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Gemeinsame Pressekonferenz als Zeichen

Der große Grenzzaun in Spielfeld kommt vorerst nicht. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gab Freitagvormittag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Ministern des Koalitionspartners SPÖ bekannt, dass man auf Ersuchen Sloweniens zunächst auf die Errichtung des angedachten 25 Kilometer langen Zauns verzichte.

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Es würden allerdings alle Vorbereitungen getroffen, um so eine Barriere aufstellen zu können. Das werde dann passieren, wenn die slowenischen Sicherheitsmaßnahmen wie eingezäunte Korridore und stärkere Patrouillen an der grünen Grenze nicht wirken. Dann könnte binnen 48 Stunden der Zaun aufgebaut werden.

Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, Verteidigungsminister Gerald Klug, Innenministerin Johann Mikl-Leitner und Staatssekretär Harald Mahrer

APA/Herbert Neubauer

Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, Verteidigunsminister Gerald Klug (beide SPÖ), Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Staatssekretär Harald Mahrer (beide ÖVP) (v. l. n. r.)

Zwei Monate für 3,7 Kilometer Zaun

Vorerst werden nur 3,7 Kilometer an Grenzzaun unmittelbar an den Übergang Spielfeld anschließend errichtet. Das werde gesamt rund zwei Monate dauern, teilte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, bei der Pressekonferenz mit. Bei den Zäunen wird es sich um G7-Zäune handeln, also keine NATO-Zäune. Zwei Wochen sollen ab sofort die Vorbereitungen dauern. Bis der Zaun steht, wird es dann noch einmal bis zu sechs Wochen brauchen. Das heißt, es dürfte erst 2016 ein Zaun Teile Österreichs von Slowenien trennen. Bei G7-Zäunen handelt es sich um festeren Maschendrahtzaun. Laut Generalstabschef Othmar Commenda soll der Zaun zwei Meter hoch sein.

Verteidigungsminister Gerald Klug und Innenministerin Johann Mikl-Leitner

APA/Herbert Neubauer

Verteidigungsminister Klug (SPÖ) und Innenministerin Mikl-Leitner (ÖVP)

Allerdings könnten durchaus auch Stacheldrahtrollen ausgelegt werden, nämlich in „Notsituationen“, wenn Hunderte Menschen gemeinsam versuchten, die Zäune zu überwinden. Es werde jedenfalls nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit vorgegangen, so Kogler. „Es geht nicht darum, wie der Zaun ausschaut, sondern wie lange er ist“, hatte Mikl-Leitner am Donnerstag gesagt und auf Freitag verwiesen.

Kompromiss im Zaunstreit

Die Koalition hat doch noch zu einem Kompromiss gefunden: Eine kleine Zaunlösung in Spielfeld soll kommen.

Ostermayer: Kosten bis zwei Mio. Euro

Die Kosten für den Zaun betragen laut Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) 1,2 bis zwei Millionen Euro. Zudem braucht es noch Gespräche mit gesamt 18 Eigentümern, die über 71 Grundstücke im Grenzbereich verfügen. Dass Österreich mit der neuen Barriere gegen EU-Regeln verstoßen könnte, verneinte die Regierung: „Es ist Schengen-konform“, versicherte Mikl-Leitner, die die EU-Kommission bereits über die Pläne informiert hat, und Ostermayer verwies darauf, dass auch Schengen bauliche Maßnahmen im Grenzbereich erlaube, die sofort wieder abbaubar seien. Für Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) handelt es sich um keinen Zaun: „Das ist ein geordnetes Leitsystem.“

ORF-Reporter Wolfgang Geier analysiert

Was erhofft sich die Regierung von dem Kompromiss in der Zaunfrage?

Überhaupt waren die SPÖ-Minister bemüht darzustellen, dass nicht der Zaun, sondern vielmehr die Reform am Grenzübergang selbst entscheidend sei. Dort werde man infrastrukturell aufrüsten und ein sehr professionelles Leitsystem etablieren, so Klug. Zu einer „Orbanisierung“ Österreichs werde es dabei nicht kommen. Ostermayer ergänzte, dass es bei den Maßnahmen um eine geordnete Einreise und nicht um eine Sperre gehe. Alles darüber hinaus drehe sich nur darum, wie man reagieren könne, wenn es zu Ausweichbewegungen weg vom eigentlichen Übergang komme. Über diesen könnten immerhin 8.000 bis 10.000 Menschen kommen.

Dass es auch die Möglichkeit gibt, dass sich der Flüchtlingsandrang weg von Spielfeld zu anderen Grenzübergängen verlagert, bestritt Kogler nicht. Was man dann zu tun gedenke, verriet er nicht im Detail. Doch Spielfeld werde auch bei anderen Übergängen als Modell dienen, sollten dort verstärkte Maßnahmen notwendig sein.

