Euphorie in der Leere
In Ridley Scotts neuem Science-Fiction-Blockbuster, „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ (Originaltitel: „The Martian“), wird Matt Damon alleine auf dem Mars zurückgelassen. Zwischen Abba-Songs und frisch geernteten Kartoffeln kämpft er ums Überleben.
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Die Handlung ist schnell erzählt: Die sechsköpfige Crew der Ares 3 ist auf dem Mars, um Proben zu sammeln, als ein Sandsturm losbricht. Schnell wird die Mission aufgrund der immer näher kommenden Gefahr abgebrochen, doch der Botaniker und Ingenieur Mark Watney wird von einem Trümmerteil weggeschleudert. Die Zeit eilt, und die schlechten Sichtverhältnisse erschweren die Suche nach dem ohnehin bereits Totgeglaubten. Die Crew bricht also auf, Watney bleibt zurück.
Während auf der Erde Pressekonferenz und Trauerfeier stattfinden, erwacht Watney von den Toten: Schwer verletzt kann er sich zur Wohnkapsel schleppen, verarztet sich und beginnt seine Situation zu begreifen. Nach kurzer Verschnaufpause und nur vorübergehendem Unmut macht er sich mit heroischem Tatendrang an die Arbeit: Die Kapsel ist für 31 Tage ausgerichtet. Ziel muss also sein, Nahrung und Wasser zu vermehren.

Twentieth Century Fox
Matt Damon als Gärtner
Watney rechnet, tüftelt, und nach missglückten Probeläufen erntet er seine ersten Kartoffeln. Gleichzeitig starten Bemühungen, Watney zu retten, nachdem er auf Satellitenaufnahmen zu erkennen war.
Zusammenarbeit mit der NASA
Was auf den ersten Blick unrealistisch erscheint, ist laut Wissenschaft offenbar möglich und umsetzbar. Die Atmosphäre auf dem Mars ist zwar zu dünn für einen so dargestellten Sandsturm, der Rest der Geschichte ist hingegen wissenschaftlich belegt, denn sowohl der US-amerikanische Autor Andy Weir, der mit dem Bestseller „Der Marsianer“ die Romanvorlage lieferte, als auch Regisseur Scott haben bei ihren Hintergrundrecherchen eng mit der NASA zusammengearbeitet.
Wenn man den Gerüchten Glauben schenken mag, ging diese Zusammenarbeit zeitweise sogar so weit, dass es eine Absprache zwischen Scott und NASA gegeben haben soll. Denn wie es der Zufall so wollte, fand die Pressekonferenz der US-Behörde, in der verkündet wurde, es lägen neue Beweise für das Vorhandensein von fließendem Wasser auf dem Mars vor, nur ein paar Tage vor dem Kinostart des Films statt.
Ermüdende Zuversicht
Für den Film gibt es zwei Betrachtungsweisen. Die erste: Das bis auf wenige kurze melancholische Augenblicke ständig frohe, optimistische Gemüt Watneys, der einsam und alleine lebt, ohne Hoffnung auf Rettung und in einer aussichtslosen Lage, konfrontiert mit tausendundeiner Schwierigkeit, langweilt schnell. Die gewollt lustigen Selbstgespräche des einzigen Menschen auf dem Mars, dem auf jedes noch so katastrophale Problem sogleich eine Lösung einfällt, sind auf Dauer ermüdend.

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Große Sorge auf dem Heimatplaneten: Die Menschheit fiebert mit.
Sehnsüchtig denkt man an Matt Damon in der Rolle des Dr. Mann in Christopher Nolans „Interstellar“, an seine Wut und Verzweiflung, die aus der Isolation in der Eiswüste resultieren. Hier spielt Damon das, was in Mark Watney sekündlich vorgehen müsste. Ähnlich geht es einem mit Jessica Chastain, die Watney retten will, koste es, was es wolle: Ausstrahlung und Mimik ihrer Darstellung der Murphy in „Interstellar“ sucht man hier vergebens. Einzig Chiwetel Ejiofor, der, wie bereits in „2012“, einen Berater spielt, bleibt „seiner Rolle“ treu. Das macht es allerdings nicht besser.
Hymnische Kritiken
Die andere Sichtweise: In ungewöhnlichen Situationen wird gerade ungewöhnliches Verhalten zu Gewöhnlichem. Sprich: Wer soll schon wissen, wie die Psyche eines Menschen tickt, der alleine auf dem Mars zurückgelassen wird? Mag sein, dass hier das optimistische Wesen und der Witz des Watney naheliegender sind, als man zunächst denken mag. Internationale Kritiker jedenfalls hat der Film restlos überzeugt. Von „Atlantic“ über das „Wall Street Journal“ bis hin zum „Rolling Stone“ und der „New York Times“: Es waren nach dem US-Filmstart ausschließlich überschwängliche Hymnen zu lesen.
Und wie geht es mit Watney weiter? Nachdem die NASA bemerkt, dass er überlebt hat, werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, das verlorene Schäfchen wieder nach Hause zu holen, was aber - zumindest zunächst - nicht recht gelingen will. Als die Chinesen glücklicherweise kurz darauf großmütig aushelfen, kann ein Rettungsversuch starten, der weltweit live übertragen wird. Menschenmassen bangen um Watneys Überleben. Beim Abspann ertönt Gloria Gaynors „I Will Survive“. Was das für Watney heißt, soll hier nicht verraten werden.
Lena Eich, ORF.at
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