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„Es sind gewaltige Kosten“

Im Skandal um manipulierte Abgaswerte bereitet der Volkswagen-Konzern eigenen Angaben zufolge eine großangelegte Nachbesserung für alle weltweit betroffenen Fahrzeuge vor. Wie ein VW-Sprecher am Samstag sagte, seien elf Millionen Fahrzeuge weltweit identifiziert.

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Das Unternehmen habe sich einen Zeithorizont von wenigen Wochen gesetzt, in dem die genauen Maßnahmen nun vorgestellt werden sollen. Zuvor hatten sich Forderungen nach einem schnellen Rückruf der Autos gehäuft. Vor rund einer Woche hatte die US-Umweltbehörde EPA mitgeteilt, Volkswagen habe eine spezielle Software eingesetzt, um die Messung des Schadstoffausstoßes bei Abgastests zu manipulieren.

„Kann Rückruf-, aber auch Serviceaktion sein“

„Ich denke, dass die Händler ab nächster Woche aussagefähig sind“, sagte der VW-Sprecher mit Blick auf verunsicherte Kunden. Die Autohalter könnten mit den betroffenen Fahrzeugen zunächst einmal fahren. Sie würden alle angeschrieben.

Konkrete Anhaltspunkte, was Volkswagen für die betroffene Kundschaft nun tun will, gibt es laut „Zeit“ derzeit allerdings nicht. „Das kann eine Rückrufaktion sein, aber auch eine Serviceaktion“, wie der VW-Sprecher sagte. Als fix gilt bisher ein kostenloses Softwareupdate. VW-Angaben zufolge wird derzeit ein Katalog möglicher Maßnahmen „mit Vollgas“ abgearbeitet.

Das genaue Vorgehen müsse zudem noch für die einzelnen Märkte mit den jeweiligen Behörden abgestimmt werden. Erklärtes Ziel sei es laut den VW-Vorstandsvorsitzenden der Marke Volkswagen Pkw aber, „unsere Kunden schnellstmöglich zu informieren, damit ihre Fahrzeuge vollumfänglich den Vorschriften entsprechen“. Noch nicht abschätzen will Volkswagen die mit der angekündigten Nachbesserung verbundenen Kosten. Das stehe noch nicht fest, gerechnet werde aber bereits mit „gewaltigen Kosten“. Es sei aber „völlig selbstverständlich, dass die Kunden nicht auf den Kosten sitzengelassen werden“.

Marken quer durch VW-Konzern betroffen

Weltweit sind elf Millionen Fahrzeuge verschiedener Marken des Konzerns betroffen. Bei der Kernmarke VW sind es laut Angaben aus Wolfsburg insgesamt fünf Millionen. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Modelle aus mehreren Baujahren, etwa den Golf der sechsten Generation, den Passat der siebenten Generation und die erste Generation des Tiguan. Verbaut ist ein Motor mit der Typbezeichnung EA 189 in 1,6- und 2-Liter-Varianten, der etwa auch bei Audi und Skoda zum Einsatz kam.

„Wir arbeiten mit Hochdruck an einer technischen Lösung, die wir so rasch wie möglich dem Handel, unseren Kunden und der Öffentlichkeit präsentieren werden“, hatte VW-Markenchef Herbert Diess am Freitag angekündigt. Alle VW-Neuwagen, die über die Euro-6-Norm verfügten, seien nicht von den Manipulationen betroffen. Dazu gehörten unter anderem die aktuellen Modelle des Golf, Passat und Touran.

Forderung nach „ehrlichen Messverfahren“

Die deutsche Politik zeigt sich unterdessen weiter um den Ruf Deutschlands als Industriestandort besorgt. Es werfe einen Schatten auf die Versprechen deutscher Unternehmen, wenn sich ein Weltkonzern wie VW derart eklatant über Umweltregeln hinwegsetze, sagte die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dem „Handelsblatt“.

Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) ergänzte im „Tagesspiegel am Sonntag“, VW müsse nun unter neuer Führung Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. „Wir brauchen eine Garantie dafür, dass Autos deutscher Hersteller Normen einhalten, ohne dass manipuliert wird.“

Hendricks zufolge arbeitet man in Brüssel bereits „an neuen, ehrlichen Messverfahren. Wir dürfen uns nicht nur auf Tests im Labor verlassen.“ Es müsse „im realen Fahrbetrieb gemessen werden, was aus dem Auspuff rauskommt“. Das fordern in Österreich auch Verkehrsminister Alois Stöger (SPÖ) und Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP).

Stöger sieht „Deutschland in der Pflicht“

In der Pflicht sieht Stöger aber Deutschland: „Da in Österreich für Autos bisher keine europäischen Typengenehmigungen ausgestellt wurden, können sie von den österreichischen Behörden nicht entzogen werden. Betreffend VW ist also Deutschland in der Pflicht“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme des Ministeriums am Samstag. Umgehend würden Prüfberichte, die derzeit in Deutschland erstellt werden, nach Österreich weitergeleitet. Grüne und NEOS hatten gefordert, auch in Österreich müsse eigens kontrolliert werden.

Die deutsche Umweltministerin räumte indes auch ein, es sei allgemein bekannt gewesen, dass die im Labor ermittelten Werte nicht mit dem übereinstimmten, was im realen Fahrbetrieb stattfinde. Das sei der Grund, warum die EU ein neues Messverfahren beschlossen habe. Das habe aber nichts mit dem zu tun, was VW getan habe.

„Mit eisernem Besen durchgehen“

Am Freitag hatte der VW-Aufsichtsrat Porsche-Chef Matthias Müller zum neuen Vorstandsvorsitzenden bei Europas größtem Autobauer berufen. Nach Ansicht von Aktionärsvertretern muss Müller die Manipulationen umfassend aufklären. „Er muss den Skandal transparent machen und verlorenes Vertrauen zurückgewinnen“, sagte der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Ulrich Hocker. „Man muss letztlich mit dem eisernen Besen da durchgehen. Diejenigen, die den Skandal verursacht haben, müssen bestraft werden.“ Zudem müsse der neue Chef die Ertragskraft erhalten - auch damit der Autobauer die zu erwartenden Strafzahlungen schultern könne.

USA planen schärfere Abgasstests

Als Konsequenz aus dem Dieselskandal bei VW-Fahrzeugen will indes auch die amerikanische Umweltbehörde EPA die Abgastests für Autos verschärfen. In einem Brief teilte die EPA den Autoherstellern mit, sie hätten sich auf neue Regeln einzustellen.

Christopher Grundler, EPA-Direktor für Transport und Luftqualität, behielt die genauen Regeln allerdings für sich. „Sie müssen sie nicht kennen“, zitierte ihn die „Detroit Times“. „Alles, was sie wissen müssen ist, dass wir ihre Autos etwas länger behalten werden und sie etwas ausführlicher fahren werden.“ Grundler deutete auch an, dass die EPA zusätzlich mobile Abgastests ausbauen könnte.

Die EPA stand in den USA zuletzt in der Kritik, weil ihre Abgastests oft vorhersehbar und leicht zu durchschauen gewesen seien. Den VW-Skandal hatte nicht die EPA aufgedeckt, sondern Wissenschaftler der Universität von West Virginia.

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