Schützenhöfer „fällt Stein vom Herzen“

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) wies in einer ersten Stellungnahme darauf hin, wie wichtig es seiner Meinung nach ist, dass die Bundesregierung in der jetzigen Situation zusammenarbeite und mit „einer Zunge“ spreche. „Es gibt eine Einigung, und ich sage dazu, ob man es mir nun glaubt oder nicht: Mir fällt für kurze Zeit einmal ein Stein vom Herzen“ - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Kritik aus unterschiedlichen Gründen

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ließ kein gutes Haar an der Regierung. „Das rot-schwarze Schmierentheater" um die Grenzsicherung Österreichs gehe munter weiter und sei nun um eine groteske Facette reicher. Es sei völlig absurd, jetzt auf den Bau eines Grenzzauns bei Spielfeld zu verzichten. Der Regierung fehle der Mut, die Regierung warte lieber ab, was in den nächsten Wochen auf Österreich zukomme. Das sei die endgültige Bankrotterklärung der Regierung, die offenbar den letzten Funken Selbstachtung verloren habe.

Die grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig bezeichnete die Zaundebatte gegenüber der APA dagegen als „beschämendes Fanal für den Zustand der Koalition“. Seit Tagen werde gestritten, statt sich um winterfeste Quartiere und die Organisation von Einreise und Weitertransport der Menschen zu kümmern. „Die Durchsetzung dieser rechtspopulistischen Symbolpolitik bedroht letztlich das europäische Projekt und konterkariert alle Bemühungen um eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik“, warnte die grüne EU-Mandatarin und Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Ulrike Lunacek.

NGO: Signal der Hilflosigkeit

NEOS-Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak zeigte sich in einer Aussendung ebenfalls überzeugt, dass die wirklichen Probleme mit einem Zaun nicht gelöst würden - solche hätten vielmehr in einem vereinten Europa „nichts verloren“. Wenn die Regierung auch noch Stacheldraht als Option vorbereite, „lässt das nichts Gutes erahnen“. Es brauche eine Sicherung der europäischen Außengrenzen und legale Einreisemöglichkeiten, forderte Scherak.

„Viel Lärm um nichts“ sah auch Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar: „Aus koalitionärem Theaterdonner wurde warme Luft.“ Lugar warf der Regierung per Aussendung Untätigkeit vor: Er vermisse „jegliches Konzept einer Identifizierung der Flüchtlinge ebenso wie Vorbereitungen, was geschehen soll, wenn Deutschland seine Grenzen in den nächsten Tagen endgültig dicht macht“.

„Der Zaun, der jetzt an der Grenze zu Slowenien gebaut werden soll, ist ein schreckliches Symbol und ein Signal der eigenen Hilflosigkeit unserer Regierung“, zeigte sich Diakonie-Direktor Michael Chalupka in einer Aussendung entsetzt. Stattdessen wäre es wichtig, alle Energie in die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zu stecken, betonte er. Die Bekämpfung der Obdachlosigkeit sei derzeit vordergründig. Zusätzlich errichtete Zäune und bereit stehender Stacheldraht seien „als Symbol und Mittel verheerend“, befand auch die IG Autorinnen Autoren. Ein weiterer Zaun „läutet das Ende der offenen Grenzen innerhalb Europas ein“.

„Zaun“ löste Hickhack aus

Einigkeit zeigen und Handlungsfähigkeit beweisen: Mit diesem Vorsatz hatte die Regierung zunächst versucht, die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Was zu Beginn noch einigermaßen funktionierte, war spätestens mit den Plänen für den Grenzübergang Spielfeld Geschichte. Das ständige Hickhack wurde zum offenen Disput zwischen SPÖ und ÖVP.

Den Anfang genommen hatte der Streit mit der sprachlich verklärten Debatte über „besondere bauliche Maßnahmen“, wie das Mikl-Leitner zunächst nannte. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sprach dann von „technischer Sicherung“, Kanzler Werner Faymann (SPÖ) von „Türen mit Seitenteilen“. Mikl-Leitner nahm irgendwann doch das Wort „Zaun“ in den Mund - und versprach Vorschläge für die Umsetzung. Diese wurden zunächst schon vergangene Woche erwartet, dann verschoben - und am Mittwoch noch einmal verschoben. Verkünden mussten das Beamte, kein Regierungsmitglied ließ sich vor der Presse blicken.

Am Dienstag stritten Faymann und Mitterlehner im Ministerrat sogar schon darüber, ob ihnen die Pläne selbst vorliegen: Faymann dementierte, Mitterlehner wiederum sagte, es gebe sie, „wenn Sie so wollen“ - es gebe „zwei Wahrheiten, die sich an sich nicht entgegenstehen“. Am Freitag gaben sich die Regierungsmitglieder wieder einig.

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