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„Gute Alternativen“ zu Zaun

Die SPÖ schießt sich in der Diskussion über die Errichtung eines Grenzzauns auf Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ein. Für Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) ist Flüchtlingskoordinator Christian Konrad als Innenminister eine „Überlegung“ wert. Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) präsentierte Donnerstagnachmittag „Alternativen“ zu dem von der ÖVP gewünschten Grenzzaun.

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Alternativ schlage das Verteidigungsministerium vor, die Wartezone in Spielfeld „aufzuwerten“ und die Zu- und Ausgänge zu vergrößern, um Gedränge und Massenpanik zu vermeiden, so Klug in einem Pressegespräch gemeinsam mit Generalstabschef Othmar Commenda und Karl Schmidseder, Chef der Sektion Einsatz. Allzu große Änderungen zum Istzustand sieht das Konzept allerdings nicht vor.

„Trichter“ an Grenze soll vergrößert werden

Einerseits soll der „Trichter“ am Grenzübergang vergrößert und anderseits die Wartezone durch zusätzliche Zelte und Container „aufgewertet“ werden. Die Flüchtlinge sollen sich dort ausruhen und mit Essen und warmer Kleidung versorgen können, sagte Schmidseder.

Zentraler Punkt sei jedoch die „planbare Weiterreise“. Man müsse weg von den Tausenden Menschen, „die frustriert in der Kälte warten“, sagte Klug. Am Grenzübergang in Spielfeld müsse sich „etwas ändern“. Man habe gesehen, dass dieser nicht geeignet sei, Tausende Menschen zu betreuen und geordnet und sicher weiterzutransportieren.

Man habe versucht, die bestehenden Mängel durch Personal zu kompensieren - das Bundesheer sei mit 900 und die Polizei mit 200 Personen an Ort und Stelle. Das sei mehr als in Nickelsdorf, „trotzdem hat es nicht gut funktioniert“, so der Minister. Es könne zu Situationen kommen, die für die Flüchtlinge und für die Einsatzkräfte gefährlich sein können. „Wir brauchen dringend eine Verbesserung.“

„Wo sollen sie denn registriert werden?“

Im Gegensatz zur Innenministerin ist Klug allerdings nicht der Meinung, dass es dazu einen kilometerlangen Zaun braucht. „Ich halte das Aufstellen eines Zauns für Symbolpolitik ohne reales Substrat. Ein Zaun wird nicht halten, was sich viele davon versprechen. Es wird deswegen kein einziger Flüchtling weniger kommen“, sagte Klug.

Wenn man die Flüchtlingsbewegung bremsen wolle, dann müsse man das an der EU-Außengrenze machen. An der österreichischen Grenze sei ein Zaun „nicht sinnvoll“, da es „gute Alternativen“ gebe. Neben der Verbesserung der örtlichen Begebenheiten sprach sich Klug auch für die Öffnung weiterer Grenzübergänge aus.

Das müsste aber mit Slowenien abgesprochen werden. Eine Registrierung der Tausenden Menschen, die täglich nach Österreich kommen, scheint in dem Konzept zur Verbesserung der Lage nicht vorgesehen zu sein. Schmidseder verwies auf die Zuständigkeit des Innenressorts, fügte aber noch hinzu: "Wo sollten sie registriert werden?

Gefragt, warum die Regierung bei dieser wichtigen Frage nicht gemeinsam vorgehe, meinte Klug bei der Pressekonferenz, dass er nicht bereit sei, den Vorschlag für einen Grenzzaun unwidersprochen im Raum stehenzulassen. Das Innenministerium habe vom Ministerrat den klaren Auftrag bekommen, einen sicheren Ablauf in Spielfeld zu gewährleisten.

Schieder erwartet Sacharbeit

Am Freitag schloss sich auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder der Kritik an Mikl-Leitner an. Er erwarte Sacharbeit und nicht, dass sie mit rhetorischer Aufrüstung durch deutsche Talkshows ziehe, so Schieder auf einer Pressekonferenz.

Ob er angesichts dieser Vorhaltungen den Abzug der Innenministerin aus der Regierung erwarte, beantwortete Schieder nicht eindeutig. Zunächst verwies er auf gestrige Aussagen von Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), der empfohlen hatte, Mikl-Leitner durch den Flüchtlingskoordinator Christian Konrad zu ersetzten. Dann meinte Schieder noch in Richtung Innenministerin: „Der Geduldsfaden ist ein recht dünner.“ Schließlich gestand er dann aber doch zu, dass sich jeder Koalitionspartner sein Personal selbst aussuchen könne.

Was Schieder so stört, ist unter anderem, dass die Innenministerin von ihrem Durchgriffsrecht zur Schaffung von Quartieren nicht ausreichend Gebrauch mache. Dieses Instrument sei „nicht für die Vitrine“ gemacht worden, sondern um es anzuwenden und winterfeste Quartiere zu schaffen.

Kritik auch an Kurz

Zudem wirft der rote Klubchef der schwarzen Innenministerin vor, nicht für schnelle, effiziente Verfahren zu sorgen. Überdies gefällt ihm das Management an den Grenzübergängen nicht. Unverständlich ist für Schieder, wieso man nicht längst die Erfahrung von großen Fußballspielen bei der Bewältigung großer Menschenmassen berücksichtigt habe.

