Themenüberblick

„Beziehungen belastet“

Neben der österreichisch-slowenischen Grenze bei Spielfeld spitzt sich die Situation an der Grenze zu Deutschland zu. Der Ton zwischen Bayern und Österreich wird rauer - auf Ebene der Politik und zwischen den Beamten. Währenddessen müssen Hunderte Flüchtlinge stundenlang bei Kälte im Freien warten, ohne zu wissen, wie es weitergeht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) warf in einem Interview mit der „Passauer Neuen Presse“ („PNP“, Dienstag-Ausgabe) Österreich mangelnde Koordination des Flüchtlingszustroms an der ost- und südostbayrischen Grenze vor. Er sieht die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Pflicht: „Dieses Verhalten belastet die nachbarschaftlichen Beziehungen.“ Merkel müsse mit der Regierung in Wien über die Politik der offenen Grenzen sprechen: „Das kann und muss die Bundeskanzlerin beenden.“ Dazu genüge ein Telefonat mit Kanzler Werner Faymann (SPÖ).

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer

APA/AFP/Christof Stache

Seehofer übt in der Flüchtlingskrise heftige Kritik an Österreich

CDU wehrt sich gegen Ultimatum

„Mit Ultimaten, glaube ich, kommen wir nicht viel weiter“, sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner im Deutschlandfunk mit Blick auf Seehofers Aussagen. In Krisenzeiten gehe es darum, einen „kühlen“ Kopf zu bewahren. Das Asylbeschleunigungsgesetz, das am 1. November in Kraft treten solle, müsse zudem erst einmal wirken. „Ich glaube, da müssen wir uns auch Zeit geben, dass Wirkungen auch absehbar und ablesbar sind.“

Am Nachmittag meldete sich auch die deutsche Kanzlerin selbst zu Wort und wies das Ultimatum zurück: „Wir können den Schalter nicht mit einem Mal umdrehen, sondern müssen Schritt für Schritt vorgehen.“ Auch pflege sie „konstante Kontakte“ nach Österreich. Das sei „die Normalität unseres Handelns“.

Hermann: Unverantwortliches Verhalten

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) unterstrich dagegen Seehofers Kritik: „Das ist ein unverantwortliches Verhalten der österreichischen Kollegen.“ Österreich sei bisher zu keiner Zusammenarbeit bereit: „Ich habe das so mit Österreich noch nie erlebt. Fall sich dies nicht grundlegend ändert, dann müssen wir in der Tat auch zum Schutze der Bundesrepublik Deutschland (...) an der Grenze noch wesentlich restriktiver verfahren“, so Herrmann.

Hermann im ZIB2-Interview

Im ZIB2-Interview wiederholte Hermann Dienstagabend seine Vorwürfe. Österreich sei selbst als Schleuser von Slowenien nach Bayern tätig.

Andreas Pilsl, Landespolizeidirektor in Oberösterreich, wies Dienstagabend im ZIB2-Interview die Vorwürfe des bayrischen Innenministers zurück. Es gehe um geordnete Mobilität. Viele Wochen habe die Zusammenarbeit mit Bayern sehr gut geklappt, dann seien ohne Rücksprache mit Österreich Einreisequoten einseitig festgelegt worden.

Polizei klagt über deutsche Limits

Die oberösterreichische Polizei klagte bereits am Montag, dass Deutschland in der Flüchtlingsfrage die Daumenschrauben angezogen habe, weil es pro Grenzübergang nur noch 50 Asylsuchende in der Stunde durchlasse. „Die Deutschen haben für sich selbst ein System zurechtgelegt, wo sie kontingentiert die Flüchtlinge übernehmen wollen. Diese Zahlen sind aber zu gering, wenn man sich den Zufluss im Süden anschaut“, so Pilsl.

„Müssen menschlich handeln“

David Furtner, Polizeisprecher in Oberösterreich, widersprach der Darstellung Seehofers. Es gebe keine mangelnde Koordination auf Beamtenebene an den Grenzen. Seit Wochen arbeite die Polizei grenzüberschreitend „Hand in Hand“. Der Bitte der bayrischen Polizei, das Zelt für 1.000 Personen noch nicht aufzustellen, sei die oberösterreichische Polizei daher auch nachgekommen. Ursprünglich war geplant gewesen, im Innviertel ein Großzelt für Flüchtlinge aufzubauen.

In einer Reaktion auf die Aussagen Seehofers betonte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ), dass Faymann „in engstem Kontakt mit Kanzlerin Angela Merkel“ stehe: „In dieser herausfordernden Situation müssen wir menschlich handeln.“ Wenn die Flüchtlinge einmal unterwegs seien, gehe es nur darum zu entscheiden, „versorgt man die Menschen medizinisch und mit Nahrungsmitteln oder lässt man sie erfrieren“.

„Lange können wir das nicht mehr aushalten“

Die Behörden in Bayern klagen hingegen, dass Österreich entgegen den Absprachen ohne Vorankündigung Tausende Flüchtlinge an die bayrische Grenze bringe. Das habe „die Lage am Wochenende beinahe außer Kontrolle geraten“ lassen, sagte der Passauer Landrat Franz Meyer (CSU) am Montag. Bis Allerheiligen werde er noch abwarten, ob die bayrischen Forderungen nach einer Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung in Berlin Gehör fänden, ergänzte Seehofer nun im Interview. „Sollte ich keinen Erfolg haben, müssen wir überlegen, welche Handlungsoptionen wir haben“, fügte er mit Blick auf schon früher angedrohte „Notwehrmaßnahmen“ hinzu.

Auch der deutsche Landkreistag forderte eine wirksame Beschränkung des Zuzugs von Flüchtlingen und warnte vor einem Kollaps. „Wir spüren einen großen Druck“, sagte der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, gegenüber den „Ruhr Nachrichten“ (Dienstag-Ausgabe). „Lange können wir das nicht mehr aushalten.“ Bei den Möglichkeiten zur Unterbringung von Flüchtlingen sei eine Grenze erreicht.

Flüchtlinge vor einem Grenzübergang von Österreich nach Deutschland

APA/dpa/Armin Weigel

Flüchtlinge warten in Österreich auf die Weiterreise nach Deutschland

„Keine Zelte, keine Decken, kein Tee, nichts“

In einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“, Dienstag-Ausgabe) hingegen wurde ein anderes Bild von der Situation in Österreich gezeichnet - am Beispiel des Grenzübergangs bei Achleiten. Den österreichischen Polizisten wurde in dem Bericht vorgeworfen, dass sie zwar die Flüchtlinge zur Grenze bringen, „aber keinen Klowagen schicken, keine Zelte, keine Decken, keinen Tee, nichts“.

Auch das Rote Kreuz sei erst nach Achleiten gekommen, nachdem die dortige Tankstellenbetreiberin die Hilfsorganisation verständigt hatte. „Unser oberstes Ziel ist, alle Menschen gut und schnell zu versorgen“, sagte die Sprecherin der oberösterreichischen Landespolizei gegenüber der „Süddeutschen“: „Es läuft nicht immer so, wie man es gerne hätte.“

Links: