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Weniger Flüchtlinge auf Balkan-Route

Mit dem am Freitag begonnenen Aufbau winterfester Großzelte für Flüchtlinge reagiert Österreich auf die zuletzt von Deutschland scharf kritisierten Verhältnisse an der Grenze zu Bayern. In Oberösterreich, wo nun insgesamt drei Transitzelte für je 1.000 Personen errichtet werden, ist die Vorgangsweise nicht unumstritten.

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Während in Kollerschlag im Bezirk Rohrbach im Mühlviertel ein Transitzelt bis zum Abend bezugsfertig sein sollte, regt sich in Schärding Widerstand. Als weiteren Standort nannte der für Integration zuständige oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober (Grüne) Braunau. Anschober bezeichnete den Aufbau von Transitzelten an der Grenze zu Bayern als unerlässlich.

Bisher hatten die Menschen oftmals stundenlang im Freien ausharren müssen, bis sie mit Bussen in die deutschen Unterkünfte gebracht wurden. Besonders in den späten Abendstunden waren die Temperaturen stark gesunken - die Gesundheit der Flüchtlinge, darunter viele Kinder und Säuglinge, war gefährdet - mehr dazu in ooe.ORF.at.

Anschober um Beruhigung bemüht

Anschober will nun versuchen, in Schärding die Wogen zu glätten. Bürgermeister Franz Angerer (ÖVP) hatte zuvor schriftlich mit einer Resolution, die von allen im Gemeinderat vertretenen Parteien - ÖVP, SPÖ und FPÖ - mitgetragen wurde, bei der Landespolizeidirektion gegen den Plan protestiert. Schärding leide noch heute an den Schäden durch das Hochwasser 2013 und komme seiner humanitären Verpflichtung ohnehin „in überdurchschnittlichem Ausmaß“ nach, so die Argumentation.

Anschober entgegnete, dass es sich bei dem angekündigtem Großraumzelt nicht um ein Quartier für Wochen oder Tage, sondern lediglich um einen warmen Warteraum für durchreisende Flüchtlinge handle. Grundsätzlich wollte aber auch Anschober nicht ausschließen, dass auch in Oberösterreich weitere winterfeste Notquartiere benötigt werden. Entscheidend sei hier nicht zuletzt, in welche Richtung sich Deutschland in der Flüchtlingsfrage künftig bewegt.

Karte zu Grenzübergängen nach Bayern

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/dpa

Abseits davon werden in Österreich aber ohnehin weiterhin Notquartiere gesucht. In Linz steht zudem die Auflassung des ehemaligen Postverteilerzentrums als Notquartier im Raum. Ausgedient hat demnächst auch das Notquartier in der Salzburger Bahnhofstiefgarage, wobei hier im Gegensatz zu Linz bereits Ersatz gefunden wurde - mehr dazu in salzburg.ORF.at. In Wien könnte unterdessen eine bauMax-Filiale zum zweitgrößten Notquartier Österreichs umfunktioniert werden - mehr dazu in wien.ORF.at.

Freilassinger Stadtoberhaupt kritisiert Österreich

Für die deutsche Bundespolizei ist unterdesen die Aufstellung von Transitzelten an der Grenze auch ein Zeichen dafür, dass der Zulauf der Flüchtlinge an den betroffenen Grenzübergängen auch in den kommenden Tagen nicht abbrechen wird. Neben den Grenzübergängen in Oberösterreich kommen nach wie vor auch Hunderte Flüchtlinge über Salzburg nach Bayern. Mit einem „Brandbrief“ an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel äußerte zuletzt der Bürgermeister des bayrischen Grenzortes Freilassing, Josef Flatscher (CSU), seinen Unmut über die aktuelle Flüchtlingspolitik und übte dabei auch Kritik an Österreich.

Der CSU-Politiker verlangte, dass die Polizeikontrolle der Flüchtlinge bereits auf österreichischem Boden erfolge, insbesondere auf Bahnhöfen in Linz und Salzburg. Danach sollten diese mit Zügen nach Deutschland gebracht werden. Flatscher kritisierte in diesem Zusammenhang Österreich, das sich in der Bewältigung der Flüchtlingskrise „nicht im gleichen Maß wie bisher Deutschland“ einbringe.

Neben der bayrischen Landesregierung mehrte sich zuletzt auch in der deutschen Bundesregierung Kritik an der österreichischen Vorgangsweise. Konkret wurde Österreich eine mangelnde Absprache mit den deutschen Behörden vorgeworfen. Am Wochenende kommt es zu dem Thema in Berlin zu einem Krisengipfel. Der CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer sprach am Freitag in München unterdessen von einer Einigung zwischen Deutschland und Österreich. An fünf ausgewählten Grenzübergängen sollen demnach Übergabe- und Kontrollstellen eingerichtet werden.

Leichte Entspannung in Nacht auf Freitag

Erstmals seit Tagen ging am Freitag die Zahl der Flüchtlinge im Raum Passau in Bayern zurück. Am Donnerstag waren am Hauptbahnhof Passau und an den beiden österreichisch-deutschen Übergängen Passau-Achleiten und Wegscheid-Kollerschlag etwa 5.540 Menschen angekommen, in den Vortagen waren es jeweils rund 6.500 gewesen, sagte ein Sprecher der deutschen Polizei am Freitag.

Anders als zuvor war Freitagfrüh auch in den deutschen Notquartieren im Raum Passau noch Platz für Schutzsuchende. In der Dreiländerhalle und den Paul-Hallen in Passau warteten gegen 6.00 Uhr noch jeweils etwa 800 Menschen auf ihre Weiterfahrt in die Erstaufnahmeeinrichtungen, wie die deutsche Polizei weiter mitteilte.

„Ob sich die Lage weiter entspannt, können wir derzeit noch nicht sagen. Erst im Laufe des Vormittags werden wir eine Vorhersage der österreichischen Kollegen bekommen, wie viele Busse am Freitag kommen sollen“, sagte der Sprecher der deutschen Polizeiinspektion Freyung, Thomas Schweikl.

Tausende Flüchtlinge in Spielberg

Im Flüchtlingssammelzentrum in Spielfeld an der steirisch-slowenischen Grenze verlief die Nacht ruhig. Laut Polizei verbrachten rund 4.200 Menschen die Nacht in beheizten Zelten, die für 4.000 Personen ausgelegt sind - mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Nach Angaben der slowenischen Polizei ließen die österreichischen Behörden in der Nacht auf Freitag keine Flüchtlinge über die Grenze in die Steiermark, weil die Kapazitäten dort ausgelastet waren. Auf der Balkanroute durch Kroatien, Slowenien und Österreich Richtung Deutschland sind unterdessen auch weiterhin Tausende Flüchtlinge unterwegs, allerdings weniger als in den Tagen zuvor. In Slowenien trafen am Freitag in den ersten sechs Stunden 2.168 Flüchtlinge aus Kroatien ein, wie die slowenische Polizei mitteilte. Am Donnerstag waren es insgesamt 5.341 gewesen, deutlich weniger als am Tag zuvor, als 9.848 Menschen gekommen waren.

Eine Grafik zeigt Flüchtlingsunterkünfte und Aufnahmezentren in Slowenien

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Seit Ungarn Mitte des Monats seine Landgrenze zu Kroatien mit einem Sperrzaun abriegelte, kamen 104.912 Menschen auf der Balkan-Route durch Slowenien. Slowenien registrierte im Schnitt 8.000 bis 9.000 Flüchtlinge am Tag. Das kleine Land leitet sie zur österreichischen Grenze weiter. In Kroatien wiederum trafen in der Nacht auf Freitag 2.383 Migranten aus Serbien ein, teilte das Innenministerium auf seiner Homepage mit. Am Vortag waren es mehr als 5.800 gewesen.

EU-Kommission: 12.000 Aufnahmeplätze zugesagt

Nach Angaben der EU-Kommission gibt es unterdessen von insgesamt vier Ländern, darunter neben Slowenien, Kroatien und Serbien auch von Österreich, die Zusage für insgesamt 12.000 Aufnahmeplätze für über die Westbalkan-Route kommende Flüchtlinge.

Ziel des jüngsten Sondertreffens der Staats- und Regierungschefs entlang der Balkan-Route am Sonntag war es, bis Jahresende 50.000 solcher temporären Unterkunftsmöglichkeiten zu schaffen, weitere 50.000 in Griechenland. Ob die nun zugesagten 12.000 ein Erfolg seien, wollten Sprecher der Kommission nicht beurteilen. Allerdings wurde darauf verwiesen, dass in nur drei Tagen nach dem Gipfel bereits 12.000 erreicht wurden, 50.000 sollten es bis Jahresende sein.

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