Überraschende Shortlist
Das Schicksal von in Berlin gestrandeten Flüchtlingen, eine Liebesbiografie und die wirren Sehnsüchte eines Teenagers: Für das Finale beim Deutschen Buchpreis sind sehr unterschiedliche Romane nominiert. Autoren aus Österreich gehen leer aus.
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Mit Jenny Erpenbeck, aber ohne Clemens J. Setz: Die Mitte September veröffentlichte Shortlist für den Deutschen Buchpreis hatte einige Überraschungen parat. Erpenbecks hochaktueller neuer Roman („Gehen, ging, gegangen“), in dem sie einen Berliner Professor auf sechs afrikanische Flüchtlinge treffen lässt, war im Finale erwartet worden. Am 12. Oktober wird zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse unter den sechs Finalisten der beste deutschsprachige Roman des Jahres gekürt.
Setz („Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“), der noch auf der 20 Titel umfassenden Longlist stand, wurde von der Jury aussortiert. Dabei hat es der Wortakrobat aus Graz, oft als literarisches Wunderkind apostrophiert, in den Vorjahren schon zweimal auf die Shortlist geschafft. Ulrich Peltzer "(„Das bessere Leben“), ebenfalls hoch gehandelt, hat das Finale dagegen erreicht. In seinem philosophisch angelegten Roman beschreibt der Berliner Autor am Beispiel von drei Managern den Alltag von global agierenden Handlungsreisenden.
Zweimal Schweiz
Auch Rolf Lappert („Über den Winter“) schaffte es - zum zweiten Mal nach 2008 - auf die Shortlist. Der Schweizer hat am Beispiel eines in New York lebenden Künstlers, der in eine Krise gerät, einen Familienroman geschrieben. Ebenfalls aus der Schweiz kommt Monique Schwitter. Die jetzt in Hamburg lebende Autorin und Schauspielerin hat einen Roman („Eins im Andern“) vorgelegt, in dem die Protagonistin ihre persönliche Liebesbiografie am Beispiel von zwölf Männern nacherzählt.
Auch wenn Schwitter für ihre Geschichte teils hymnische Besprechungen erhielt, dürfte sie im Finale nur Außenseiterin sein. Noch mehr gilt das für Inger-Marie Mahlkes Roman „Wie Ihr wollt“, der von der Geschichte einer kleinwüchsigen Adligen in der englischen Tudor-Zeit Ende des 16. Jahrhunderts handelt.
Superlative für RAF-Roman
Historische Romane haben es beim Deutschen Buchpreis schwer - und schon gar, wenn sie in England spielen. Viel näher an der deutschen Wirklichkeit ist Frank Witzels 800-Seiten-Roman „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“. Das ist nicht nur der witzigste Titel auf der Shortlist. Rezensenten haben sich beim Lesen des Romans des Offenbacher Autors, der die Identifikation eines psychisch labilen Heranwachsenden mit der RAF beschreibt, auch mit Superlativen fast überschlagen.
Fest steht, dass dieses Mal anders wie in früheren Jahren kein Roman gewinnen wird, der in der DDR oder zu Zeiten der Wende spielt. 2014 hatte Lutz Seiler den Preis für seinen auf Hiddensee verorteten Aussteigerroman „Kruso“ erhalten.
Suhrkamp diesmal nicht dabei
Ansonsten ist die Shortlist geschlechtermäßig mit drei Frauen und drei Männern ausgewogen. Es fehlen dieses Jahr aber Autoren aus Österreich und mit Migrationshintergrund. Prominentestes „Opfer“ ist Feridun Zaimoglu mit seinem Istanbul-Roman „Siebentürmeviertel“, der noch auf der Longlist stand.
Auch Deutschlands literarisches Renommierhaus Suhrkamp ist auf der Shortlist mit keinem Titel zu finden: Verlagsautor Setz fiel durch, der ebenfalls bei Suhrkamp beheimatete Ralf Rothmann wollte seinen Erfolgsroman („Im Frühling sterben“) aus persönlichen Gründen erst gar nicht einreichen. Der Deutsche Buchpreis, 2005 erstmals vergeben, gilt als wichtigste Auszeichnung der Branche. Dem Sieger winkt neben 25.000 Euro in der Regel auch ein Platz auf der Bestsellerliste.
Thomas Maier, dpa
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