Freilich ist es nicht nur Mikl-Leitner, die aus Sicht Schieders alles falsch macht. Auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) verhält sich nicht wunschgemäß. Da vermutet der SPÖ-Klubchef, dass nicht so viel österreichisches Geld für UNHCR und World Food Programme frei gemacht werde, wie das der Nationalrat initiiert habe.

Amon verweist auf Zuständigkeiten

ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon konnte am Freitag Klugs Vorstoß nur wenig abgewinnen. Das Bundesheer sei an der Grenze „in der Assistenz zur Polizei tätig und soll sich diese Rolle entsprechend zu Gemüte führen“, so Amon im Ö1-Morgenjournal. Die Zuständigkeiten seien „eindeutig und klar“. Dem Verteidigungsminister riet er, „die Nerven zu behalten in einer sicher nicht einfachen Situation“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Auch ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald schoss sich auf Klug ein: „Es ist völlig unverständlich, dass Verteidigungsminister Klug eine gemeinsame Regierungslinie torpediert, nachdem erst letzte Woche die Prüfung von baulichen Maßnahmen beschlossen wurde“, sagte ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald. Damit trage der Minister nicht zu einem erhöhten Sicherheitsgefühl bei und schon gar nicht zu einer besseren Bewältigung der Flüchtlingssituation. Im Gegenteil erschwere Klug dadurch die Situationsbewältigung und verunsichere damit die Menschen.

„Unbegreiflich“ ist für ÖVP-Fraktionschef Reinhold Lopatka, wie SPÖ-Klubobmann Schieder die wichtige gemeinsame Regierungsarbeit in der Flüchtlingsfrage durch unangebrachte Angriffe auf Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gefährde. „Statt einer Verbalschlacht brauchen wir Zusammenarbeit“, meinte Lopatka in einer Aussendung. Er frage sich, welchen Beitrag die Verbalattacke Schieders zu einer Lösung liefern solle.

Vorschlag in einigen Tagen

Mikl-Leitner selbst will erst in einigen Tagen Details zum angekündigten Konzept über bauliche Maßnahmen bekanntgeben, das derzeit von Experten erstellt werde. Zur Diskussion, ob diese Maßnahmen auch einen Zaun beinhalten werden, meinte die Innenministerin: „Uns geht es hier nicht um ein Konzept der schönen Begrifflichkeiten, uns geht’s um ein Konzept der besseren Sicherungsmaßnahme.“ Auf die Frage, welche Alternativen es zu einem Zaun geben würde, erklärte Sie den Journalisten: „Das können Gitter sein, das können Sperrcontainer sein, das können Zäune sein, was auch immer“, sagte sie am Rande einer Pressekonferenz am Freitag in Eisenstadt.

Mit dem Zaun in Ungarn sei die österreichische Maßnahme nicht vergleichbar: „Ungarn hat den Zaun gebaut, um sich abzuschotten. Österreich will sich nicht abschotten. Aber ich als Innenministerin habe hier einen ganz klaren Auftrag, eine ganz klare Verantwortung gegenüber der Bevölkerung. Nämlich zum einen für einen kontrollierten Zutritt in die Republik zu sorgen und zum Zweiten die Innere Sicherheit zu garantieren.“

Häupl bringt Konrad ins Spiel

Der stellvertretende SPÖ-Bundesvorsitzende und Wiener Bürgermeister Michael Häupl stellte indes Mikl-Leitner als Innenministerin infrage und brachte stattdessen den ÖVP-nahen Flüchtlingskoordinator Christian Konrad für diese Position ins Spiel. „Er ist nicht Innenminister, aber vielleicht wäre das eine Überlegung“, sagte Häupl am Donnerstag im Ö1-Mittagsjournal - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Polizeigewerkschaft fordert Personalaufstockung

Mit Dienststellenversammlungen ab Dezember will die Polizeigewerkschaft auf ihre Lage angesichts der Flüchtlingskrise reagieren - wenn sich bis dahin nichts an den „unzumutbaren Zuständen“ ändert. Gewerkschaftsvorsitzender Hermann Greylinger kritisierte am Freitag die kurzfristige Dienstplanung: „Es kann nicht sein, dass ein Polizist um 13.00 Uhr den Befehl erhält, um 14.00 Uhr in Spielfeld zu sein.“

Die Exekutive sei auch mit „unermesslichem menschlichem Leid“ konfrontiert, hieß es in einem am von der „Presse“ (Freitag-Ausgabe) veröffentlichten Brief der Gewerkschaft an die Regierung. Viele seien der Belastung nicht gewachsen. Nach dem 30. Tag im Krankenstand würden pauschalierte Zulagen für Polizisten eingestellt. Zu diesen finanziellen Nachteilen dürfe es nicht kommen. Das Fazit der Gewerkschaft: „Es ist an der Zeit, Lösungen zu präsentieren.“

Die Forderung nach 1.500 bis 2.000 Polizisten mehr ab kommendem Jahr meldete Mikl-Leitner bereits vor zwei Wochen an. Laut Innenministerium leisteten die Beamten im September mehr als 420.000 Einsatzstunden, fast die Hälfte davon Überstunden.

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