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Im Urlaubsparadies gilt Scharia

Das Oberste Gericht der Malediven hat Medienberichten zufolge das Todesurteil gegen eine Frau aufgehoben, die wegen Ehebruchs gesteinigt werden sollte. Das Gericht habe das Urteil am Sonntagabend (Ortszeit) annulliert, da dabei die rechtlichen Bestimmungen nicht beachtet worden seien, berichtete die Nachrichtenseite „Maldives Independent“ am Montag.

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Laut Medienberichten hatte ein Richter auf der abgelegenen Insel Gemanafushi des Archipels im Indischen Ozean die fünffache Mutter zum Tode durch Steinigung verurteilt, nachdem sie das Vergehen gestanden hatte. In dem mehrheitlich muslimischen Staat gelten Teile des islamischen Rechts der Scharia. Die Menschenrechtsorganisation „Voice of Women“ hatte das Urteil gegen die Frau scharf kritisiert. Nach der Aufhebung erklärte die NGO, dass nun die „Mängel im Urteil“ bestätigt seien. Auch in Sozialen Netzwerken äußerten sich viele empört.

Ungewöhnlich scharfes Urteil

Unehelicher Geschlechtsverkehr ist in dem beliebten Urlaubsland verboten und kann mit dem Tod bestraft werden - auch wenn das nicht für Touristen gilt. Das Urteil war ungewöhnlich, da bisher Ehebruch mit Stockschlägen bestraft wurde. Hinrichtungen sind aus dem Inselstaat nicht bekannt. Das nun kassierte Todesurteil kam ausgerechnet zu einer Zeit des erhöhten nationalen aber auch internationalen Drucks auf die Regierung.

Nach Ansicht der NGO „Voice for Women“ geht es bei der Kritik konkret um fragwürdige Gerichtsentscheidungen, vermutete Willkür und das allgemein schwache Vertrauen in die Rechtsprechung. Auch die Vereinten Nationen wurden in dieser Sache bereits aktiv: Der UNO-Menschenrechtsrat forderte die Malediven wiederholt auf, Ehebruch nicht länger mit Stockschlägen zu bestrafen.

Kaum Vertrauen in Justiz

Studien weisen aus, dass das Vertrauen der Einwohner des Staates in die Justiz sehr schwach ausgeprägt ist. Wie Zahlen von Ende August belegen, bevorzugen es 71 Prozent der Bevölkerung, Rechtsstreitigkeiten außergerichtlich beizulegen. Gleichzeitig sehen fast 40 Prozent Korruption im Justizbereich als gravierendes Problem, auch der Bewusstseinsmangel für gerichtliche Hilfestellungen und die Kosten für Rechtsprechungen fallen stark ins Gewicht.

Mitte des Vorjahres hatte die Regierung auf den Malediven internationale Kritik auf sich gezogen. Damals appellierte die Menschenrechts-NGO Human Rights Watch an den Inselstaat, „Menschenrechte zu akzeptieren“. Laut Medienberichten hatte die Staatsführung Todesurteile stets in lebenslange Haftstrafen umgewandelt, seit 60 Jahren war niemand mehr hingerichtet worden. Doch die etwa seit eineinhalb Jahren eingesetzte Regierung hatte diese Möglichkeit in Fällen von vorsätzlichem Mord abgeschafft.

Ideales Umfeld für IS-Rekrutierter

Auf den Malediven hatten zuletzt radikale Islamisten an Einfluss gewonnen. Experten sprechen von einem idealen Umfeld für Rekrutierter von dschihadistischen Kämpfern für den Einsatz in Syrien - das Land weise, im Verhältnis zur Einwohnerzahl - die weltweit höchste Quote an Unterstützern für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf. Offiziell führt die maledivische Regierung noch kein Register über tote Staatsangehörige in Syrien, lokale Medien berichten aber regelmäßig über Kämpfer, die im Kampf für den IS in Syrien ums Leben kommen.

Kritiker werfen der Regierung vor, den IS heimlich zu unterstützen und islamistische Gesinnung zu schüren. Nur sehr langsam begann die Regierung kürzlich damit, die toten Staatsangehörigen auf syrischem Gebiet zu thematisieren. So diskutiert das Parlament aktuell über eine Erfassung von Bürgern, die ins Ausland reisen - wie solche Bestimmungen aussehen sollen, ist jedoch noch völlig unklar.

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