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Whistleblower will anonym bleiben

Mit einem tiefen Einblick in den geheimen Drohnenkrieg der USA sorgt das Enthüllungsportal The Intercept derzeit weltweit für Schlagzeilen. In Medien werden schon Vergleiche mit dem vor zwei Jahren von Edward Snowden aufgedeckten NSA-Skandal gezogen. Noch ist offen, wer hinter den „Drone Papers“ steckt - der „neue Snowden“ steht aber offenbar schon länger im Visier der US-Geheimdienste.

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Immer wieder war nach dem Fall Snowden von weiteren möglichen Whistleblowern die Rede. Im Vorjahr berichtete etwa das Nachrichtenportal Yahoo, es gebe einen Whistleblower, der bereits im Visier des FBI stehe. Den Angaben zufolge soll es sich um einen Angestellten einer für US-Bundesbehörden tätigen Vertragsfirma handeln, der sensible Dokumente über die Terrorliste der US-Regierung an einen Snowden nahestehenden Journalisten weitergegeben haben soll.

„Quelle innerhalb der Geheimdienste“

Ob es sich bei dem Journalisten um den ehemaligen „Guardian“-Reporter und Intercept-Mitgründer Glenn Greenwald, eine Schlüsselfigur bei der Aufdeckung des NSA-Skandals, handelt, ist offen. Laut diversen Medienberichten könnten der im Vorjahr erwähnte Whistleblower und der aktuelle Aufdecker des Drohnenkrieges identisch sein. The Intercept selbst zeigte sich verschwiegen. Der an den „Drone Papers“ mitwirkende Jeremy Scahill sprach laut „Foreign Policy“ („FP“) lediglich von einer „innerhalb der Geheimdienste“ befindlichen Quelle.

Eine Drohne

Screenshot theintercept.com

Die Geheimdokumente gewähren laut The Intercept einen detaillierten Blick hinter die Kulissen des US-Drohnenkrieges

Der „Drone Papers“-Informant bat laut The Intercept um Anonymität, da die Dokumente vertraulich sind und die USA mit äußerster Härte gegen Enthüller geheimer Informationen vorgehen. Den Angaben zufolge begründete er seinen Entschluss, die von ihm gesammelten Geheimdienstdokumente der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, so: „Diese ungeheuerliche Beobachtungsexplosion - Menschen zu überwachen, sie auf Listen zu sortieren und zu stapeln, ihnen Nummern zuzuweisen, ihnen ‚Baseball-Karten‘ zuzuweisen, ihnen auf einem weltweiten Schlachtfeld Todesurteile ohne Ankündigung zuzuweisen - es war von Anfang an falsch.“

„Jackpots“ und EKIA

„FP“ zufolge sei in den „Drone Papers“ zwar viel bereits Bekanntes zu finden - The Intercept verfüge aber offensichtlich auch über etliche brisante Geheimdokumente zu tödlichen US-Drohnenoperationen in Afghanistan, Somalia und dem Jemen zwischen 2011 und 2013. Detailreich wie nie zuvor gebe The Intercept demnach Einblick in den seit 9/11 aufgebauten US-Anti-Terror-Apparat.

Die USA setzen Drohnen seit Jahren für Angriffe im Anti-Terror-Kampf ein, aber auch zur Überwachung. Bekannt wurden Drohnenattacken in Afghanistan, Pakistan, Somalia, dem Jemen, Syrien und dem Irak. Zu konkreten Zahlen halten sich die Amerikaner bedeckt. US-Präsident Barack Obama sprach - abgesehen von wenigen eingestanden „tödlichen Fehlern“ - immer wieder von „präzisen“ Schlägen gegen den Terrorismus. Die Opferzahlen dürften aber weit höher liegen als bisher bekannt. Ersichtlich wird das laut „FP“ etwa am am Beispiel der Anfang 2013 in Afghanistan durchgeführten „Operation Haymaker“.

In rund fünf Monaten gab es demnach 35 „Jackpots“ - ein Terminus, der laut „FP“ für die Tötung von konkreten Zielpersonen verwendet wird. Rund 200 Drohnenopfer seien aber als im Kampf getöteter Feind (Enemy killed in action, EKIA) deklariert worden, was eine unbeabsichtigten Tötung von „im kampffähigen Alter befindlichen Männern“ bedeute. Ob darunter auch Minderjährige bzw. Zivilisten waren, sei anderen Medienberichten zufolge zumindest nicht auszuschließen. „Newsweek“ sprach etwa von „Widersprüchen“ zwischen den bisher angegebenen und den tatsächlichen Zahlen.

„Kein Kommentar“

Offizielle Stellen zeigten sich laut dem Washingtoner Nachrichtenportal Politico bisher bedeckt. Vom Pentagon, dem Weißen Haus und dem Kommando für US-Spezialoperationen hieß es unisono: „Kein Kommentar“.

Screenshot von Edward Snowdens Twittermeldung

Screenshot twitter.com

Bereits zu Wort meldete sich unterdessen der im russischen Exil lebende NSA-Enthüller Snowden. Via Twitter bezeichnete er die jetzt veröffentlichten Enthüllungen als „die wichtigste die nationale Sicherheit betreffende Geschichte des Jahres“. Snowden sprach von „einem erstaunlichen Akt von Zivilcourage“, mit dem eine „entsetzliche Lüge zerschmettert“ werde.

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