Gewinner und Verlierer verschwimmen
Die Wien-Wahl am Sonntag hat die Grenzen zwischen Gewinnern und Verlierern verschwimmen lassen: Die SPÖ verlor zwar stark, verteidigte aber mit Bürgermeister Michael Häupl deutlicher als erwartet Platz eins. Die FPÖ wiederum verbuchte einen großen Stimmenzuwachs, hatte im „Duell um Wien“ jedoch klar das Nachsehen. Die Grünen mussten einen Rückschlag hinnehmen, haben aber eine reale Chance auf die Fortsetzung von Rot-Grün. NEOS durfte über den Einzug in den Gemeinderat jubeln. Für die geschlagene ÖVP gibt es immerhin eine kleine Hoffnung auf Rot-Schwarz.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Mit 39,5 Prozent konnten die Sozialdemokraten die Verluste einigermaßen in Grenzen halten und die FPÖ klar auf Platz zwei verweisen. Die Freiheitlichen mit Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache kamen auf 31 Prozent. Damit hielt die SPÖ die FPÖ deutlich auf Distanz - selbst die Wahlumfrage nach Schließen der Wahllokale hatte noch auf ein viel engeres Ergebnis hingedeutet.
Die Grünen erreichten 11,6 Prozent und verloren damit leicht. Die ÖVP kam nur noch auf 9,2 Prozent. NEOS schaffte mit 6,2 Prozent ein Erfolgserlebnis. Das Bündnis Wien Anders (ANDAS) erreichte 1,2 Prozent, die multikulturelle Liste Gemeinsam für Wien (GFW) 1,0 Prozent. Beide Fraktionen schafften damit erwartungsgemäß nicht den Einzug in den Gemeinderat. Die Wahlbeteiligung stieg leicht auf knapp 75 Prozent.

ORF/SORA
Rot-Grün und Rot-Schwarz möglich
Das vorläufige amtliche Endergebnis liegt zwar vor, darin nicht eingerechnet sind aber rund 160.000 Wahlkarten, die erst am Montag ausgezählt werden. Aussagekräftiger ist daher die Hochrechnung, die alle ausgezählten Stimmen und eine Prognose der Wahlkarten enthält.
Die Ergebnisse der ausgezählten Sprengel mit Gewinnern und Zweitplatzierten - ohne Wahlkarten
In Mandaten bedeutet das 44 (minus fünf) für die SPÖ, 34 (plus sieben) für die FPÖ, sieben (minus sechs) für die ÖVP, zehn (minus eins) für die Grünen und fünf für NEOS. Mit der erwarteten Verteilung ist eine Fortsetzung von Rot-Grün möglich. Der Hochrechnung zufolge ist neben der rot-grünen aber auch eine rot-schwarze Koalition möglich.
Die Ergebnisse von 2010 und 2015 im Vergleich
Herbe SPÖ-Verluste in „Flächenbezirken“
Selbst wenn die SPÖ doch deutlich als stärkste Kraft aus der Wahl hervorging, musste sie doch in einigen Bezirken herbe Verluste hinnehmen. In Simmering überholten die Freiheitlichen laut Prognose, die die Wahlkarten einberechnet, die SPÖ deutlich, ebenso in Floridsdorf. In Favoriten und in Donaustadt konnten die Sozialdemokraten ihren ersten Platz hauchdünn retten. Kleines Trostpflaster: Der 1. Bezirk wanderte - nach dem Wechsel von ÖVP-Langzeitbezirksvorsteherin Ursula Stenzel zur FPÖ - von der Volkspartei an die SPÖ - mehr dazu in wien.ORF.at.

SORA/ORF
Machtwechsel in Bezirken
Diese drei Umfärbungen zeichnen sich auf Bezirksvertretungsebene ab: In Floridsdorf und in Simmering dürfte es in Zukunft einen FPÖ-Bezirksvorsteher geben. In der Inneren Stadt liegt die SPÖ derzeit knapp vor der ÖVP. Während in Simmering das Ergebnis recht klar scheint, könnte sich mit den Wahlkarten in den anderen beiden Bezirken der Wahlausgang noch ändern. Zwei weitere Bezirke könnten eine neue Farbe bekommen: In Favoriten zeichnet sich ein knappes Rennen zwischen SPÖ und FPÖ ab, in Währing greifen die Grünen die ÖVP an.
