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Warnung vor „neuen Grenzkriegen“

Der Streit über die Aufnahme von Flüchtlingen zwischen Serbien und Kroatien ist am Donnerstag eskaliert. Kroatien schloss seine Grenzübergänge für Fahrzeuge mit serbischem Kennzeichen, Serbien verhängte ein Einfuhrverbot für Güter aus Kroatien. Die Spitzen der Europäischen Union versuchen indes, den Streit zu schlichten.

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Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte am Donnerstag, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe die Außenbeauftragte Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn beauftragt, in der Causa mit beiden Ländern in Kontakt zu treten.

„Wir versuchen, eine Lösung zu finden, um den Handelsverkehr wiederherzustellen“, sagte die Sprecherin weiter. Mogherini habe bereits öffentlich erklärt, dass eine Grenzschließung keine Lösung sei. Auch Hahn hatte die Staaten dazu aufgerufen, die Grenzübergänge offen zu lassen. Wenn Lkws nicht Grenzen passieren könnten, leide die Wirtschaft der Region darunter, sagte Hahn: „Das hat umgehend Auswirkungen auf die Wirtschaft der Region.“

Kroatien ließ Ultimatum verstreichen

Der seit Tagen schwelende Streit zwischen Serbien und Kroatien war am Donnerstag offen ausgebrochen. Bereits am Montag hatte Kroatien einige Grenzübergänge zu Serbien für serbische Lastwagen geschlossen. Die serbische Regierung setzte Zagreb daraufhin ein Ultimatum. Als dieses in der Nacht auf Donnerstag verstrichen war, verweigerte Serbien kroatischen Lkws die Einreise und verbot die Einfuhr kroatischer Waren.

Kroatien sperrte daraufhin noch in der Nacht seine Grenze für serbische Bürger und Fahrzeuge mit serbischem Kennzeichen. Donnerstagfrüh ruderte Zagreb zurück und erklärte, die Einreisesperre gelte nur für Fahrzeuge aus Serbien.

Krieg der Worte zwischen Belgrad und Zagreb

Die kroatische Grenzsperre sorgte für wütende Reaktionen in Belgrad. „In ihrem diskriminierenden Charakter können sie (die Einreisesperren, Anm.) nur mit Maßnahmen verglichen werden, die in der Vergangenheit während der Zeit des unabhängigen faschistischen Kroatien ergriffen wurden“, so der serbische Außenminister Ivica Dacic in einer Erklärung. Der serbische Arbeitsminister Aleksandar Vulin bezeichnete die Maßnahme Kroatiens als „Rassismus“.

Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vucic warf Kroatien vor, einen „wirtschaftlichen Angriff“ gegen sein Land zu führen. Auch er bezeichnete die Maßnahmen als „diskriminierend“ und verglich sie wie Dacic mit den „Maßnahmen des faschistischen Nazi-Regimes in Kroatien während des Zweiten Weltkriegs“.

Milanovic: Serbien soll Flüchtlinge umleiten

Vucics kroatischer Kollege Zoran Milanovic sprach seinerseits von einer „Abmachung zwischen Budapest und Belgrad“, alle Flüchtlinge nach Kroatien zu schicken. Sein Land könne aber nicht mehr als 4.000 bis 5.000 Neuankömmlinge täglich bewältigen. Die Lösung sei einfach, sagte Milanovic weiter: „Entweder richtet Serbien wie wir Flüchtlingslager ein oder beginnt, den Flüchtlingsstrom nach Ungarn oder Rumänien umzuleiten.“

„Wir haben die alle aufgenommen, aber jetzt können wir nicht mehr“, sagte Milanovic. Wenn Serbien die Flüchtlinge von Kroatien nach Ungarn umleite, könnten die Grenzen wieder geöffnet werden. „Wir werden nicht antworten, auf Wahnsinn gibt es keine Reaktion“, entgegnete wiederum Serbiens Premier Vucic in Belgrad. Er erwarte, dass die EU die Grenzöffnung durchsetzt.

Scharfe Kritik von Lunacek

Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Ulrike Lunacek (Grüne), kritisierte Kroatien unterdessen für seine Grenzschließung für serbische Staatsbürger. Kroatien spiele „damit seine erst seit Kurzem gewonnene Macht als EU-Mitglied aus. Kroatien war es auch, das seine Grenzen zuvor schon für den Lkw-Verkehr aus Serbien gesperrt hatte. (...) Geht es noch?“, so Lunacek am Donnerstag in einer Aussendung.

„Schlagbaum-Revanchefouls“ dürften in Europa nicht zum Prinzip werden, verlangte die Kosovo-Berichterstatterin des EU-Parlaments. Lunacek sieht die Eskalation auch vor dem Hintergrund der Neuwahlen in Kroatien im November. „Hier darf die EU nicht untätig zuschauen, bis sich die aktuellen Schuldzuweisungen, angeheizt von kriegsgeschichtlichen Ressentiments, zu einem großen Konflikt zwischen Serbien und Kroatien und anderen Ländern der Region auswachsen.“

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