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„Neue Art des Terrors“

Am 3. Oktober hat in Israel mit zwei tödlichen Messerattacken eine bis heute anhaltende Serie von Anschlägen begonnen. Bereits lange zuvor sahen Beobachter Anzeichen einer bevorstehenden dritten Intifada. Dennoch erscheint diesmal vieles anders als bei den großen Palästinenseraufständen der 1980er Jahre und von 2000.

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Die Regierung von Israels Premier Benjamin Netanjahu setzt zwar auch diesmal auf Machtdemonstration und reagierte mit einer Ausweitung der Sicherheitsvorkehrungen auf die Serie von Messerattacken. Eine großangelegte Militäraktion steht bisher nicht im Raum. Netanjahu sprach zuletzt von einer „neuen Art des Terrors“ - konkret werden Einzeltäter und nicht organisierte Gruppen hinter den Angriffen vermutet.

Israels Armee und Inlandsgeheimdienst hätten laut Deutscher Welle zudem hervorgehoben, dass es diesmal auch keine Ermutigung zu Terrorakten vonseiten der Palästinensischen Autonomiebehörde gebe. Die Rede sei von „einer stillen Intifada der Einzeltäter“, so die ARD, der zufolge in der laufenden Debatte aber auch untergeht, dass das von Verteidigungsminister Mosche Jaalon genannte Motiv („Hass auf Juden“) diesmal zu wenig weit greife.

„Kein Einfluss auf junge Generation“

Junge Palästinenser litten zunehmend unter fehlenden Perspektiven, sie wollten „nicht mehr auf die politische Führung oder die Weltgemeinschaft warten“ - und hätten dennoch das Gefühl, „etwas verändern zu können“, so der palästinensische Anthropologe Ala Alasseh laut ARD. Weder die radikalislamische Hamas noch die Palästinensische Autonomiebehörde hätten noch Einfluss auf „die junge Generation, die hinter dieser Terrorwelle und hinter den Unruhen steht“, sagte der ehemalige israelische Luftwaffengeneral Amos Jadlin der heute an der Universität Tel Aviv lehrt, der ARD.

Im Gegensatz zur zweiten Intifada, hinter der noch gut organisierte bewaffnete Gruppen standen, werde die jüngste Gewaltwelle von Sozialen Netzwerken inspiriert, schreibt die „New York Times“ („NYT“). Die Waffen der „führungslosen palästinensischen Jugend“ seien nicht nur kleine Messer, Schraubenzieher und sogar Kartoffelschäler, sondern nicht zuletzt Soziale Netzwerke, Smartphone & Co.

Binnen Minuten wurden zuletzt Fotos und Videos von den Schauplätzen der jüngsten Anschläge auf Facebook, Twitter und sonstigen Internetplattformen massenhaft geteilt. Die in Sozialen Netzwerken verbreiteten Bilder haben laut AFP eine starke Wirkung auf palästinensische Jugendliche. „Jeden Tag ein neuer Märtyrer - das Mindeste, was wir da tun können, ist, aus Solidarität unsere Profilfotos und Hintergrundbilder auf Facebook zu ändern und die Videos zu teilen“, wurde eine demonstrierende Studentin in Ramallah im Westjordanland zitiert.

Soziale Netzwerke als TV-Ersatz

Laut Chaled Abu Akir vom palästinensischen Nachrichtenportal Amin sind die Palästinenser zum ersten Mal nicht mehr auf traditionelle Medien angewiesen. Nachdem der Palästinenserkonflikt angesichts weiterer Krisenherde im Jemen, in Syrien, dem Irak und Libyen zunehmend aus dem Fokus geraten sei, hätten nun junge Aktivisten die Arbeit der TV-Stationen übernommen, berichtete das Nachrichtenportal Al-Monitor unter dem Titel „Die Smartphone-Intifada“.

Soziale Netzwerke dienen nicht zuletzt der politischen Mobilmachung. Al-Monitor verwies etwa auf im Netz veröffentlichte Videos über israelische Gewalt gegen Palästinenser, die nicht nur von Zehntausenden geteilt wurden, sondern auch massive Proteste auf der Straße zur Folge hatten. Nicht ungewöhnlich sei, dass sich auch die politische Führung verstärkt dieser Kommunikationswege bediene - dass sich für Israel auch Möglichkeiten bieten, Protestführer zu überwachen und zu identifizieren, liege al-Monitor zufolge ohnehin auf der Hand.

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