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Hundstorfer rückt von Nein ab

Die Flüchtlingskrise und die politische Debatte darüber bringt in Österreich Bewegung in ein Thema, das politisch als besonders „heißes Eisen“ gilt: eine Öffnung des Arbeitsmarkts für Asylwerber.

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Vor wenigen Tagen rückte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) von seinem kategorischen Nein in dieser Frage ab. Zum Wunsch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach einem Arbeitsrecht von Asylwerbern ab dem ersten Tag des Verfahrens meinte er zuletzt gegenüber dem „Standard“, er stehe dem „offen gegenüber“.

Auch ihm sei wichtig, „dass Asylwerber nicht zu Hause sitzen müssen“, erklärte Hundstorfer. Man werde das Thema nun beim nächsten Rat der Arbeits- und Sozialminister am 5. Oktober diskutieren. Am Wochenende präzisierte Hundstorfer seine Aussagen: Neue Regeln seien nur im Fall einer EU-weiten Regelung möglich - einen nationalen Alleingang in dieser Frage werde es nicht geben. Und es müsse auch künftig zuerst geprüft werden, ob es nicht arbeitslose Österreicher oder EU-Bürger für den Job gebe, die dann Vorrang hätten.

Auslegungsstreit über WIFO-Studie

Im Sommer hatte Hundstorfer eine weitere Öffnung noch kategorisch abgelehnt. Damals veröffentlichte das Sozialministerium eine beim Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) in Auftrag gegebene Studie über die zu erwartenden Auswirkungen einer weiteren Öffnung des Arbeitsmarkts für Asylwerber. Die Studie kam zum Schluss, dass die möglichen Lohn-, Verteilungs- und Verdrängungswirkungen „gering“ seien. „Einzige nennenswerte Auswirkung“ sei in dieser Simulation eine „kurzfristige Erhöhung der Arbeitslosenquote um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte“, die dann „allerdings langsam“ wieder zurückgehe.

Das Sozialministerium verwies schon bei der Präsentation der Studie darauf, dass die Studie von 33.000 Asylwerbern für 2015 ausgegangen sei, das Innenministerium aber schon im Sommer mit mindestens doppelt so vielen rechnete. Sozialminister Rudolf Hundstorfer stellte daher damals klar, dass für ihn eine stärkere Öffnung des Arbeitsmarkts für Asylwerber nicht in Frage komme. Die NGO SOS Mitmensch warf dem Sozialministerium vor, eine zentrale Information der Studie verschwiegen zu haben, nämlich dass es sich bei dieser Zahl um die Maximalvariante handle.

Sozialpartner für Öffnung

Für einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt wären auch der ÖGB und die Wirtschaftskammer zu haben. Die Einschränkung auf Saisonarbeit sei zu restriktiv, sagte der leitende Sekretär im ÖGB, Bernhard Achitz. Man sei aber auch nicht für einen unkontrollierten Zugang ab dem ersten Tag für alle. Achitz kann sich ein Ersatzkräfteverfahren vorstellen. Das heißt: Ein Asylwerber bekommt einen Job nur dann, wenn das AMS für eine konkrete Stelle keinen vorgemerkten Arbeitslosen findet. Für ein solches Verfahren wäre auch die Wirtschaftskammer.

FPÖ kritisiert Hundstorfer scharf

Die FPÖ reagierte ihrerseits auf Hundstorfers Bereitschaft, im EU-Einklang möglicherweise die Regeln zu ändern, verärgert und warf Hundstorfer einen Umfaller vor: „Kaum kommt ein Vorschlag aus dem EU-Parlament, fällt Sozialminister Hundstorfer innerhalb von wenigen Stunden um und rückt nun von seinem kategorischen Nein zu einer Öffnung des Arbeitsmarkts für Asylwerber ab. Dieser Sozialminister ist nur mehr ein willfähriger Befehlsempfänger der EU“, kritisierte FPÖ-Sozialsprecher Herbert Kickl.

IOM-Expertin skeptisch zu Juncker-Vorstoß

Die Österreich-Vertreterin der International Organization on Migration (IOM), Katerina Kratzmann, hält von Junckers Vorstoß - Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge ab dem ersten Tag - nicht viel. Dafür gebe es auch gar keine rechtliche Grundlage.

Sie drängt im Gespräch mit ORF.at vielmehr zunächst auf eine echte Umsetzung der derzeit gültigen Richtlinie zur Aufnahme von Asylwerbern (Richtlinie 2013/33EU). Theoretisch würden die darin enthaltenen Vorgaben für den Zugang zum Arbeitsmarkt zwar eingehalten, nach Ansicht von IOM sei dies de facto aber nicht der Fall.

Für Aus von Bartenstein-Erlass

Vor allem am sogenannten Bartenstein-Erlass aus dem Jahr 2004, der die Beschäftigung von Asylwerbern auf einige wenige Tätigkeiten wie Saisonarbeiter oder Zeitungskolporteure einschränkt, stößt sich Kratzmann und fordert dessen Aufhebung.

„Kein Pull-Faktor“

Laut der IOM-Migrationsexpertin bremst Österreich bei der Öffnung auch deshalb, weil befürchtet werde, dass das „ein zusätzlicher Pull-Faktor“ wäre, dass es also zusätzliche Flüchtlinge oder Migranten nach Österreich führen würde. Das könne sie aber nicht bestätigen. Es gebe natürlich Informationen, die in den Ausgangsländern kursierten - die seien aber viel allgemeinerer Natur, etwa, dass jetzt eine gute Zeit sei, um nach Europa zu gehen. Doch Detailinfos über die Lage auf dem Arbeitsmarkt eines noch dazu so kleinen Landes wie Österreich gebe es etwa im Irak oder Syrien einfach nicht.

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