Themenüberblick

Umstrittene Löschpolitik

Im Zuge der aktuellen Asyldebatte mehren sich in Sozialen Netzwerken wie Facebook Postings mit verhetzenden und rassistischen Inhalten. Facebook selbst sieht sich als Betreiber für die Inhalte auf seiner Plattform grundsätzlich nicht zuständig. Doch ganz so einfach ist das nicht, vor allem bei strafrechtlich relevanten Hasspostings.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Besonders problematisch dabei ist, dass fragwürdige Postings trotz Facebooks firmeneigener Ethikrichtlinien oft mit großer Zeitverzögerung oder gar nicht gelöscht werden - selbst wenn diese gemeldet wurden. Facebook steht auf dem Standpunkt, als Betreiber und Technikdienstleister nicht für von Nutzern generierte und verbreitete Inhalte verantwortlich zu sein. Tatsächlich genießt das Soziale Netzwerk als Plattformbetreiber laut dem heimischen E-Commerce-Gesetz Haftungsprivilegien, da eine Vorabprüfung aller Postings quasi unmöglich ist. Beim Verdacht der Verhetzung steht zudem der Verfasser der Hassparolen im Visier der Ermittlungen.

Frage der Kenntnis wichtig

Allerdings gilt in Österreich auch, dass derjenige, der zu einer Straftat beiträgt, sich selbst ebenfalls strafbar macht, erklärt der Strafrechtsexperte Helmut Fuchs von der Universität Wien. Laut dem E-Commerce-Gesetz gilt, dass Betreiber nicht haftbar sind, solange sie nachweislich keine Kenntnis über strafrechtlich relevante Vorgänge wie Aussagen, die den Tatbestand der Verhetzung erfüllen, besitzen, ergänzt Rechtsanwalt Johannes Öhlböck.

Das inkludiert die vorsätzliche Verbreitung von strafrechtlich relevanten Inhalten. Stellt etwa die Post einen Brief zu, der eine Morddrohung enthält, macht sie sich nicht strafbar. Weiß sie Bescheid und stellt sie den Brief trotzdem zu, wird der Vorgang bereits zur Streitfrage. Essenziell ist dabei die Frage der Kenntnis.

Damit ein Posting als Hassposting nach österreichischem Recht strafrechtlich relevant wird, müssen mehrere Voraussetzungen wie etwa eine breite Öffentlichkeit erfüllt sein. Bis Anfang August gab es in Österreich rund 180 Anzeigen wegen Verhetzung, im Gesamtjahr 2014 waren es 339. Doch bei Weitem nicht alles wird angezeigt. Organisationen wie die Anti-Rassismus-Organisation ZARA und die steirische Antidiskriminierungsstelle sprechen von einem alarmierenden Anstieg von Hassparolen im Internet.

Trotz Wissens keine Löschung?

Werden bei Facebook Inhalte, die nach österreichischem Recht strafrechtlich relevant sind, von Usern gemeldet, gelangen sie zu eigenen Content-Moderatoren in Dublin, die unter Einbeziehung der Gemeinschaftsstandards entscheiden, ob eine Löschung angemessen ist oder nicht. Zu diesem Zeitpunkt weiß Facebook nachweislich über die Existenz der Postings Bescheid. Entscheidet sich das Soziale Netzwerk gegen eine Löschung, ist das Thema der Haftung grundsätzlich wieder aktuell.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat heuer entschieden, dass der Medieninhaber einer Facebook-Seite der Administrator oder Gestalter einer Seite ist. Dieser sorgt für die inhaltliche Ausrichtung und hat damit auch die Möglichkeit, unangemessene Kommentare zu löschen, zu verbergen oder entsprechende User gleich zu verbannen. Damit trifft ihn auch die Verantwortung. Der Medieninhaber hat keine Prüfungspflicht, wird er allerdings auf rechtsverletzende Postings hingewiesen, muss er sie löschen.

Gemeinschaftsstandards als Richtschnur

Grundsätzlich bekräftigt Facebook sein Eintreten gegen Rassismus und hat eigene Gemeinschaftsstandards geschaffen, die den Umgang auf Facebook regulieren sollen. Das Unternehmen gibt an, entsprechende Inhalte zu entfernen, Konten zu deaktivieren und mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, wenn die Firma zu dem Entschluss kommt, dass ein echtes Risiko physischer Gewalt oder eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit besteht.

Facebook entferne sämtliche Inhalte, die Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnizität, Nationalität oder Religion angreifen. „Wir verstehen, dass wir als Facebook eine besondere Verantwortung tragen, und arbeiten jeden Tag sehr hart daran, die Menschen auf Facebook vor Missbrauch, Hassrede und Mobbing zu schützen“, so eine Unternehmenssprecherin.

