstärken. Hollande richtete im Innenministerium einen Krisenstab ein und kündigte einen „erbarmungslosen“ Kampf gegen den Terrorismus an.

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Explosionsgeräusche während zweiter Halbzeit

Während des Testspiels zwischen Frankreich und Deutschland im Stade de France waren Explosionen zu hören.

Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen

Alle Krankenhäuser der französischen Hauptstadt wurden in den Ausnahmezustand versetzt. Die Bevölkerung von Paris wurde aufgefordert, zu Hause zu bleiben. „Wir bitten Sie, die eigenen vier Wände nicht zu verlassen und auf Anweisungen der Polizei zu warten“, hieß es einer Mitteilung der Polizei. Aus Sorge vor weiteren Anschlägen wurden mehrere Linien der Metro unterbrochen. Die Band U2 sagte ein für Samstag geplantes Konzert in Paris ab.

In Frankreich galten bereits vor den Anschlägen seit diesem Freitag wieder verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. Wegen „terroristischer Gefahr“ und „Risiken für die öffentliche Ordnung“ hatte die Regierung auch beschlossen, vor der Weltklimakonferenz die Grenzkontrollen wieder aufzunehmen. Die Klimakonferenz, zu der zahlreiche Spitzenpolitiker aus aller Welt erwartet werden, beginnt am 30. November.

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