Experten aus mehreren Ländern
Das malaysische Passagierflugzeug mit der Flugnummer MH17 ist im vergangenen Jahr über der Ostukraine von einer russischen Luftabwehrrakete vom Typ Buk abgeschossen worden. Dieses Ergebnis seiner Untersuchungen teilte der niederländische Sicherheitsrat am Dienstag mit.
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„Flug MH17 stürzte ab, weil auf der linken Seite des Cockpits ein Raketenkopf explodierte“, schilderte der Vorsitzende des Rates, Tjibbe Joustra. Die malaysischen Maschine war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur. Die Ermittler kritisierten, dass die Ukraine den Luftraum über der umkämpften Ostukraine damals nicht sperren ließ. Von welchem Gebiet aus die Rakete abgefeuert wurde, teilte das Gremium bei der Präsentation des Berichts allerdings nicht mit.

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Das Flugzeug wurde aus den Wrackteilen - so weit vorhanden - für die Untersuchung wieder zusammengesetzt
Joustra: Abschuss von Rebellengebiet aus
Die Maschine wurde vom Gebiet der prorussischen Rebellen aus abgeschossen, sagte Joustra hingegen am Dienstag dem niederländischen Fernsehen. Bei der Vorstellung des Abschlussberichtes hatte Joustra zuvor noch erklärt, dass nicht genau festzustellen sei, wo die Rakete abgefeuert worden war. Später sagte er jedoch dem Fernsehen: „Es ist ein Gebiet, wo die Grenzen fließend waren. Aber es ist ein Gebiet, wo die prorussischen Rebellen die Kontrolle hatten.“ Das bestätigte eine Sprecherin des niederländischen Sicherheitsrates, der den Bericht verfasst hat. Dessen Vorsitzender ist Joustra.
Bei der Katastrophe am 17. Juli 2014 waren alle 298 Menschen an Bord getötet worden. Die Boeing 777 war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur gewesen. Bei den meisten Opfern handelte es sich um Niederländer. Die Ukraine und Russland machen einander für den Absturz verantwortlich, denn im Absturzgebiet kämpften zum Zeitpunkt des Unglücks prorussische Rebellen und ukrainische Regierungstruppen gegeneinander. An der Untersuchung unter Leitung der Niederlande waren Experten aus sieben Ländern beteiligt. Russland hatte bereits im Vorfeld die Untersuchung als voreingenommen kritisiert.

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Das Gremium erklärte den Abschuss und was daraufhin mit der Maschine passierte genau
Insassen wurden „binnen Sekunden“ bewusstlos
Die Insassen erlebten laut Berichten niederländischer Medien den Absturz ihrer Maschine kaum bewusst. Das teilten Angehörige der Opfer am Dienstag niederländischen Reportern in Den Haag mit. Sie waren zuvor über die Ergebnisse der Untersuchung zur Ursache der Katastrophe informiert worden. Demnach sollen alle Menschen an Bord des malaysischen Flugzeugs innerhalb weniger Sekunden das Bewusstsein verloren haben.

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Reporter bei der Präsentation des Berichts
„Durch den enormen Luftdruck brach das Cockpit auseinander“, sagte ein Mann dem niederländischen Fernsehen. „Die Passagiere hatten kaum eine Chance, das zu erleben.“ Innerhalb „weniger Sekunden“ hätten sie das Bewusstsein verloren, sagte ein weiterer Mann dem Fernsehen.
Schon in einem Zwischenbericht der Kommission hieß es, die Boeing 777 sei mutmaßlich von einer Buk-Rakete getroffen worden. Der Hersteller gab allerdings an, Raketen des Typs würden seit 1999 nicht mehr hergestellt, die ukrainischen Streitkräfte hätten aber noch Boden-Luft-Raketen des Typs in ihren Beständen.
Klärung der Schuldfrage lässt auf sich warten
Die Schuldfrage soll laut dem Gremium ein internationales strafrechtliches Ermittlerteam klären, das ebenfalls unter niederländischer Leitung steht. Bisher weisen die Ermittlungen in Richtung der Separatisten. Die Ergebnisse dieser Ermittler sollen im kommenden Jahr vorliegen.

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Wrackteile werden vom Absturzort weggebracht
Bei der Suche nach Schuldigen vereinbarten auch die Ukraine und die Niederlande eine enge Zusammenarbeit. Das teilte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko am Dienstag in Kiew nach einem Telefonat mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte mit. Vertreter beider Länder wollten zunächst mit Kollegen aus Australien, Malaysia und Belgien die strafrechtlichen Ermittlungen zum Abschuss der Passagiermaschine über der Ostukraine abschließen, teilte das ukrainische Präsidialamt mit. Anschließend solle ein „optimaler Mechanismus“ gefunden werden, um die Schuldigen der Katastrophe von Juli 2014 zu bestrafen.

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Ein Konvoi bringt die Wrackteile zur Untersuchung
USA sehen Meilenstein
Die USA werten den Bericht zum Absturz des Fluges MH17 als wichtigen Meilenstein auf dem Weg, die Verantwortlichen für den Abschuss zur Rechenschaft zu ziehen. Die unabhängige Untersuchung werde als Basis weiterer Ermittlungen dienen, um die Verantwortlichen für die 298 Toten zu finden, erklärte der Sprecher des nationalen Sicherheitsrats, Ned Price, am Dienstag in Washington. Er fügte hinzu: "Unsere Einschätzung ist unverändert: MH17 wurde von einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen, die von Separatisten-kontrolliertem Gebiet in der Ostukraine abgefeuert wurde."
Russischer Konzern zeigt mit Finger auf Ukraine
MH17 wurde nach Einschätzung des russischen Rüstungskonzerns Almas-Antej im Juli 2014 von ukrainisch kontrolliertem Gebiet aus abgeschossen. Ein Test habe frühere Erkenntnisse des Unternehmens bestätigt, sagte Firmenchef Jan Nowikow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge in Moskau.
Nowikow äußerte sich, bevor die niederländische Kommission ihr Ermittlungsergebnis bekanntgab. „Falls die Boeing mit einem Buk-M1-Raketensystem abgeschossen wurde, wurde sie von einer Rakete vom Typ 9M38 von Saroschtschenske aus getroffen“, sagte der Leiter des Unternehmens, das die Buk-Systeme herstellt. Der ostukrainische Ort Saroschtschenske wurde zum Zeitpunkt der Tragödie von ukrainischen Regierungstruppen kontrolliert.
Hinter Version Moskaus gestellt
Almas-Antej habe am 7. Oktober ballistische Tests an einer Iljuschin Il-86 vorgenommen, weil der Flugzeugtyp der abgestürzten Boeing 777 gleiche, sagte Nowikow. Mehrere Ergebnisse daraus stünden im Gegensatz zu Aussagen der niederländischen Untersuchungskommission, meinte er. Das betreffe unter anderem den Raketentyp 9M38, den die russische Armee bereits länger nicht mehr in ihrem Bestand führe. Generalkonstrukteur Michail Malyschewski sagte, die Boeing 777 sei damals auf der linken Seite getroffen worden. Das schließe einen Beschuss von Snischne aus. Der Ort wurde damals von moskautreuen Separatisten kontrolliert.
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