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Balkan-Route bleibt stark frequentiert

Die Lage in den Grenzgebieten zwischen Slowenien und Österreich sowie Österreich und Deutschland ist auch am Donnerstag angespannt geblieben. Sowohl im steirischen Spielfeld als auch im Raum Passau in Bayern mussten Tausende Kinder, Frauen und Männer bei eisigen Temperaturen im Freien auf ihren Weitertransport warten.

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Die nächtliche Kälte und die Feuchtigkeit machten den Flüchtlingen besonders zu schaffen, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa in der Nacht auf Donnerstag aus Wegscheid auf der oberösterreichischen Seite der Grenze. Familien mit kleinen Kindern harrten in Decken und Folien gehüllt auf einer nassen Wiese aus, die Temperatur in dem auf rund 700 Meter Seehöhe gelegenen Ort lägen bei zwei Grad Celsius, in Bodennähe sogar noch darunter.

Auch auf der deutschen Seite der Grenzen hätten Tausende Menschen auf ihre Weiterfahrt gewartet. „Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das erste Baby hier erfriert“, sagte Lothar Venus von der Stabsstelle des Landkreises Passau. Am Donnerstag kamen an den Übergängen Wegscheid und Passau-Achleiten sowie am Bahnhof Passau weniger als 6.000 Menschen an, wie ein Sprecher der deutschen Bundespolizei am späten Abend berichtete.

Flüchtlinge bereits in Quartieren

In Wegscheid warteten am Donnerstag kurz vor Mitternacht noch wenige hundert Menschen auf die Weiterfahrt, so die Polizei. Der Übergang Passau-Achleiten war bereits um 22.30 Uhr wieder frei. In der Nacht zuvor waren erst gegen 3.00 Uhr die letzten wartenden Flüchtlinge von den Grenzorten in die Unterkünfte gebracht worden.

„Es macht den Eindruck, als laufe auf österreichischer Seite alles etwas geregelter und flüssiger ab. Es wurden nicht mehr auf einen Schlag zu viele Flüchtlinge an die Grenze gebracht“, sagte der Sprecher der Bundespolizeiinspektion Freyung, Frank Koller. Diese Praxis hatte zuvor für lange Wartezeiten gesorgt.

Angespannte Situation auch in Spielfeld

Im steirischen Spielfeld hielten sich am Donnerstagabend rund 3.500 Flüchtlinge auf, in Bad Radkersburg waren es laut Polizei etwa 800. Der Abtransport in Transitquartiere mit zivilen Bussen sowie Bussen des Bundesheeres erfolgte laufend. Am Nachmittag gab es ein Handgemenge zwischen einigen Personen in Spielfeld, ein einschreitender Polizist erhielt einen Schlag ins Gesicht - mehr dazu in oesterreich.ORF.at

Spielfeld: Erneut Tausende Neuankünfte

Auch am Donnerstag haben Tausende Menschen die Grenze zwischen Slowenien und der Steiermark passiert.

Angespannt blieb die Situation am Donnerstag auch an der kroatisch-slowenischen Grenze. Am Vormittag kamen mehr als 5.300 Menschen mit Zügen aus Kroatien nach Slowenien. Tags zuvor waren es fast 10.000 gewesen. Insgesamt erreichten innerhalb der vergangenen zwei Wochen mehr als 100.000 Flüchtlinge über die Balkan-Route Slowenien.

Slowenien zu „restriktivsten Maßnahmen“ bereit

Slowenien ist bereit, zur Bewältigung der Flüchtlingssituation die „restriktivsten Maßnahmen“ zu setzen. Das sagte Innenministerin Vesna Györkös Znida am frühen Donnerstagabend nach einer Regierungssitzung ohne Details zu nennen.

„Slowenien bereitet sich auf alle mögliche Szenarien vor. Auch wir erwägen alle möglichen Maßnahmen, die einen geordneten Zutritt über die Grenze ermöglichen“, sagte Györkös Znidar bei einer Pressekonferenz in Ljubljana. Im diesen Sinne seien die Positionen Slowenien und Österreichs „synchronisiert“, sagte die Ministerin mit Blick auf die von Österreich geplanten technischen Sperren an der Grenze zu Slowenien.

Auch österreichische Pläne würden darauf gerichtet sein, einen kontrollierten und geordneten Flüchtlingszustrom sicherzustellen, so Györkös Znidar. Diese Zusicherung habe sie am Mittwoch in einem Telefongespräch mit ihrer österreichischen Amtskollegin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bekommen, erklärte Györkös Znidar. „Sie hat mir gesagt, dass es sich nicht um Schließung der Grenze handle, sondern ausschließlich um Maßnahmen, die ihnen ermöglichen werden, leichter die Sicherheit auf ihrem Gebiet zu gewährleisten.“ Slowenien habe ein wachsames Auge darauf, was in Österreich vorgehe, fügte sie hinzu.

Kritik an Lage in slowenischen Aufnahmezentren

In Slowenien wurde am Donnerstag Kritik an den Zuständen in den Erstaufnahmezentren für Flüchtlinge laut. Insgesamt 14 Organisationen, darunter auch Amnesty International, nannten die humanitären Zustände in einigen Flüchtlingszentren „alarmierend“. Sie drohten mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), sollte Slowenien nicht die minimalen Standards sichern.

Die Organisationen richteten einen gemeinsamen Appell an Ministerpräsident Mir Cerar. Am kritischsten seien die Zustände in den Aufnahmezentren an der Grenze zu Kroatien und auch in der Unterkunft in Sentilj an der Grenze zu Österreich. Es sei inakzeptabel, dass die Flüchtlinge die Nächte im Freien verbringen müssen, keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen haben und stundenlang ohne Wasser und Essen festgehalten werden, schrieben die NGOs in einem offenen Brief an den Premier.

20.000 Plätze entlang der Balkan-Route

In den Plan, 100.000 Aufnahmeplätze für Flüchtlinge entlang der Balkan-Route zu schaffen, kam indes am Donnerstag Bewegung. In einer Videokonferenz der Kontaktpersonen aller teilnehmenden Länder am Nachmittag wurden in einem ersten Schritt in etwa 20.000 Plätze zugesagt.

5.000 dieser Plätze sollen in Österreich geschaffen werden. Wo genau, war zunächst unklar. Beschlossen wurde die Einrichtung der Quartiere laut dem Bundeskanzleramt bereits am Mittwoch im Rahmen eines Ministerratsvortrages.

„Intensive Diskussion“

Es habe eine „intensive Diskussion“ gegeben, die Gespräche hätten über zweieinhalb Stunden gedauert, erklärte die Sprecherin von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), Susanne Enk. Griechenland sagte zu, zunächst einmal 7.500 Quartiere schaffen zu wollen. Jeweils 3.000 Plätze werden zudem in Kroatien und Serbien entstehen, 2.000 weitere in Slowenien.

Außerdem sei vereinbart worden, ab Freitag die Daten aller Länder anhand eines standardisierten Formulars auszutauschen. Das soll die Koordination der neu ankommenden Flüchtlinge erleichtern. Für die geplante Verstärkung des Grenzschutzes in Slowenien haben Staaten nach den Angaben vom Donnerstagabend bisher 183 Beamte zugesagt. Damit ist das Ziel, innerhalb einer Woche 400 Beamte zu entsenden, noch weit entfernt.

Die Telefonkonferenz war die erste nach dem von Faymann und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel initiierten Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs entlang der Balkan-Route am Sonntag in Brüssel. Dabei war die Errichtung von 100.000 temporären Unterkunftsplätzen für Schutzsuchende beschlossen worden, 50.000 davon in Griechenland.

Bis zu 39 Tote bei Bootsunglück vor Spanien

Im westlichen Mittelmeer zwischen Marokko und Spanien kamen unterdessen bei einem Schiffsunglück im Mittelmeer bis zu 39 Flüchtlinge ums Leben, 15 weitere konnten gerettet werden. Wie die spanischen Rettungsdienste am Donnerstag mitteilten, wurde das Schiff, das bei Alhucemas in Marokko aufgebrochen war, gegen Mittag von einem Flugzeug der europäischen Grenzschutzagentur Frontex entdeckt.

13 Männer und zwei Frauen, die sich an Treibgut klammerten, wurden gerettet. Die Überlebenden des Schiffsunglücks berichteten, dass weitere 39 Flüchtlinge an Bord gewesen seien. Die Sucharbeiten wurden fortgesetzt.

Dutzende Tote vor Lesbos befürchtet

Bereits am Mittwochabend dürften bei einem Bootsunfall vor Lesbos Dutzende Menschen ertrunken sein. Fünf Kinder, zwei Männer und eine Frau seien tot geborgen worden, teilte die Küstenwache am Donnerstag mit. Mindestens 34 Personen würden noch vermisst.

In einer dramatischen Rettungsaktion war es Küstenwache und Fischern aber gelungen, 242 Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Der für die Küstenwache zuständige Minister Theodoros Dritsas zeigte sich nach dem neuen Unglück erschüttert. Die Rettungsaktionen der Küstenwache seien „zu einer Herzensangstaktion“ geworden, sagte er. Europa müsse diese Menschen aufnehmen und die „nationalen Egoismen“ beiseitelassen.

Die Küstenwache teilte am Donnerstag mit, in den vergangenen 24 Stunden seien mehr als 900 Menschen aus der Ägäis gerettet worden. In Piräus kamen in der Früh an Bord von drei Fähren knapp 5.000 Flüchtlinge von den Ägäis-Inseln an.

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