Häupl mit „Respekt und Demut“
SPÖ-Chef Bürgermeister Michael Häupl meinte in einer ersten Reaktion, er freue sich nicht über ein Minus, habe aber „Respekt und Demut vor dem Ergebnis“. Er könne unter diesen Bedingungen gut damit leben. Die Flüchtlingsfrage sei nicht sein Wunschthema gewesen. Häupl will mit allen Parteien im Gemeinderat reden. „Dann werden wir weitersehen.“ Auch mit den Freiheitlichen will der SPÖ-Chef sprechen - „aber nicht über eine Regierungsbeteiligung“. Das Wahlergebnis sei "kein Auftrag, so weiterzumachen wie bisher“. Die SPÖ müsse verändert werden - mehr dazu in wien.ORF.at.
Diskussion der Spitzenkandidaten
Die Statements der Spitzenkandidaten zum Wahlergebnis.
Strache zufrieden
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zeigte sich trotz des laut erster Hochrechnung doch deutlichen Abstands zur SPÖ recht zufrieden. Man habe den ersten Platz nicht erreicht, aber das historisch beste Resultat eingefahren. „Das kann man nicht kleinreden“, so Strache. Er sei keineswegs enttäuscht, er habe eine „ehrliche Freude“.
Er rechnete außerdem mit der Sperrminorität im Landtag. Es wäre schön gewesen, wenn es zu einem rot-blauen Kopf-an-Kopf-Rennen gekommen wäre, so Strache. Angesichts der ersten Hochrechnung prophezeite er allerdings eine „rot-grüne Leidensverlängerung“ - mehr dazu in wien.ORF.at.
Vassilakou will Koalition fortsetzen
„Der Abend ist noch jung. Ein Mandat kann noch zu den Grünen wandern“, sagte die grüne Spitzenkandidatin Maria Vassilakou. Sie hatte im Vorfeld angekündigt, bei Verlusten zurückzutreten. Ob sie das jetzt wirklich tut, wollte sie zunächst nicht sagen. „Rot-Grün hat eine stabile Mehrheit“, sagte Vassilakou. Viele Grün-Wähler seien dem „Scheinduell“ auf den Leim gegangen: Die SPÖ habe von den Grünen Stimmen „geliehen“ bekommen.
Vassilakou steht für eine Fortsetzung von Rot-Grün bereit. Das sei die einzige stabile Variante, weil Häupl Rot-Blau ausschließe, sagte Vassilakou. Rot-Schwarz wäre mit 51 Mandaten und damit nur einem Mandat Überhang eine Wackelkoalition - mehr dazu in wien.ORF.at.
Jurackza zieht sich zurück
Das Ergebnis sei schmerzlich, sagte ÖVP-Spitzenkandidat Manfred Juraczka, der noch am Abend seinen Rückzug verkündete: Er wolle einen geordneten Übergang und werde beim Parteitag im Februar 2016 nicht mehr antreten. Das Duell sei „hochgeschrieben“ und durch Umfragen „befeuert“ worden. Das hätten SPÖ und FPÖ genutzt, um „Wählerstimmen zu maximieren“. Für Zukunftsthemen sei daher kein Platz geblieben - mehr dazu in wien.ORF.at.
NEOS happy
NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich überglücklich. „Wir sind die Gewinner des Abends, weil wir am meisten dazugewonnen haben. Keine leichte Ausgangssituation, kein leichtes Themensetting.“ Mit fünf von 100 Mandaten im Gemeinderat will sie Oppositionspolitik betreiben. „Ich habe im Parlament bewiesen, dass ich das sehr gut kann“ - mehr dazu in wien.ORF.at.
Links: