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„Test für Solidarität“ in EU

Das EU- und Schengen-Land Slowenien will angesichts der verschärften Flüchtlingssituation die Armee stärker einbeziehen. Das beschloss die Regierung in einer Nachtsitzung: „Der Zustrom von Flüchtlingen in den vergangenen drei Tagen hat alle beherrschbaren Möglichkeiten überschritten.“ Welche Aufgaben das Militär übernehmen soll, blieb zunächst offen.

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Eine Gesetzesnovelle, mit der die Armee „bestimmte zusätzliche Aufgaben“ bekommen wird, werde am Dienstag im Parlament eingebracht, hieß es in einer Mitteilung. Erwartungsgemäß könnte sie noch am selben Tag verabschiedet werden. Es gehe um „zusätzliche Aufgaben“ zur Unterstützung der Polizei „bei der Kontrolle und dem Schutz der nationalen Grenzen und der Aufrechterhaltung der Ordnung“, teilte die Regierung mit.

Derzeit beschränkt sich die Befugnis für die Streitkräfte auf logistische Unterstützung. Ministerpräsident Miro Cerar sagte, die angestrebte Neuregelung bedeute keinen „Ausnahmezustand“. Slowenien müsse aber reagieren, weil sich das EU-Nachbarland Kroatien unkooperativ verhalte.

Appell an Europäische Union

Obwohl Slowenien pro Tag nur 2.500 Flüchtlinge aufnehmen, registrieren und nach Österreich weiterleiten könne, seien es allein am Montag rund 8.000 gewesen, hieß es in der Regierungsmitteilung. Entgegen den Beteuerungen Österreichs, es gebe keine Einreisebeschränkungen, hätten am Montag laut slowenischen Angaben nur 2.000 Flüchtlinge in das Nachbarland weiterreisen können.

Flüchtlinge an der slowenischen Grenze

Reuters/Srdjan Zivulovic

Die Grenzen sind zwar offen, doch die Weiterreise verläuft stockend

Slowenien appellierte erneut an die EU, bei der Bewältigung der Krise zu helfen. „Es ist ganz und gar unrealistisch, dass ein Zweimillionenland die Lage stoppen, organisieren und lösen kann“, während es „viel größere Mitglieder nicht geschafft haben“, heißt es in der Regierungsmitteilung weiter. Slowenien sehe in der Hilfe aus Brüssel „einen Test für die Solidarität“.

„Kroatien kündigt Ankünfte nicht an“

„Kroatien kündigt die Flüchtlingsankünfte nicht an, sondern schickt sie unkontrolliert, sogar absichtlich zerstreut an die Grenze“, hieß es weiter. Wegen dieser Handlungen der Nachbarstaaten seien allein am Montag rund 6.000 Menschen, großteils Frauen und Kinder, in Slowenien geblieben.

Karte zu Flüchtlingsrouten

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Slowenien könne nicht zulassen, dass sich die Füchtlinge unkontrolliert auf seinem Gebiet aufhielten. Gleichzeitig müsse man aber eine angebrachte Unterkunft sicherstellen, weshalb die Regierung Maßnahmen zur Aufstockung der Übernachtungskapazitäten treffen werde, beschloss das Kabinett.

Knapp 1.000 Ankünfte in der Steiermark

Seit Mitternacht kamen erneut Hunderte Flüchtlinge bei Spielfeld und Bad Radkersburg über die Grenze nach Österreich. Dienstagmittag befanden sich knapp 1.000 Menschen an den beiden Grenzübergängen und wurden registriert, in den Transitquartieren in Graz und Umgebung wurden rund 1.100 Menschen vom Roten Kreuz betreut - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

UNHCR: 10.000 Menschen sitzen fest

Angesichts Tausender bei Regen und Kälte an der serbisch-kroatischen und der kroatisch-slowenischen Grenze festsitzender Flüchtlinge wurde am Montag allen die ungehinderte Einreise nach Kroatien bzw. Slowenien wieder erlaubt. Slowenien war aufgrund des zunehmenden Drucks von seiner Position abgerückt, lediglich 2.500 Menschen täglich die Einreise zu erlauben.

Flüchtlinge an der slowenischen Grenze

Reuters/Srdjan Zivulovic

Durchgefrorene und durchnässte Menschen warten auf die Weiterreise

Allein in Mazedonien trafen am Wochenende 15.000 Flüchtlinge ein. In der Nacht auf Montag überquerten 10.000 Flüchtlinge aus Mazedonien die Grenze zu Serbien und machten sich auf den Weg zur kroatischen Grenze. Schätzungen des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) zufolge sitzen auf der Balkan-Route deshalb mehr als 10.000 Menschen fest. Es wird damit gerechnet, dass dadurch in den nächsten Tagen auch die Zahl der in Österreich ankommenden Flüchtlinge steigen wird.

Kroatien öffnete Grenzübergang

Auch Kroatien öffnete am Montagabend seine Grenze für rund 3.000 Flüchtlinge aus Serbien. Am späten Abend begann allerdings die Einreise der Menschen wieder zu stocken. Der Grenzübergang in Berkasovo-Babska bei Sid wurde wieder geschlossen. Dienstagfrüh erlaubte Kroatien den ausharrenden Flüchtlingen in Berkasovo-Babska die Einreise. Die Grenzpolizei öffnete den Grenzübergang. In der ersten Stunde bis 9.00 Uhr konnten rund 150 Menschen die Grenze passieren, berichtete der serbische staatliche TV-Sender RTS.

Flüchtlinge im serbischen Dorf Berkasovo

APA/AFB/Andrej Isakovic

Die humanitäre Lage ist prekär

Weiterhin warteten auf der serbischen Seite der Grenze Flüchtlinge in mehreren hundert Meter langen Schlangen auf die Weiterreise. Die meisten hatten die Nacht unter freiem Himmel verbracht. Das nahe gelegene Camp Principovac mit rund 400 Unterkunftsplätzen war am Montagabend bereits voll. Arbeitsminister Aleksandar Vulin, der mitten in der Nacht Principovac einen Besuch abstattete, sagte, dass sich in der südserbischen Grenzstadt Presevo zu jener Zeit etwa 300 Flüchtlinge befänden, die auf die Weiterreise warteten.

„Vorhof zur Hölle“

Der serbische TV-Sender B-92 beschrieb die Situation als alarmierend. Es gebe kein Wasser, keine Nahrung, keine trockene Kleidung, hieß es. UNHCR-Sprecherin Melita Sunjic hatte die Zustände am Montag als „Vorhof zur Hölle“ bezeichnet. Der serbische Innenminister Nebojsa Stefanovic schloss unterdessen eine Schließung der Grenze zu Mazedonien aus. „Wir glauben, dass das keine Lösung wäre“, zitierten ihn serbische Medien. Auch würde man das Leiden der Flüchtlinge dadurch nur noch vergrößern. Stefanovic appellierte an die EU, einen für alle Mitgliedsstaaten rechtlich bindenden Beschluss zur Aufteilung der Schutzsuchenden zu finden.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Kroatien kritisierte Slowenien, nur einen Teil der täglich im Schnitt 5.100 Flüchtlinge durchzulassen. Premier Zoran Milanovic hatte zuvor betont, dass er mit seinem slowenischen Amtskollegen Cerar regelmäßig kommuniziere und alles mit Slowenien abgesprochen sei. „Ich habe von Anfang an gesagt, dass Kroatien kein Hotspot wird“, so Milanovic laut Nachrichtenagentur HINA. Der kroatische Innenminister Ranko Ostojic bezeichnete Griechenland als „Hauptschuldigen“.

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