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ÖVP trotz starker Verluste auf Platz eins

Die Landtagswahl in Oberösterreich am Sonntag hat ein politisches Erdbeben gebracht. Der FPÖ brachte sie laut der aktuellen SORA-Hochrechnung für den ORF zweistellige Zugewinne. Die Freiheitlichen kamen auf deutlich über 30 Prozent und verdrängten die SPÖ von Platz zwei hinter der ÖVP, die deutlich verlor. Nur leicht legten die Grünen zu, NEOS scheiterte an der Vierprozenthürde.

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Die ÖVP rutschte mit einem zweistelligen Minus deutlich unter die 40-Prozent-Marke und auf ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis im Land. Mit 36,4 Prozent blieb die Partei von Landeshauptmann Josef Pühringer aber Erster. Die FPÖ von Manfred Haimbuchner konnte ihr Ergebnis von 2009 knapp verdoppeln und kam mit 30,3 Prozent auf Platz zwei. Es ist das beste Ergebnis der FPÖ in Oberösterreich.

SPÖ unter 20 Prozent

Starke Verluste musste die SPÖ unter Reinhold Entholzer hinnehmen, sie rutschte mit 18,4 Prozent unter 20 Prozent und hinter die Freiheitlichen auf Platz drei. Leichte Zugewinne brachte der Urnengang für die Grünen mit Spitzenkandidat Rudi Anschober. Sie kamen mit 10,3 Prozent auf ein zweistelliges Ergebnis. NEOS mit Judith Raab an der Spitze, das erstmals bei der Landtagswahl angetreten war, schaffte laut aktueller Hochrechnung mit 3,5 Prozent den Einzug in das Landesparlament nicht.

Hochrechnung 19.53

SORA/ORF

Keine schwarz-grüne Mehrheit mehr

In Mandaten kommt die ÖVP nach derzeitigem Stand der Hochrechnung auf 21 der 56 Mandate (minus sieben). Die FPÖ wird bei 18 Sitzen halten (plus neun), die SPÖ bei elf (minus drei). Die Grünen kommen auf sechs Mandate (plus ein Mandat). ÖVP und Grüne werden damit künftig gemeinsam 27 Mandate halten, womit sich eine schwarz-grüne Mehrheit im Landtag nicht mehr ausgehen würde. Die oberösterreichische Landesregierung wird zwar nach dem Proporz gebildet, es sitzen dort damit auch Vertreter von SPÖ und FPÖ, ÖVP und Grüne haben dennoch ein Regierungsübereinkommen geschlossen, sich als Koalition gesehen und regieren seit zwölf Jahren.

Erste Einschätzungen und Analysen

ORF-Wahlforscher Peter Filzmaier analysiert die Ergebnisse der ersten Hochrechnung.

Für den Politologen Peter Filzmaier geht der zu erwartende Ausgang der Landtagswahl in die Richtung eines Erdbebens. Die Regierungsbildung könnte durch das Proporzsystem in Oberösterreich schwierig werden, so der Experte. Schwarz-Blau oder Schwarz-Rot wären mathematisch möglich, die bisherige Zusammenarbeit von ÖVP und Grünen wird laut Ansicht Filzmaiers wohl nicht fortgesetzt werden können.

Pühringer: „Abstimmung über Asyl“

Die ÖVP hatte 2009 zugelegt und 46,8 Prozent eingefahren. „Die Abstimmung hat nicht über Oberösterreich stattgefunden, sondern über ein einziges Thema - über Asyl“, sagte Pühringer: „Ich zahle einen Preis für etwas, was ich nicht verschuldet habe.“ Er werde mit allen Parteien reden, so Pühringer. „Es heißt, Verantwortung wahrnehmen, wenn man von den Bürgern als Erster gewählt wird“ - mehr dazu in ooe.ORF.at.

„Es wäre mehr drinnen gewesen“, sagte ÖVP-Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner. „Es ist nie angenehm zu verlieren, aber es ist absehbar gewesen. Mit dem muss man leben.“ Das Asylthema habe alles überlagert, so Mitterlehner. Die Vergleichbarkeit mit 2009 sei nicht möglich. Es gebe derzeit eine Trendwende und einen Strukturwandel. Davon seien auch andere Parteien in Europa betroffen. Zu Pühringer stellte Mitterlehner fest, ohne ihn wäre die Lage noch schwieriger.

Die Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl in Oberösterreich

APA/Helmut Fohringer

V.. l.: Josef Pühringer (ÖVP), Reinhold Entholzer (SPÖ), Manfred Haimbuchner (FPÖ), Rudi Anschober (Grüne) und Judith Raab (NEOS)

Strache freut sich schon auf Wien

„Das Ergebnis nehme ich mit großer Demut an“, sagte Haimbuchner. Das Ergebnis zeige, dass es zu wenig ist, „dass alle Parteien auf die FPÖ hinhacken“. Er wolle nun auf Augenhöhe verhandeln, sagte er. „Ich werde mit allen reden.“

„Wir waren von Anbeginn an immer optimistisch, aber dieser überwältigende Vertrauensbeweis der Wählerinnen und Wähler übertrifft sogar unsere eigenen Erwartungen“, sagte FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache. Auch die Politik der „Ausgrenzung“ habe damit eine klare Absage erhalten. Und Strache freut sich laut eigenen Worten schon auf die Wahl in Wien am 11. Oktober: „In Wien ist alles möglich.“ Die FPÖ könne stärkste Kraft werden, sagte er.

