EU hofft auf „praktische“ Maßnahmen
Vor dem Sondergipfel zur Flüchtlingskrise am Sonntag ist in der EU die Debatte über Grenzzäune neu entbrannt. Das auf der Balkan-Route stark unter Druck stehende Slowenien drohte ohne massive Hilfszusagen bei dem Spitzentreffen mit dem Bau einer Absperrung zu Kroatien. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bezeichnete Zäune an der EU-Außengrenze am Freitag als wirksames Mittel. Laut EU-Kommission soll der Gipfel „praktische“ Sofortmaßnahmen beschließen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Ein Zaun sei eine letzte Option, sagte Sloweniens Regierungschef Miro Cerar in der Nacht zum Freitag im Fernsehen. Wenn es von dem von der EU-Kommission einberufenen Gipfel der Länder entlang der Balkan-Route keine konkrete Hilfe gebe, ziehe seine Regierung aber „eine solche Option in Betracht“. Slowenien erhofft sich vom Brüsseler Gipfel Finanzhilfen von 140 Millionen Euro sowie logistische und humanitäre Unterstützung, um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen.
Land unter Druck
Das kleine EU-Land steht seit Tagen massiv unter Druck, nachdem Ungarn seine Grenzen zum Nachbarn Kroatien dichtgemacht hat und nun Tausende Menschen versuchen, über Slowenien nach Österreich und Deutschland zu reisen. Von Samstag bis Freitagnachmittag kamen nach Behördenangaben 50.400 Flüchtlinge in das nur zwei Millionen Einwohner zählende EU-Land.
Ungarn hatte auf dem Balkan als erstes EU-Land auf die stark gestiegene Zahl von Flüchtlingen mit dem Bau von Zäunen reagiert: zunächst zum Nicht-EU-Land Serbien, dann auch zu Kroatien. Die Regierung in Budapest war dafür von EU-Partnern teils scharf kritisiert worden; EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat mehrfach erklärt, er halte Mauern und Zäunen nicht für eine Lösung im Sinne Europas.
„Frage ist: Will man es tun oder nicht?“
Doch auch in Österreich sehen Regierungsmitglieder angesichts der dramatischen Lage Zäune an den EU-Außengrenzen inzwischen als mögliches Mittel, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Die Aussage, dass Zäune nicht funktionierten, sei „schlicht und ergreifend falsch“, sagte der konservative Außenminister Kurz. „Die Frage ist: Will man es tun oder nicht?“ Kurz verwies dabei auf einen seit Jahren bestehenden Grenzzaun zwischen Bulgarien und der Türkei und auf die von Spanien errichteten Zäune in den afrikanischen Exklaven Ceuta und Melilla.
Kommissionspräsident Juncker hatte das Krisentreffen der Staats- und Regierungschefs von neun EU-Ländern und Serbiens am Mittwoch kurzfristig einberufen. Ziel sei es, die Zusammenarbeit der Länder entlang der Balkan-Route zu verbessern und „pragmatische operationelle Maßnahmen, die sofort umgesetzt werden können“, zu beschließen, erklärte die Kommission am Freitag.
„Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die Herausforderungen nicht durch nationales Vorgehen bewältigt werden.“ Auch die deutsche Bundesregierung erwartet von dem Treffen, an dem Kanzlerin Angela Merkel teilnimmt, „gemeinsame Lösungen“.
Grenzkontrollen rechtmäßig
Die Kommission erklärte gleichfalls die von Deutschland und Österreich Mitte September wieder eingeführten Grenzkontrollen für rechtmäßig. Nach Einschätzung der Behörde stehen die vorübergehenden Kontrollen „in Einklang mit dem Schengener Grenzkodex“ und sind angesichts der hohen Zahl ankommender Menschen „verhältnismäßig“. Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere hat bei der EU bereits angekündigt, die Kontrollen ohne Veränderung der Lage über den 31. Oktober hinaus zu verlängern.
Links: