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Rückabwicklung und Schadenersatz

Eine erste Käuferin hat in Deutschland Klage gegen den Autohersteller VW eingereicht. Die Klägerin habe gezielt ein umweltfreundliches Auto kaufen wollen, die angeblich niedrigen Abgaswerte seien für sie „kaufentscheidend“ gewesen, teilte die Kanzlei Jordan Fuhr Meyer am Mittwoch in Bochum mit. Die Kanzlei erhob auch Klage auf Schadenersatz.

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Die Kundin habe sich aus Umweltschutzgründen bewusst für ein Fahrzeug der „Blue Motion“-Reihe entschieden und dabei auch Zusatzkosten in Kauf genommen, so Rechtsanwalt Sascha Conradi. Jetzt sehe sie sich in ihrer Erwartung, ökologisch unterwegs zu sein, enttäuscht. „Die Weiternutzung eines nicht schadstoffarmen Kraftfahrzeugs ist der Klägerin unzumutbar“, betonte der Rechtsanwalt.

Nachbesserung „reicht nicht aus“

Die Klägerin wirft VW außerdem vor, dass durch die anstehende Nachbesserung Motorleistung, Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit sowie weitere wichtige Parameter ihres Fahrzeugs sinken und der Kraftstoffverbrauch steigen werde. Nachbesserungen an dem Fahrzeug reichten „aus juristischer Sicht“ nicht aus, so Conradi. Deshalb habe die Kanzlei im Auftrag der Mandantin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und klage auf Rückabwicklung. Ein Sprecher des zuständigen Landgerichts Braunschweig bestätigte den Eingang der Klage. Ein Sprecher des Konzerns wollte sich zu der Klage zunächst nicht äußern, der Vorgang sei ihm nicht bekannt.

In der vergangenen Woche hatte bereits ein Privatanleger aus Baden-Württemberg eine Schadenersatzklage bei dem Braunschweiger Gericht eingereicht. Er hatte im April und Juli VW-Vorzugsaktien gekauft und möchte, dass diese Transaktion nun rückabgewickelt wird, teilte seine Tübinger Anwaltskanzlei mit.

Müller: Brauchen Tausende Lösungen

VW will in den nächsten Tagen Einzelheiten zur Umrüstung der manipulierten Dieselmotoren nennen. Der deutsche Autokonzern habe dem deutschen Kraftfahrtbundesamt (KBA) seine Pläne vorgelegt und werde nach der Zustimmung der Behörde informieren, sagte ein VW-Sprecher am Mittwoch. Das werde bald geschehen. Offen ist bisher unter anderem, bei welchen Modellen ein Softwareupdate genügt und bei welchen tiefgehendere Eingriffe nötig sind. Vom KBA war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

„Für die meisten Motoren genügt ein Update der Software in der lokalen Werkstatt“, sagte VW-Chef Matthias Müller der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Manche Fahrzeuge könnten neue Injektoren und Katalysatoren brauchen.“ Die Entwicklung einer Lösung für die weltweit bis zu elf Millionen Fahrzeuge, bei denen der Dieselmotor vom Typ EA 189 eingebaut ist, ist aufwendig. „Es geht um den EA 189 in Kombination mit verschiedenen Getrieben und länderspezifischen Auslegungen“, sagte Müller. „Wir brauchen also nicht drei Lösungen, sondern Tausende.“

„Bis Ende 2016“ soll alles in Ordnung sein

„Verläuft alles nach Plan, können wir im Januar mit der Reparatur beginnen“, sagte Müller weiter. „Bis Ende 2016 sollten dann alle Autos in Ordnung sein.“ VW müsse die „jeweilige Lösung“ auf jedes Modell abstimmen und die notwendigen Teile bestellen. Sorgfalt gehe vor Geschwindigkeit.

Volkswagen hatte zugegeben, bei bestimmten Dieselmotoren eine Abschaltvorrichtung installiert zu haben, durch die Abgaswerte am Prüfstand manipuliert werden können, ohne die Leistung auf der Straße zu beeinträchtigen. In den USA kam die Technik zum Einsatz. Ob sie in Europa ebenfalls aktiv ist oder nur eingebaut wurde, hat Europas größter Autobauer bisher offen gelassen. „Was die Abschaltvorrichtung im Einzelfall für Auswirkungen hat, ist Teil der Untersuchung“, sagte der VW-Sprecher lediglich.

Das KBA hatte VW eine Frist bis Mittwoch gesetzt, um darzulegen, wie die Abschaltvorrichtung entfernt werden soll. Die Behörde ist laut VW in diesem Fall für die sogenannte Typengenehmigung in der Europäischen Union zuständig. Entzieht die Behörde die Genehmigung, dürften die betroffenen Autos nicht mehr verkauft und bewegt werden.

Software muss erst entwickelt werden

Zwei mit dem Zeitplan vertraute Personen sagten der Nachrichtenagentur Reuters, VW wolle die notwendigen Softwareupdates bis zur Jahresmitte auf die betroffenen Fahrzeuge der Kunden in Europa aufspielen. Bis Ende 2015 müsse die Software erst entwickelt und getestet werden. Nachbesserungen an Hardwarekomponenten der Fahrzeuge dürften sich den Insidern zufolge bis in die zweite Jahreshälfte ziehen. Eine VW-Sprecherin für die USA sagte, dass die Maßnahmen zuerst mit der Umweltbehörde EPA abgestimmt werden müssten.

VW hat zugegeben, in den vergangenen Jahren millionenfach Fahrzeuge mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Abgaswerte manipulieren kann. Allein in Europa sind acht Millionen Fahrzeuge betroffen, rund 364.000 davon in Österreich, weltweit sind es bis zu elf Millionen. Der langjährige Vorstandschef Martin Winterkorn musste daraufhin seinen Sessel räumen. Im Kampf um das Vertrauen seiner Kunden hatte sich VW in Deutschland mit einer großen Werbekampagne in Zeitungen entschuldigt.

Pötsch kann Aufsichtsratschef werden

Der Wahl des bisherigen VW-Finanzchefs Hans Dieter Pötsch an die Spitze des VW Aufsichtsrates steht nichts mehr im Wege. Das Amtsgericht im deutschen Braunschweig ernannte Pötsch am Mittwoch auf Antrag des VW-Präsidiums zum Mitglied des Kontrollgremiums, wie eine Sprecherin auf Anfrage der dpa mitteilte. Die Ernennung gelte zunächst befristet bis zur nächsten Hauptversammlung von VW. Dort soll dann - wie bereits von Aktionärsvertretern verlangt - die offizielle Wahl Pötschs durch die stimmberechtigten Anteilseigner nachgeholt werden.

Pötsch neuer Aufsichtsratschef bei VW

In seiner größten Krise bekommt der Volkswagen-Konzern jetzt einen neuen Aufsichtsratschef. Wie erwartet, wird der Österreicher Hans Dieter Pötsch oberster Aufseher bei Volkswagen.

Der Posten des Chefkontrolleurs bei VW war seit dem Rücktritt des früheren VW-Patriarchen Ferdinand Piech nach einem Machtkampf mit Winterkorn vakant. In der Zwischenzeit hatte der ehemalige IG-Metall-Chef Berthold Huber das Amt inne. Huber ist ebenfalls Mitglied des Aufsichtsrates.

„Drei Vorstände“ beurlaubt

Müller fügte in der „FAZ“ hinzu, nach aktuellem Kenntnisstand seien an den Manipulationen nur wenige Entwickler im Stammwerk im deutschen Wolfsburg beteiligt gewesen. Bisher seien vier Mitarbeiter beurlaubt, „davon drei Vorstände, die zu unterschiedlichen Zeiten Verantwortung für die Motorenentwicklung bei Volkswagen hatten“, führte Müller aus. „Andere sind teils schon in Pension.“

Für die Zukunft des Autoherstellers zeigte sich Müller wie bereits bei der Betriebsversammlung am Dienstag dennoch optimistisch: „Volkswagen hat unverändert eine starke Substanz und deshalb beste Aussichten, in zwei bis drei Jahren wieder zu glänzen. In dieser Krise steckt die Chance, die Strukturen von Volkswagen zu reformieren“, sagte er. Er wolle das Unternehmen schlanker machen und den Marken mehr Verantwortung übertragen. Das solle zu mehr Effizienz und Entscheidungsgeschwindigkeit führen. „Freilich werden wir das evolutionär machen. Ich halte nichts von Revolution.“

Auf die Frage, ob VW im Abgasskandal gegen die Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht verstoßen habe, sagte Müller: „Unsere Rechtsauffassung besagt, dass wir rechtzeitig informiert haben.“ VW hatte am 3. September 2015 gegenüber der US-Umweltbehörde die Manipulation eingestanden. Der Kapitalmarkt wurde erst zwei Wochen später informiert.

„Patenschaft“ für kleinere Marken

Die VW-Töchter Seat und Skoda sollen künftig im VW-Konzernvorstand vertreten sein - aber nicht durch die jeweiligen Markenchefs. Es werde stattdessen Paten für die beiden kleineren Marken geben, wie die Finanznachrichtenagentur dpa-AFX aus Konzernkreisen erfuhr. VW gibt sich mitten im Abgasskandal eine neue Struktur, in der die Marken und Regionen gegenüber der Wolfsburger Zentrale mehr Gewicht erhalten sollen. Ab dem ersten Quartal 2016 solle die neue Struktur in die Tat umgesetzt werden, hieß es im Konzern.

Entschuldigungsbrief an US-Kunden

VW-USA-Chef Michael Horn soll wegen des Skandals am Freitag vor einem Ausschuss des US-Repräsentantenhauses aussagen. VW entschuldigte sich in einem Brief an seine US-Kunden für den Abgasskandal. In einem Schreiben vom 29. September, das Reuters am Dienstag vorlag, erklärte Horn, dass der Konzern das Vertrauen der Fahrzeugkäufer verletzt habe. Er bitte deshalb persönlich die Kunden um Verzeihung. Der Konzern arbeite hart daran, die betroffenen Autos so bald wie möglich in Ordnung zu bringen. Das werde jedoch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Warnung vor Auswirkungen auf Kommunen

Angesichts des Abgasskandals warnte der deutsche Städte- und Gemeindebund vor großen Einschnitten in Städten mit VW-Werken. „Die VW-Krise kann vor dem Hintergrund der Gewerbesteuereinnahmen deutliche Auswirkungen auf die Kommunen mit Produktionsstandorten haben. Auch wenn der Umfang der Krise derzeit noch nicht klar absehbar ist, steht dennoch zu erwarten, dass es beim Gewerbesteueraufkommen deutliche Ausfälle geben wird,“ sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Gerd Landsberg, der „Bild“ laut Vorabbericht.

In diesem Fall drohten negative Folgen für das Angebot an kommunalen Leistungen, sagte Landsberg. „Je nach Dauer und Umfang dieser Krise könnte es dann auch dazu kommen, dass kommunale Angebote und Leistungen wie etwa Schwimmbäder, Büchereien oder Ähnliches auf den Prüfstand gestellt werden müssen.“

Maßnahmenplan an Behörden übermittelt

VW legte indes auch dem deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) fristgerecht einen Zeit- und Maßnahmenplan zur Bewältigung des Skandals vorgelegt. Das „umfangreiche Schreiben“ sei am Mittwoch eingegangen, es werde darin von einer Rückrufaktion gesprochen, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Abend in Berlin.

Das KBA brauche nun einige Tage Zeit, um die Pläne zu prüfen. Es werde dann „eine unabhängige Entscheidung über die von Volkswagen umzusetzenden Maßnahmen treffen und diese gegenüber Volkswagen anordnen“. Die Anordnungen der Behörde würden vor allem „auch den zeitlichen Faktor betreffen“. VW habe zugesichert, dass den Kunden durch die Umrüstungen keine Kosten entstünden.

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