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„Unzulässige Abschalteinrichtung“

Der Skandal um manipulierte Abgaswerte zwingt den VW-Konzern zum größten Rückruf in der Firmengeschichte. In den 28 Ländern der Europäischen Union holt Volkswagen rund 8,5 Millionen Dieselfahrzeuge in die Werkstätten, wie der Konzern am Donnerstag in Wolfsburg mitteilte.

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Rund 2,4 Millionen davon entfallen auf die VW-Heimat Deutschland, 363.000 Fahrzeuge müssen in Österreich in die Werkstätten, wie das österreichische Verkehrsministerium (BMVIT) anordnete. Bisher war von weltweit insgesamt rund elf Millionen betroffenen Dieselfahrzeugen die Rede gewesen, in denen die fragliche Software steckt. Unklar blieb dabei aber anfangs, ob das Manipulierungsprogramm auf allen Märkten arbeitet und ob Vorschriften dabei verletzt werden.

EU-weit einheitliches Vorgehen?

Ungewiss war zudem, ob überall ein Rückruf die Folge sein muss. Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), das zunächst den Massenrückruf in Deutschland veranlasste und laut BMVIT für einen europaweiten Rückruf zuständig ist, wertet die VW-Software als „unzulässige Abschalteinrichtung“. Das sehen die Behörden in den USA, wo der Skandal begonnen hatte, ähnlich.

VW-Vorstandschef Matthias Müller schrieb am Donnerstag in einem Brief an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), dass die KBA-Entscheidung nun „eine Möglichkeit eröffnet, für die Europäische Union ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen in allen Mitgliedsstaaten zu erreichen“. Müller sicherte den betroffenen Kunden darin Transparenz zu. VW werde „hart daran arbeiten, das Vertrauen wiederherzustellen“.

Lückenloser Rückruf ab Jänner 2016

Die Rückrufaktion wird in Österreich analog zu Deutschland Anfang 2016 starten, so das BMVIT. „Unsere rechtliche Prüfung hat ergeben, dass die Anordnung des KBA auch für jene Autos gilt, die in Österreich unterwegs sind.“ Das heißt konkret: Auch in Österreich müssen Inhaber der betroffenen Autos in die Werkstätte fahren. Für die Autofahrer soll kein Nachteil entstehen.

VW, Audi, Skoda, Seat

In Österreich wurden 363.400 Modelle aus der Volkswagen-Konzernmarkenpalette manipuliert - konkret geht es dabei um 180.500 VW-Pkw, 24.400 VW-Nutzfahrzeuge, 72.500 Audi, 54.300 Skoda und 31.700 Seat.

Die Rückrufaktion müsse zu 100 Prozent erfüllt werden, hieß es. Das BMVIT prüft derzeit das rechtliche Vorgehen, um die Überprüfung der Aktion sicherzustellen. „Es ist an Porsche Österreich (als Importeur, Anm.), die Autofahrerinnen und Autofahrer zu informieren“, so Ministeriumssprecherin Andrea Heigl am Donnerstag zur APA. Auf Minister-, Beamten- und Unternehmensebene werde derzeit das weitere Vorgehen abgeklärt.

Skandal schon länger bekannt?

Die „Salzburger Nachrichten“ („SN“, Donnerstag-Ausgabe) berichteten, dass die Diskrepanz zwischen den Herstellerangaben und der Realität den österreichischen Behörden seit Langem bekannt war. Weil die Stickoxidwerte in Österreich stiegen und ein EU-Mahnverfahren drohte, schrieb die Republik nach Brüssel, dass die hohen Werte dem Land nicht angelastet werden dürften. Begründung: „Messungen zeigen, dass die realen Emissionswerte die Emissionen im gesetzlich vorgeschriebenen Prüfzyklus um den Faktor drei (Euro IV) bis fünf (Euro V) übersteigen.“

Zunächst in Deutschland angeordnet

Das KBA hatte am Donnerstagvormittag den Rückruf angeordnet, nachdem die deutsche Zulassungsbehörde die von VW vorgeschlagene freiwillige Reparatur bzw. einen umfassenden Plan abgelehnt hatte. Die Software in den betroffenen Fahrzeugen sei illegal. Darum muss der VW-Konzern dem KBA bis Ende Oktober eine erste nachgebesserte Software für die betroffenen Dieselautos vorstellen.

„Wir wollen, dass alle Fahrzeuge von der unzulässigen Abschaltvorrichtung befreit und in einen vorschriftsmäßigen Zustand versetzt werden - in jeder Hinsicht“, sagte KBA-Sprecher Stephan Immen. Bis spätestens Ende dieses Monats soll der Autohersteller die geplanten neuen Programme für die 2,0-Liter-TDI-Modelle vorstellen. Bis Ende November müssen dann Lösungen für die Dieselfahrzeuge mit 1,6 und 1,2 Liter Hubraum folgen.

In den meisten Fällen reicht wohl Software-Update

Dem deutschen Verkehrsminister Dobrindt zufolge dürften bei den 1,2- und den 2,0-Liter-Motoren Software-Updates ausreichend sein. Nur bei den 1,6-Liter-Motoren stehen zudem technische Nachrüstungen im Raum, da die Feinabstimmung über die Motorensteuerungssoftware offenbar nicht ausreicht.

Nach Angaben Dobrindts muss VW die fragliche Software zunächst aus den Steuerungscomputern aller fraglichen Modelle entfernen. Aus Gründen der Funktionsfähigkeit wären keine Änderungen nötig. Die Frage ist allerdings, ob die Motoren auch im Routinebetrieb die von ihnen eigentlich versprochenen Stickoxidwerte einhalten. Tun sie das nicht, sind ergänzende Nachbesserungen nötig.

Nachbesserungen werden dauern

Generell betroffen sind vor allem Autos der Kernmarke mit dem VW-Logo, aber auch die VW-Schwestern Audi, Seat, Skoda und einige leichte VW-Nutzfahrzeuge zählen zum Kreis der Marken im Rückruf. Das KBA rechnet damit, dass sich die Nachbesserungen selbst weit in das Jahr 2016 ziehen werden.

Für die 1,6-Liter-Aggregate stehe die abschließende Lösung vermutlich erst im September 2016 zur Verfügung, sagte Immen. „Von daher kann es sich etwas hinziehen. Bei einem Rückruf in dieser Größenordnung - 2,4 Millionen Fahrzeuge - ist es auch eine logistische Herausforderung.“ Es habe deshalb wenig Sinn, mehr als zwei Millionen Anschreiben sofort an die Halter zu verschicken und alle Wagen in die Werkstätten zu bestellen.

VW: Rückruf umfassender als behördlich verordnet

Nach eigenen Angaben ruft VW mehr Fahrzeuge zurück als von den deutschen Behörden verlangt. „Freiwillig werden sämtliche Motoren vom Typ EA-189 zurückgerufen“, sagte ein VW-Sprecher. Dazu gehörten auch Motoren der Emissionsklassen EU 3 und EU 4. Das KBA habe lediglich den Rückruf von Autos mit Motoren verlangt, die der EU-5-Norm entsprechen. An der Zahl der weltweit elf Millionen vom Abgasskandal betroffenen Autos ändere sich nichts, betonte der Sprecher.

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