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„48 Stunden dauern eineinhalb Monate“

Der Wiener Flüchtlingskoordinator Peter Hacker übt scharfe Kritik am Vorgehen des Innenministeriums bei der Entlastung der Betreuungsstelle Traiskirchen. Seinen Angaben zufolge hat der dortige Aufnahmestopp zu massenhafter Obdachlosigkeit geführt. „Wir haben obdachlose Asylantragsteller. Und zwar nicht ein paar Dutzend - alleine in Wien sind 3.600 in Notquartieren untergebracht“, so Hacker.

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Kern der Kritik Hackers: Eigentlich müssten Flüchtlinge, die einen Asylantrag stellen, vom Bund versorgt und dann in die Grundversorgung übernommen werden. Das müsse eigentlich binnen zwei Tagen geschehen, so Hacker: „Diese 48 Stunden dauern in der Zwischenzeit aber eineinhalb Monate.“ Denn das Innenministerium komme seinen Aufgaben nicht nach. Stattdessen würden die in Traiskirchen abgewiesenen Asylwerber in jenen „Transitquartieren“ untergebracht, die eigentlich für durch Österreich durchreisende Flüchtlinge gedacht seien.

Kritik an Aufnahmestopp in Traiskirchen

„Die Lage in Traiskirchen hätte nicht auf Kosten der Transitquartiere verbessert werden sollen, sondern auf Kosten von zusätzlichen in Niederösterreich zu schaffenden Quartieren“, verwies Hacker auf die Nicht-Erfüllung der Flüchtlingsquote durch das Land. Denn während Wien für 5.700 Menschen „Transitquartiere“ zur Verfügung stelle, seien es in Niederösterreich nur 700. Und auch Quartiere für die reguläre Grundversorgung der Asylwerber gebe es in Niederösterreich zu wenig.

Hacker zeigt sich daher empört, dass das Innenministerium die Situation in Traiskirchen am Weg zur Normalität sieht: „Es wird höchste Zeit, dass das Innenministerium von seiner Scholle der Selbstzufriedenheit herunterkommt.“ Er fordert den Bund auf, sein „Durchgriffsrecht“ zur Schaffung zusätzlicher Quartiere zu nutzen: „Selbstverständlich muss das Durchgriffsrecht, das mit großer Verfassungsmehrheit beschlossen wurde, zum Tragen kommen. Im Augenblick übernehmen wir die Aufgaben des Bundes.“

Innenministerium weist Kritik zurück

Das Innenministerium weist die Kritik zurück, räumt aber ein, dass die Situation schwierig sei. Man müsse die Situation gesamtheitlich sehen, so Sprecher Karl-Heinz Grundböck gegenüber dem Ö1-„Mittagsjournal“. Das reguläre System und die Strukturen für den Transit nach Deutschland würden derzeit ineinandergreifen. So sei eine Halle bei Graz von einem Transitquartier in ein temporäres Grundversorgungsquartier umgewandelt worden.

Der Bund betreue derzeit 7.000 Asylwerber und sei am Ende der Kapazitäten. Davon seien 3.000 zum Asyl zugelassen und damit in der Verantwortung der Länder. Aber dort fehlten Quartiere. Oberösterreich und Tirol seien am meisten im Hintertreffen, so Grundböck, und nicht Niederösterreich, wie Hacker meint. Dessen Kritik, der Bund nutze das Durchgriffsrecht zur Schaffung von Quartieren nicht, weist das Ministerium ebenfalls zurück. Viermal habe man schon durchgegriffen, weitere Projekte seien in Erhebung.

Knapp 1.800 Flüchtlinge in Traiskirchen

Nach dem Aufnahmestopp ist die Zahl der Flüchtlinge in Traiskirchen deutlich gesunken. Am Freitag waren dort 1.796 Menschen untergebracht, niemand sei mehr „dauerhaft“ in Zelten, teilte das Innenministerium mit - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

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