Protest gegen „unbegrenzten Terror“
Der russische Politaktivist und Künstler Pjotr Pawlenski hat in einer aufsehenerregenden Aktion in Moskau das Tor zum Hauptgebäude des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, praktisch der Nachfolgeorganisation des KGB, in Brand gesetzt. Pawlenski wurde an Ort und Stelle verhaftet. Die Aktion fand in der Nacht auf Montag statt.
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Nach der Aktion erschien unter Pawlenskis Namen auf der Videoplattform „Vimeo“ eine Aufzeichnung der Tat. Das Video zeigt, wie sich der Künstler dem Gebäude nähert, Benzin über das hölzerne Tor der FSB-Zentrale gießt und dann anzündet. Nach weniger als einer Minute greift der Sicherheitsdienst ein. Weder das Originalvideo noch Pawlenskis „Vimeo“-Account waren einen Tag später noch aufrufbar.
Wie russische Medien berichten, wurde Pawlenski samt zwei anwesenden und filmenden Journalisten in Gewahrsam genommen. Laut dem Portal Mediazona.ru, das Festnahmen von Aktivisten verfolgt, wird wegen geringfügigen Vandalismus gegen Pawlenski ermittelt.
Nach Aktion festgenommen
„Der Geheimdienst arbeitet mit unbegrenztem Terror und hält damit die Macht über 146 Millionen Menschen in seinen Händen“, so Pawlenski in einem online veröffentlichen Statement. „Die Gefahr unmittelbarer Gewalt hängt über jedem, dessen Geräte überwacht werden, der einem Lauschangriff ausgesetzt sein könnte oder an der Grenze kontrolliert wird.“
Das Hauptquartier des FSB befindet sich seit 1919 in einem Lubjanka genannten Gebäude in der Moskauer Innenstadt. Es gilt seit Sowjetzeiten als Symbol für staatliche Unterdrückung und die Macht des Geheimdienstes KGB und seiner Nachfolgeorganisationen.

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Aus Protest schnitt sich Pawlenski bei einer seiner Aktionen das Ohrläppchen ab
Von Pussy Riot inspiriert
Pawlenski trat schon mehrfach mit ausgefallenen, provokanten Performanceaktionen gegen die russische Regierung auf. In ihnen kritisierte er Themen wie mangelnde Rechtsstaatlichkeit, Zensur, Machtmissbrauch und politische Teilnahmslosigkeit. In vielen seiner Aktionen steht Selbstverletzung im Vordergrund. Künstlerisch folgt Pawlenski einer Strömung radikal regierungskritischer Performancekünstler wie dem Kunstkollektiv Woina und der Punkrockband Pussy Riot, die aufgrund eines „Punkrock-Gebets“ in einer russisch-orthodoxen Kirche verhaftet und vor Gericht gebracht wurde.

Reuters/Artur Bainozarov
2013 wickelte sich Pawlenski in St. Petersburg in Stacheldraht ein
Die Empörung über den Fall Pussy Riot animierte Pawlenski auch zu seiner ersten breit rezipierten Aktion, bei der er sich mit zugenähtem Mund und einem Schild, auf dem „Pussy Riot hat wie Jesus den Tempel gereinigt“ stand, vor eine Kathedrale stellte. Für Pawlenski lieferte der Prozess gegen die Band den Anstoß zu einem „radikaleren Zugang zur Kunst“, wie er im vergangenen Jahr in einem Interview mit dem britischen „Guardian“ darlegte.
„Das Verfahren wirkte sich mehr auf mich auf als viele andere Dinge in meinem eigenen Leben. Ich habe mir andere Menschen angesehen und mich gefragt, warum keiner etwas tut. Und da kam mir die Erkenntnis, dass man nicht darauf warten sollte, dass andere etwas tun. Man muss Dinge selbst erledigen.“
Auf Rotem Platz festgenagelt
In weiteren Protestaktionen wickelte sich Pawlenski nackt in Stacheldraht ein oder schnitt sich ein Ohrläppchen ab. Bei seiner Aktion „Fixation“ nagelte sich der damals 29-Jährige 2013 aus Protest gegen Gleichgültigkeit und korrupte Polizisten an seinen Hoden am Kopfsteinpflaster des berühmten Roten Platzes in Moskau fest. „Die Aktion kann als Metapher für die Apathie, die politische Indifferenz und den Fatalismus der modernen russischen Gesellschaft gesehen werden“, hieß es damals in einer Mitteilung von Pawlenskis zum „Tag der Polizei“, die das Internetportal Grani.ru veröffentlichte. Beamte befreiten den Künstler, nahmen ihn fest und brachten ihn in eine Klinik.

Reuters/Maxim Zmeyev
Pawlenski auf dem Roten Platz bei der Aktion „Fixation“
Keine Angst vor der Polizei
Pawlenskis Aktionen führten in vielen Fällen zu Konfrontationen mit der Polizei. Diese Begegnungen endeten nicht nur mit Festnahmen, mehrmals ließen die Behörden auch Pawlenskis psychische Gesundheit untersuchen. Für eine Imitation der Maidan-Proteste mit brennenden Reifen und Trommeln in St. Petersburg im vergangenen Jahr drohte dem 31-Jährigen sogar eine Haftstrafe, das Verfahren wurde jedoch fallengelassen.
Angst vor dem langen Arm des russischen Gesetzes scheint Pawlenski allerdings nicht zu haben. In dem „Guardian“-Interview betonte der Künstler nach seiner Aktion auf dem Roten Platz, dass Flucht nach seinen Aktionen keine Option für ihn sei, um dem langen Arm des russischen Gesetzes zu entkommen: „Ich glaube, wäre ich geflüchtet, hätte ich meine Aktion diskreditiert. Also habe ich mich dazu entschieden, Stärke zu zeigen, da es nichts zu fürchten gibt. Man kann sich fürchten, wenn man sich schuldig fühlt, und das tue ich nicht. Alles, was die Behörden gegen mich tun, bringt sie selbst in Misskredit. Je mehr sie mit mir anstellen, desto schlimmer machen sie es für sich selbst.“
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