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„Sehr sensibler Einsatz“

Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) hält es weiterhin nicht für notwendig, Grundwehrdiener an die Grenze zu schicken. Den Assistenzeinsatz im Zuge der Flüchtlingskrise könne das Heer derzeit ohne Probleme mit Berufssoldaten abdecken, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Außerdem handle es sich um einen „sehr sensiblen Einsatz“, weiters wolle man eine möglichst gute Ausbildung gewährleisten.

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Für die Unterstützung der Hilfsorganisationen und Freiwilligen durch etwa 300 Soldaten werden teilweise schon Grundwehrdiener herangezogen. Diese Soldaten transportieren Flüchtlinge oder Materialien und Geräte und helfen bei der Verpflegung der Menschen. Im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz befinden sich dagegen nur Zeit- und Berufssoldaten, derzeit unterstützen rund 1.500 die Polizei an den Grenzen.

Beim schwarzen Koalitionspartner mehren sich die Stimmen, die nach Grundwehrdienern an der Grenze verlangen. „Ich wundere mich, warum wir nicht schon längst die Präsenzdiener an die Grenze geschickt haben“, meinte etwa ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald Mittwochabend im Ö1-„Klartext“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Berufssoldaten mit Auslandserfahrung

Grundsätzlich bestehe dafür derzeit kein Bedarf, entgegnete Klugs Sprecher gegenüber der APA. Das Bundesheer hätte sogar noch Luft nach oben. Die im aktuellen Regierungsbeschluss vorgesehene Maximalzahl von 2.200 könnte man unter den jetzigen Voraussetzungen mit Berufssoldaten abdecken.

Aber auch sonst ist Klug offensichtlich nicht gerade begeistert von der Idee, Grundwehrdiener an der Grenze zu postieren: Es handle sich um einen „sehr anspruchsvollen, sehr sensiblen Einsatz“ mit vom Krieg traumatisierten Flüchtlingen, so der Sprecher. Man setze deshalb möglichst Soldaten ein, die entsprechende Erfahrung mitbringen, zum Beispiel aus Auslandseinsätzen. Mit dem jahrelangen Assistenzeinsatz in Ostösterreich, zu dem die jungen Leute sehr wohl herangezogen worden waren, will man den aktuellen Einsatz nicht vergleichen: Es handle sich um eine andere Aufgabenstellung und ganz andere Intensität.

Verweis auf Ausbildung

Darüber hinaus sei es das Ziel, die Grundwehrdiener in den sechs Monaten beim Militär so gut wie möglich auszubilden, so Klugs Sprecher. Bei einem Grenzeinsatz würde Zeit in der Ausbildung verloren gehen. Bei jenen Präsenzdienern, die für den Unterstützungseinsatz eingeteilt werden, passten die Tätigkeiten wie Zelteaufbauen und Transport auch oft in die Ausbildung, heißt es.

Ab wann das Bundesheer gezwungen wäre, auf Grundwehrdiener oder die Miliz zurückzugreifen, wollte der Sprecher nicht einschätzen, denn das wäre spekulativ. Klug hatte schon mehrfach betont, dass ein Einsatz der Miliz grundsätzlich immer eine Option sei. Eine Präferenz des Ministers, ob er im Fall des Falles zuerst auf die Miliz oder doch auf Grundwehrdiener zurückgreifen würde, nannte der Sprecher auf Nachfrage nicht.

ÖVP ritt gegen Koalitionspartner aus

Wenig erfreut fielen in der Folge die Reaktionen des Koaltionspartners ÖVP aus. ÖVP-Verteidigungssprecher Bernd Schönegger warf Klug in einer Aussendung eine „bemerkenswerte Fehleinschätzung“ vor. Schönegger sprach von „durchschaubaren Beschönigungsversuchen und Ausreden“. Es sei „absurd“, dass weder Grundwehrdiener, „welche nach einer gewissen Zeit als solche über die notwendige Ausbildung verfügen“, noch die Miliz im Bereich Hilfs- und Versorgungsleistung herangezogen werden. Das stelle „das System der Wehrpflicht massiv infrage“, empörte sich Schönegger.

Die Soldaten leisteten großartige Arbeit, während „die politische und teilweise leider auch die ‚kanzleiführende militärische Führung‘ des Bundesheeres von einer Fehleinschätzung in die nächste torkeln“, kritisierte Schönegger auch Generalstabschef Othmar Commenda. Der oberste Militär war zuvor im Ö1-Mittagsjournal mit den Worten zitiert worden, wer Grundwehrdiener an der Grenze verlange, sei „entweder ahnungslos oder verantwortungslos“.

„Absolute Ausnahmesituation“

Die ÖVP schickte indes auch ein weiteres Mal ihren Generalsekretär Peter McDonald nach vorn, um dem Minister „Beschönigen und Beschwichtigen“ vorzuwerfen. Tatsache sei, dass es in außergewöhnlichen Situationen auch außergewöhnliche Maßnahmen brauche. „Innenministerin Johanna Mikl-Leitner trifft mit den Plänen für einen Zaun entlang des Grenzübertritts bei Spielfeld die richtigen und notwendigen Vorbereitungen“, sagte er.

Auch die Junge ÖVP meldetet sich zu Wort und erinnerte Klug daran, dass sich das Land „in einer absoluten Ausnahmesituation“ befinde. Grundwehrdiener seien „keine Soldaten zweiter Klasse“, meinte die JVP. „Wie lange will der Verteidigungsminister noch zusehen, ohne aktiv zu werden, während die Exekutive bis zur Erschöpfung im Einsatz ist?“

Karas: Regierung gegen Grenzzaun

Es gebe die „abgestimmte Linie der österreichischen Regierung, dass es keinen Zaun geben wird“, betonte der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, am Freitag. Es dürfe keinen Zaun geben. „Es wird keinen Zaun geben. Zäune lösen keine Probleme, die schaffen höchstens Aggressivität, Nationalismus und verdrängen die Probleme“, so Karas am Donnerstag im EU-Parlament in Straßburg.

In der ÖVP ist die Meinung über einen Grenzzaun geteilt. Der Grazer ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl forderte, die Grenze zu Slowenien zu schließen, so gut das möglich sei. Außenminister Sebastian Kurz sprach sich zuletzt für eine Umstellung des europäischen Asylsystems aus. Gegen Zäune ist Kurz grundsätzlich nicht, sie müssten aber an den EU-Außengrenzen stehen, wie er im Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) sagte.

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