Reaktionen von schwarzen und roten Parteifunktionären

In ersten Interviews reagierten die Landesparteisekretäre der ÖVP und der SPÖ, Wolfgang Hattmannsdorfer und Peter Binder.

Faymann: „Hetzer profitieren“

„Damit habe ich nicht gerechnet“, sagte SPÖ-Landesvorsitzender Entholzer. Offenbar sei die Angst im Lande vor Flüchtlingen und Asylwerbern so groß, dass die Hetzparolen der FPÖ „auf fruchtbaren Boden gefallen“ seien, so Entholzer. Auf die Frage, wie es weitergeht, wollte er vorerst nicht antworten.

SPÖ-Chef Bundeskanzler Werner Faymann zeigte sich „enttäuscht“. Das Flüchtlingsthema mit vielen Ängsten der Menschen habe die anderen Themen verdrängt - davon hätten jene profitiert, „die die Leute aufhetzen“. Man werde „die Linie aber auch in schweren Zeiten halten“ und damit „die Leute zurückholen“. Bei der Wien-Wahl in zwei Wochen komme es auf jede Stimme für Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) an, der „gerade bei dieser Flüchtlingskrise Charakter gezeigt“ habe.

Glawischnig für „Zusammenarbeit jenseits von Blau“

„Das war die schwierigste Wahl, die ich je erlebt habe“, sagte Anschober. „Die FPÖ ist einen Kurs der Hetze gefahren“, so Anschober, das dürfe nicht mit einer Koalition belohnt werden. Die grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig plädierte trotz der großen Zugewinne der FPÖ für eine oberösterreichische Regierungskoalition ohne FPÖ-Beteiligung. Auch wenn sich Schwarz-Grün nicht mehr ausgehe, sollte man sich andere Mehrheiten ohne FPÖ suchen. Die Grünen stünden für eine „Zusammenarbeit jenseits von Blau“ weiter zur Verfügung.

Reaktionen von blauen und grünen Parteifunktionären

In ersten Interviews reagierten die Landesparteisekretäre der FPÖ und der Grünen, Erwin Schreiner und Michaela Heinisch.

Ergebnis für Strolz „bitter“

„Natürlich ist es bitter, den Einzug so knapp zu verfehlen“, sagte NEOS-Parteichef Matthias Strolz. NEOS wachse zwar schnell, werde aber noch schneller wachsen müssen, so der Bundesobmann. Angesichts des Wahlerfolgs der FPÖ sagte Strolz, er halte das „Phänomen Rechtspopulismus“ für nicht stabil. Was die anstehende Wien-Wahl betrifft, sagte Strolz: „Es wird keinen Bürgermeister Strache geben, das gewährleistet NEOS.“

Daten zur Wahl

Hintergründe und Daten zur Wahl im ORF.at-Wahlschwerpunkt Wahl ’15.

Die Wahl-App von ORF.at präsentiert Ergebnisse und Analysen auch mobil, aktuell und übersichtlich.

Die Ergebnisse sorgten für gemischte Reaktionen in den Bundesländern. Die Wiener SPÖ hofft auf eine „positive Überraschung“ bei der Wahl in Wien in zwei Wochen, für die ÖVP Steiermark hat Josef Pühringer die „Rechnung für andere bezahlt“ - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Viele Kleinparteien und Namenslisten

Zusätzlich zum Landtag wählten die Oberösterreicher auch Gemeinderat und Bürgermeister. Die ÖVP kandidierte in allen 442 Kommunen für den Gemeinderat, die SPÖ in 415, die FPÖ in 384. Die Grünen traten in 121 Orten an und NEOS in 18. In 75 Gemeinden gingen Kleinparteien und Namenslisten an den Start, in manchen sogar mehrere, wodurch landesweit insgesamt 92 „Sonstige“ zusammenkommen.

Das Angebot an die Stimmberechtigten war je nach Gemeinde recht unterschiedlich: In drei Orten stand nur die ÖVP auf dem Stimmzettel, der längste umfasste acht Listen. Bei der Bürgermeisterdirektwahl konnte man in 119 Gemeinden als Alternative zum einzigen Kandidaten nur „Nein“ ankreuzen. Das größte Gerangel um den Stadtchefsessel herrschte in Linz, wo sieben Kandidaten antraten.

Wahlbeteiligung über 80 Prozent

Oberösterreich war bei den letzten Urnengängen das einzige Bundesland Österreichs, das noch eine Wahlbeteiligung von (knapp) mehr als 80 Prozent auswies. Auch heuer gaben laut hochgerechneter Wahlbeteiligung 81,6 Prozent der rund 1,1 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab.

Wahlgrafik

ORF

TV- und Radiohinweis

ORF2 und Radio Oberösterreich berichten seit 15.55 Uhr in zahlreichen Sondersendungen - mehr dazu in ooe.ORF.at.

Das Endergebnis wird laut Landeswahlbehörde am Abend vorliegen. Es beinhaltet bereits die - schon am Sonntag ausgezählte - Briefwahl und sonstige Wahlkarten - mehr dazu in ooe.ORF.at. Am 11. Oktober folgt noch eine zweite, kleine Wahlrunde: Jene Bürgermeisterkandidaten, die nicht auf Anhieb die absolute Mehrheit errangen, müssen in die Stichwahl.

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