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Ein „Element von Wahrheit“ in der These

Im März 2003 haben die USA den Irak angegriffen, eine „Koalition der Willigen“ war mit dabei, ganz vorne Großbritannien. Rückblickend räumte der damalige britische Regierungschef Tony Blair spät Fehler ein. Die These, die Invasion könne der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) den Weg bereitet haben, wies er 2015 nicht mehr so vehement zurück wie noch zuvor.

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Blair erklärte in einem Exklusivinterview mit dem US-TV-Sender CNN im Oktober, er bedaure bestimmte Fehler von damals - keinesfalls aber den Sturz von Diktator Saddam Hussein. Er entschuldige sich dafür, dass man von falschen Fakten ausgegangen sei, etwa was das vermutete Chemiewaffenarsenal Husseins betraf.

Waffenarsenale „in der Form“ nicht existent

Der habe etwa tatsächlich chemische Kampfstoffe gegen die eigenen Bürger eingesetzt (beim Angriff auf die kurdische Stadt Halabdscha 1988, Anm.), allerdings habe „das Programm in der Form, wie wir dachten, nicht existiert, wie wir dachten“. Kurz: Die vor allem vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush beschworenen Arsenale von Massenvernichtungswaffen - den Grund für den Krieg - gab es nicht.

US-Präsident George W. Bush und der Britische Premier Tony Blair

Reuters/J. Scott Applewhite

Blair und Bush an der Spitze der „Koalition der Willigen“ („coalition of the willing“) als Gegenpart zur „Achse des Bösen“ („axis of evil“)

Der Zweite Irak-Krieg dauerte nur kurz: Von 20. März bis 1. Mai 2003, er endete mit dem Sturz Husseins. Die Bilanz war trotzdem tragisch: CNN erinnert an Tausende tote Iraker, 4.000 gefallene US-Soldaten und 179 getötete britische Armeeangehörige. Außerdem, so der US-Sender, habe der Krieg das Land „ins Chaos gestürzt, in Jahre tödlicher sektiererischer Gewalt und im Aufstieg der Al-Kaida im Irak resultiert, einer Vorgängerin des IS“.

Hussein stürzen - und dann?

Auch diese nicht mitgedachten Konsequenzen sieht der frühere britische Labour-Politiker heute offenbar anders als damals. Ihm tue der Sturz Husseins nicht leid, sagte er gegenüber CNN. Aber es habe Fehler in der Planung gegeben und „ganz sicher Fehler in unseren Vorstellungen davon, was passieren wird, wenn das Regime einmal gestürzt ist“. Ex-Diktator Hussein betreffend sei es auch noch aus heutiger Sicht besser, „dass der nicht da ist, als dass er da ist“.

Saddam Hussein

AP/INA/Pool

Nach dem Sturz Husseins (und seiner Hinrichtung Ende 2006) nutzen Extremisten das Machtvakuum im Land

Blair räumte in den Interview mit CNN schließlich auch ein, dass ein „Element von Wahrheit“ in der These stecke, dass der Dritte Golfkrieg am Ende nicht nur der Al-Kaida im Irak, sondern auch IS zum Aufstieg verholfen hat. Man könne „natürlich nicht sagen, dass die, die 2003 Saddam beseitigt haben, keine Verantwortung für die Situation 2015 tragen“, so Blair.

Meinung leicht revidiert

Allerdings hätte seiner Ansicht nach auch der „arabische Frühling“ 2011 Folgen für den Irak gehabt. Außerdem habe der IS seine Expansion „von einer Basis in Syrien aus und nicht im Irak“ begonnen. Im Sommer 2014 war Blair in einigen Punkten noch ganz anderer Ansicht.

US-Panzer an der Kuweitischen Grenze

AP/Anja Niedringhaus

US-Angriff von der kuwaitischen Grenze aus (2003)

Damals sah er die aktuelle Gewalt im Irak nicht im Zusammenhang mit der US-geführten Invasion 2003. Die Argumentation, dass es ohne ein militärisches Eingreifen der USA und Großbritanniens keine Krise in der Region geben würde, sei „bizarr“, schrieb Blair damals. Die grundlegende Ursache für die Krise sei in der Region zu suchen. Es seien die politischen Verantwortungsträger gewesen, die die „einmalige Chance“ verpasst hätten, „einen geeinten Irak aufzubauen“.

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