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„Echte Profis“ vermisst

Nach der am Sonntag spektakulär gescheiterten Sprengung des Kohledampfkraftwerks im steirische Voitsberg laufen seit Montag die Vorbereitungen für einen zweiten Anlauf. Die Rede ist von einem „Neustart“ - und dieser entpuppt sich nun als äußerst komplex.

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Ein neuer Versuch, das standhafte Kesselhaus zu Fall zu bringen, ist demnach frühestens in drei Wochen zu erwarten. Hintergrund der langen Anlaufzeit sei, dass nun alles neu berechnet werden müsse, so der Sprecher des Militärkommandos Steiermark, Christian Fiedler. Notwendig sei unter anderem „ein neues statisches Gutachten“.

Hauptteil des Kraftwerks Voitsberg steht auch nach Sprengung noch

ORF.at/Nadja Igler

Nach Abzug der Staubwolken die Gewissheit: Die Sprengung schlug in wesentlichen Teilen fehl

Drohnen auf Erkundungsflug

In dieses würden die durch den fehlgeschlagenen Sprengversuch am Sonntag entstandenen als „massiv“ bezeichneten Verformungen eingerechnet. Durch die weitere Schwächung der Statik sei die konzeptionelle Planung wieder komplett neu aufzustellen. Am Montag war zudem zuerst eine Prüfung notwendig, ob und inwieweit die Ruine überhaupt noch betreten werden kann. Zum Einsatz kamen hier unter anderem auch Drohnen.

Zusätzlich wurden Experten in Teleskophebekörben außen am Gebäude hochgebracht, um festzustellen, warum die detonierten Sprengsätze nicht die erwünschte Wirkung erzielten. Gewissheit gibt es hingegen darüber, dass alle platzierten Sprengpakete detonierten. Nach ersten Erkenntnissen wurden einige Stahlträger nicht durchtrennt, hieß es nach einer ersten Besichtigung durch Projektleiter, Sprengtechniker und Statiker bereits am Sonntagabend.

Weggeschleuderte Sprengpakete

Diese Vermutung wurde am Montag nach der Untersuchung der mehr als 50 Stahlträger bestätigt. Wie das Bundesheer am Abend per Aussendung mitteilte, habe sich herausgestellt, „dass einige Träger durch die angebrachten Schneidladungen glatt durchtrennt waren, einige geschwächt, an einigen war nicht die erwartete Wirkung erkennbar“.

Einzelne Sprengladungen waren offenbar durch herumfliegende Teile der ersten gezündeten Sprengpakete noch vor der Detonation von den Stahlträger weggeschleudert worden. Daher hätten sie wohl nicht mehr ihre volle Wirkung erreicht. Die 1.760 Einzelsprengladungen waren innerhalb von zehn Sekunden zeitversetzt gezündet worden.

Wer trägt die Kosten?

Bereits am Sonntag sei Fiedler zufolge eine weitere Zusammenarbeit der zuständigen Baufirma Porr mit den Sprengstoffexperten beschlossen worden: „Was wir begonnen haben, bringen wir auch gemeinsam zu Ende.“ Aufklärungsbedarf gibt es offenbar noch rund um die Frage, wer nun die zusätzlichen Kosten zu tragen hat.

Kraftwerkssprengung

PORR

So wäre der Sturz geplant gewesen

Porr-Angaben zufolge könne derzeit keine Aussage „zu den Kosten, die in Folge der nur zum Teil planmäßig erfolgten Sprengung verursacht werden,“ gemacht werden. Der genannte Grund: „Eine seriöse Kostenschätzung“ könne „erst nach Vorliegen der Begutachtungsergebnisse erstellt werden“.

Experten orten klar ersichtlichen Fehler

Indessen wurde am Montag Kritik aus den Reihen der steirischen Sprengungsunternehmen laut: „Das Bundesheer kann vieles sehr gut. Aber in diesem Fall hätte man echte Sprengprofis ans Werk gehen lassen müssen“, teilte Wirtschaftskammer-Berufsgruppensprecher Richard Isele in einer Aussendung mit. Der Fehler an der missglückten Sprengung liege in der Abwicklung: „Das Gebäude wäre mit mehreren Teilsprengungen anstelle einer Sprengung sicher eingestürzt.“ Er forderte nun eine Ausschreibung an den Bestbieter - mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Fehleranalyse in Voitsberg

666 Kilogramm Sprengstoff wurden eingesetzt, doch das Kohlekraftwerk war wehrhaft und wollte einfach nicht einstürzen. Vorbereitet wurde diese große Sprengung vom Bundesheer - dort läuft jetzt die Fehleranalyse.

Bei der Sprengung am Sonntag war es zu einer Panne gekommen: Während Stiegenhausturm und Mittelbau wie geplant umfielen, blieb das Kesselhaus trotz mehrerer Hundert Kilogramm Sprengstoff stehen. Der Abriss der drei Gebäude sollte die Endphase des mehrjährigen Rückbaus des Kraftwerks darstellen. Schon im August war es zu einer Panne beim rund 180 Meter hohen Schlot gekommen, der nach einer Beschädigung am Fundament schief stand und danach mit Roboterbaggern abgerissen werden musste.

Betreten von Werksgelände verboten

Erneut verwiesen die Verantwortlichen unterdessen darauf, dass für die Bevölkerung derzeit kein Risiko bestehe. Das Betreten des Werkgeländes sei aber verboten, da immer wieder Teile herunterfallen könnten. Ausgeschlossen wurde von der Porr AG, dass sich das durch die fehlgeschlagene Sprengung entstandene Problem doch noch von selbst lösen könnte. Ein Umstürzen des Kesselhauses durch die Schwerkraft sei nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht zu erwarten.

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