Eigene Standards „schlechter Witz“

Der deutsche Medienanwalt Christian Solmecke schrieb dazu kürzlich, dass Facebook sich auf die eigenen Standards berufe, sei ein „schlechter Witz“. Auch wenn das Unternehmen seine Europazentrale in Irland habe, müsse sich die Firma an lokale - in diesem Fall deutsche - Gesetze halten. Solmecke geht noch einen Schritt weiter: Es sei an der Zeit, dass die ersten Staatsanwälte sich die Verantwortlichen bei Facebook „zur Brust“ nehmen und Ermittlungsverfahren wegen einer möglichen Beihilfe zur Volksverhetzung durch Onlinehalte der Kommentare einleiten.

Facebook gestand jüngst aber auch Fehler ein. Gegenüber dem „Mannheimer Morgen“ sagte Facebook Deutschland, es sei „bedauerlich, dass gelegentlich Fehler gemacht werden. Wir wissen, dass dies frustrierend sein kann“. Der Sprecher räumte ein, dass für das Löschen von rassistischen Inhalten nicht die deutschen Mitarbeiter zuständig seien, sondern Teams im Ausland. Diese suchten nicht gezielt nach Einträgen mit fremdenfeindlichem Inhalt.

USA: Meinungsfreiheit vs. Rechtsverletzung

Dass Facebook sich bei seinem Umgang mit Hasspostings quasi unangreifbar gemacht hat, sieht auch Datenschützer Max Schrems, der mit seiner im Juli abgewiesenen Sammelklage gegen das Soziale Netzwerk für Furore sorgte. Den in seinen Augen laschen Umgang mit ausländerfeindlichen Hassparolen begründet er mit der starken Orientierung der Firmenpraxis am US-Recht. Es sei aber auch eine Geldfrage, denn ein Netzwerk mit rund 1,4 Milliarden Nutzern weltweit zu kontrollieren sei teuer.

Das US-Recht ordnet viele Aussagen, die bei uns strafrechtlich relevant wären, in die Schublade der Meinungsfreiheit ein, was sich auch in Facebooks „Löschpolitik“ niederzuschlagen scheint. So ist beispielsweise Wiederbetätigung in Österreich eine Rechtsverletzung, in den USA ist sie durch die „Freedom of Speech“ gedeckt.

Nacktheit schnell beurteilt

Dazu komme, dass zwischen fragwürdiger Geschmacklosigkeit und strafrechtlich relevanter Verhetzung oft ein schmaler Grat liegen könne, bei dem sich das Unternehmen womöglich nicht verhaspeln wolle. Dass Nacktheit in vielen Fällen schneller entfernt wird als hetzerische Postings, liegt laut Schrems auch daran, dass die Beurteilung des Regelverstoßes schnell, einfach und unabhängig von Sprachkenntnissen erfolgen kann.

Grundsätzlich kritisiert Schrems Facebooks „situationselastischen“ Bezug zu seinen Ansprüchen und Verpflichtungen. Einerseits stelle Facebook umfassende Besitzansprüche, wenn es ums Datensammeln gehe, andererseits entziehe man sich bei vielen Themen jeglicher Verantwortung. Dank der komplexen und überregionalen Rechtslage - der Hauptsitz ist in den USA, die Europazentrale in Irland, operiert wird allerdings weltweit - und Firmenstruktur bestünden zudem große Unklarheiten über Zuständigkeiten und Verantwortungen.

Justizminister fordern mehr Löschungen

Zuletzt stieg in Europa der Druck auf Facebook, stärker gegen Hasspostings vorzugehen. Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) etwa forderte das US-Unternehmen dazu auf, beim Löschen von Hassparolen durchzugreifen. Auch ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter will das Soziale Netzwerk stärker in die Pflicht nehmen. Er fordert von Facebook eine „Selbstkontrolle, die unsere Rechtsordnung berücksichtigt, speziell den Tatbestand der Verhetzung“, sagte Brandstätter gegen dem „profil“.

Facebook solle Postings, die zu Gewalt gegen Ausländer aufruft, löschen. Die Firma komme dieser Verpflichtung nicht entschieden genug nach, auch wenn es entsprechende Hinweise dazu gebe. Facebook würde so einen Beitrag dazu leisten, dass kriminelle Inhalte, die den Verhetzungsparagrafen verletzen, weiterverbreitet werden. Würde Facebook eine freiwillige Selbstkontrolle ausüben, müsste man „nicht stets den mühsamen Weg über Gerichtsverfahren gehen“. In diesem Fall würden strafrechtlich relevante Postings allerdings auch nicht mehr belangt.

Links: