NGO weist auf alarmierende Studien hin
Viereinhalb Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima hat die japanische Regierung erstmals offiziell bestätigt, dass ein früherer Angestellter des AKW aufgrund der radioaktiven Strahlung nach der Kernschmelze an Krebs erkrankt ist. „Der Fall erfüllt die Kriterien“, sagte ein Vertreter des Gesundheitsministeriums am Dienstag in Tokio.
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Bei dem Mann, der nach der Havarie 2011 in dem Atomkraftwerk gearbeitet hatte, sei Leukämie diagnostiziert worden. Der 41-jährige Ex-Angestellte werde finanziell entschädigt. Andere Krankheitsursachen könnten ausgeschlossen werden, hieß es. Nach dem Unglück erkrankten mehrere in der Anlage im Nordosten Japans tätige Arbeiter an Krebs. Bisher wurde ein direkter Zusammenhang zwischen der Atomkatastrophe und den Krebsdiagnosen aber offiziell nicht bestätigt. In drei Fällen dauert die Prüfung noch an.

APA/AFP/Issei Kato
Mehrere Arbeiter aus Fukushima sind an Krebs erkrankt
Studie zeigt Auswirkungen auf Krebs bei Kindern
NGOs weisen immer wieder auf Studien hin, die eine gestiegene Krebsrate in der betroffenen Region aufzeigen. Zuletzt berichtete Global 2000 von einer im Fachmagazin „Epidemology“ veröffentlichten Studie, die klare Auswirkungen auf die Schilddrüsenkrebs-Wahrscheinlichkeit bei Kindern und Jugendlichen der Umgebung zeige.
„Der Wissenschaftliche Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung UNSCEAR spielt, unter Einfluss der proatomaren Länder, die Auswirkungen der Fukushima-Katastrophe auf null herunter,“ so Global 2000 in einer Aussendung. „Doch jetzt zeigen sich, genauso wie im zeitlichen Abstand nach der Tschernobyl-Katastrophe, erste Auswirkungen auf Schilddrüsenkrebs bei Kindern.“
Nach einer Latenzzeit von vier Jahren für Schilddrüsenkrebs zeige sich bei der zweiten Runde von Tests bei 298.577 Kindern und Jugendlichen in der Fukushima-Region ein klarer Anstieg, hieß es in der Studie, insbesondere im zentralen Bereich der Präfektur, in dem ein Anstieg um das Zwölffache im Vergleich zu einer nicht betroffenen Referenzregion nachgewiesen worden sei.
UNO-Experten loben Behörden
Die UNSCEAR kam im Vorjahr bei einer Konferenz mit über 80 Experten aus UNO-Mitgliedsstaaten zu dem Ergebnis, dass keine erkennbaren Änderungen bei den Krebsraten, die man auf die radioaktive Strahlung durch den Unfall zurückführen könnte, zu erwarten seien. Im Bericht „Levels and Effects of Radiation Exposure due to the nuclear accident after the 2011 great east-Japan earthquake and tsunami“ („Stärke und Effekte der Strahlenexposition durch den Nuklearunfall nach dem großen ostjapanischen Erdbeben im Jahr 2011 und dem Tsunami“) hieß es, dass die geringen Auswirkungen großteils auf die raschen Schutzmaßnahmen der Behörden zurückzuführen seien.
Außerdem habe eine unabhängige Überprüfung der radioaktiven Dosen, denen die betroffenen Arbeiter ausgesetzt waren, die ursprünglich berichteten Werte „weitgehend“ bestätigen können. Es blieben lediglich Unklarheiten über ihre Exposition unmittelbar nach dem Unfall.
„Kleine Wahrscheinlichkeit“ von Kreislaufproblemen
Bei 13 Arbeitern, deren Schilddrüsen ziemlich hohen radioaktiven Dosen ausgesetzt waren, bestehe das Risiko einer Schilddrüsenüberfunktion, doch diese Krankheit sei medizinisch gut behandelbar, so Wolfgang Weiss, der Leiter der Untersuchungen damals. Ebenso könnten die Arbeiter mit „kleiner Wahrscheinlichkeit“ von Kreislauferkrankungen betroffen werden. Diese Menschen würden weiterhin regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen erhalten. Auch die Auswirkungen auf die Umwelt wurden damals analysiert. Mögliche Effekte auf die Ökosysteme an Land oder im Meer seien vorübergehend, Langzeitfolgen schätzte die UNSCEAR als „unerheblich“ ein.
WHO rechnet mit steigender Krebsrate
Die Weltgesundheitsbehörde (WHO) kam ihrerseits schon 2013 zu einem anderen Schluss. Im einem Umkreis von 20 Kilometern steige die Gefahr bei Frauen und Kindern, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken, um bis zu 1,25 Prozent, schrieb die WHO in einem damals veröffentlichten Bericht zu den Gesundheitsfolgen des Unglücks für Japan und die übrige Welt. Auch das Risiko von Brustkrebs- und Leukämieerkrankungen dürfte steigen, wenngleich in geringerem Maße, hieß es in dem 166-seitigen Bericht weiter.
Außerhalb der am stärksten verstrahlten Gebiete werde dagegen nicht mit erhöhten Krebsraten gerechnet, so WHO-Expertin Maria Neira. Auch dürfte die von dem havarierten Atomkraftwerk ausgetretene Strahlendosis nicht zu mehr Fehl- und Totgeburten oder Missbildungen bei Babys führen. Als Konsequenz forderte die WHO, die Risikogruppen über einen längeren Zeitraum zu beobachten und medizinisch zu begleiten.
Im AKW Fukushima I war infolge eines schweren Erdbebens und eines Tsunamis am 11. März 2011 das Kühlsystem ausgefallen, woraufhin es in mehreren Reaktoren zur Kernschmelze kam. Die Aufräumarbeiten sollen noch vier Jahrzehnte dauern. Zehntausende Menschen mussten damals die verstrahlte Gegend in und um Fukushima verlassen.
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