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Die großen Verlierer in der Nachkrisenzeit

Österreich ist traditionell ein Land der frühen Pensionierungen. Noch immer liegt der Altersschnitt beim Eintritt in die Pension bei etwa 60 Jahren. Angehoben wird er nach und nach durch verschärfte Eintrittsregelungen und die praktische Abschaffung der Frühpension. Das Ziel ist, Arbeitnehmer länger im Job zu halten. Das Problem daran allerdings: Nicht für alle gibt es im Alter noch einen Job.

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In der AMS-Statistik gehören Arbeitslose „50+“ zu den großen Verlierern in der Zeit nach der Krise, die Arbeitslosenquote bei Älteren stieg seit Ende 2009 überproportional an. Unmittelbar nach Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise waren es noch Jüngere, die besonders stark betroffen waren. Über 15 Jahre hinweg betrachtet, hat sich die Zahl der über 50-jährigen Arbeitslosen nahezu verdoppelt.

Mehr Arbeitslose, mehr Beschäftigte

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) hatte zuletzt eine trübe Prognose für den Arbeitsmarkt erstellt und vorausgesagt, dass es vor 2018 keine Erholung geben wird. Ein Grund dafür ist, dass das Arbeitskräfteangebot stark steigt. Das liegt an verschiedenen Faktoren: Mehr Frauen kommen auf den Arbeitsmarkt, es gibt mehr ausländische Arbeitskräfte, aber eben auch mehr Personen über 50. Und während die Zahl der Arbeitslosen in letzterer Gruppe steigt, nimmt gleichzeitig auch die Beschäftigung in dieser Altersgruppe zu.

Grafik zu den älteren Arbeitslosen zwischen 2008 und 2014

Grafik: ORF.at; Quelle: AMS

Hedwig Lutz vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) erklärt im Interview mit ORF.at, dass sich das Erwerbspotenzial in Richtung „50+“ (Babyboomer sind jetzt in diesem Alter) verlagert. Junge Erwerbstätige werden weniger, zumindest wenn man nur die inländische Bevölkerung betrachtet - da schrumpft die Zahl, so Lutz.

Ältere sind länger arbeitslos

Und während ältere Arbeitnehmer zwar nicht so schnell gekündigt werden wie jüngere, kommen sie, wenn sie dennoch einmal rausfallen aus dem Erwerbsleben, viel schwerer wieder hinein. Die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit steigt mit dem Alter dramatisch an, wie AMS-Zahlen zeigen. Maßnahmen, die getroffen worden sind, wie niedrigere Lohnkosten für ältere Arbeitnehmer und gesundheitliche Präventivmaßnahmen, greifen nur langsam. Für Lutz hängt das mit der „schwachen konjunkturellen Lage“ zusammen. Sie führe zu größerer Konkurrenz unter den Arbeitskräftegruppen.

Übergang hätte auch weniger auffallen können

Die Arbeitslosenquote sei vor dem Pensionsantrittsalter jedenfalls „wesentlich höher“ – bei Frauen gebe es einen Ausschlag bei etwa 58 Jahren, bei Männern im Alter von 63 bis 64. Der „Paradigmenwechsel“, die Verabschiedung von der Frühpensionierungsmentalität, komme gerade in einer Phase, in der die Wirtschaft sehr schwach ist. Wäre das in einer anderen Phase mit stärkerem Wachstum passiert, dann wäre das nicht so „aufgefallen“, so Lutz.

Nicht auf die Konjunktursituation schieben will der Arbeits- und Sozialrechtler Wolfgang Mazal dieses Problem, für ihn ist es mehr eine Grundsatzfrage. Pro Jahr fielen trotz Krise 300 Mio. Überstunden an – das seien umgerechnet „locker“ 200.000 bis 250.000 Jobs. „Da ist was schiefgelaufen“, findet Mazal im Gespräch mit ORF.at. Nämlich die vorherrschende Mentalität des Head-Count: Solange es heiße, „die Zahl der Köpfe muss runter“, werde das Problem bleiben.

Zu teuer für erbrachte Leistung

Mazal sieht viele ältere Arbeitnehmer in einem „Teufelskreis“: Die physische Leistungsfähigkeit von älteren Arbeitnehmern nimmt tendenziell ab, während die Anforderungen (auch physisch) steigen. Für den Arbeitgeber passen irgendwann Leistung und Gegenleistung nicht mehr zusammen, der Arbeitnehmer wird ihm zu teuer. Viele Firmen wollten ihre Angestellten nicht „erkennbar“ in die Arbeitslosigkeit treiben. Sie kündigen Arbeitnehmer lieber „pensionsnah“, bieten „Golden Handshakes“ an oder drängen sie in einvernehmliche Kündigungen, von denen viele aber alles andere als einvernehmlich sind.

Steile Gehaltskurve als Herausforderung

Nicht ganz so schlimm sei die Situation in Betrieben im staatsnahen Bereich, Banken oder alten Unternehmen, wo für die Mitarbeiter noch mehr Verantwortung gespürt wird. Es gibt aber auch Personalisten, die nicht mehr einen „größeren Genierer“ verspüren, ältere Personen, die schon lange im Unternehmen sind, zu kündigen. Dann werde eben auch schon früher gekündigt, so Mazal. Entschärfen würde diese Situation nach Ansicht Mazals, wenn der „Druck aus der Gehaltskurve“ herausgenommen wird, sprich die Abgeltungen im Alter nicht so stark ansteigen würde. Dann wäre die Anhebung des Pensionsantrittsalters sogar eine Möglichkeit zur Arbeitslosenbekämpfung, findet der Experte.

Bei Frauen äußere sich das Phänomen schon ein paar Jahre früher, weil, formuliert Mazal spitz: „Frauen genießen das zweifelhafte Privileg, fünf Jahre früher in die Pension gedrängt werden zu dürfen.“ Unternehmen investieren deshalb auch nicht so lange in sie. Eine Frau Anfang 50 werde in keine Führungskräfteschulung mehr geschickt – „rechnet sich ja nicht“.

Petra Fleck, ORF.at

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