Themenüberblick

„Ab durch die Mitte“

Armin Assinger moderiert die „Millionenshow“ seit 2002. Davor war er selbst schon einmal bei Barbara Stöckl zu Gast in der Promiversion des Ratespiels. Nervös war er dabei nicht. Wer schon mit 140 km/h eine Skipiste hinuntergerast ist, den kann auch eine Frage über Geckos nicht schockieren. Über die Anfeindungen gegen seine Person ist Assinger mittlerweile hinweg.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

ORF.at: Zuerst die Millionenfrage: Wodurch können Geckos senkrecht Wände hochklettern?

Assinger (lacht): Sie haben feine Härchen, damit sie sich an der Wand festhalten können. Das war nämlich meine verhängnisvolle Frage damals bei der „Promi-Millionenshow“, vor mittlerweile 14 Jahren. Damals moderierte noch Barbara Stöckl. Ich habe auf Saugnäpfe getippt. „Feine Härchen“ wäre die richtige Antwort gewesen. Ich habe dann zu Hause nachgelesen, dass das natürlich auch kleine Saugnäpfe ermöglichen. Aber es war so oder so eine Ratefrage für mich. Ich wusste es nicht.

ORF.at: Was war das für ein Gefühl, Gast bei der „Millionenshow“ zu sein und dort zu sitzen? Sie wussten da ja noch nicht, dass sie das einmal moderieren würden.

Assinger: Mir hat das sehr getaugt. Ich habe ohne zu zögern Ja gesagt, als ich gefragt wurde, für „Licht ins Dunkel“ mitzumachen. Ich habe das auch als Chance gesehen zu zeigen, dass ich zwar Skifahrer war, als Experte Skirennen moderiert habe und dass ich die zwei kleinen Shows „Glück gehabt“ und „Extrem“ moderiert habe - dass ich aber auch ein bisschen etwas darüber weiß, was in der Welt passiert. Dieser Ehrgeiz war mein Antrieb.

ORF.at: Wie hoch war der Grad an Nervosität?

Assinger: Keine Nervosität. Minimal. Bei Skirennen war ich nervös, weil ich mich gefragt habe: Wie bringe ich die Trainingsleistung rüber? Wird es mir gelingen, bei 140 km/h den Schwungansatz für diese und jene Kurve auf den halben Meter genau zu treffen? Bei Barbara Stöckl habe ich nicht gewusst, was auf mich zukommt. Ich habe gewusst, es kommen Fragen, aber nicht, wie die aussehen werden. Also war es obsolet, nervös zu sein. Was ich weiß, das weiß ich. Und wenn die Opernfrage nach dem dritten Lohengrin von den Festspielen kommt - dann stehe ich eben daneben. Das werden sie mir zugestehen, dachte ich.

ORF.at: War diese Teilnahme auch der Grund, warum Sie sich beworben haben?

Assinger: Ich habe mich nicht beworben. Ich bin witzigerweise ein halbes Jahr später gefragt worden, ob ich nicht zum Casting kommen möchte. Sieben, acht ganz große Prominente haben da mitgemacht, von ihrer TV-Herkunft breit gefächert. Klar mache ich da mit, dachte ich mir - „ich bin ja nicht deppert“. Ich hatte mir nichts erwartet, wollte aber eine Duftmarke setzen, damit sie im ORF sehen: Hoppala, den Assinger könnten wir für etwas anderes auch nehmen. Dass ich gegen die ganzen Kapazunder das Casting gewinne, war für mich absolut nicht vorhersehbar.

Es gab für die Medien ganz andere Favoriten. Ausgerechnet ich sollte da eine Chance haben? „Werde munter, Burli“, habe ich zu mir selbst gesagt. Deshalb war ich umso überraschter, dass es so weit gekommen ist. Ich habe beim Casting einfach dasselbe gemacht, was ich bis heute mache, wie ich auch schon Skirennen zuvor moderiert hatte. Ich bin rausgegangen, habe in Mundart gesprochen, versucht, das mit einem Schmäh zu machen, anders zu machen ... Ich habe einfach mein Ding gemacht. Und das hat funktioniert.

ORF.at: Hat es am Anfang viele Menschen gegeben, die angezweifelt haben, ob ein Sportler für ein Wissensquiz wirklich geeignet ist?

Assinger: Ja, freilich. Mein Gott. Ich werde nie diesen Eintrag auf meiner Homepage vergessen: „Du dumme Bauernsau, bleib zuhause bei Deinen Kühen.“ Viele haben sich gedacht: „Der war durchschnittlich erfolgreicher Skifahrer, dann tut er ein bissl kommentieren und jetzt soll er da in Mundart eine Primetime-Sendung moderieren? Das geht ja nicht! Aus Kärnten auch noch, das ist sowieso suspekt.“ Das war so komisch. Sie haben mir die Intellektualität abgesprochen.

Das hat mich aber motiviert. Ich hab schon beim Sport immer allen etwas beweisen müssen. Nicht zuletzt mir selbst. Wenn es etwa darum gegangen ist, eine Qualifikation zu schaffen, etwa für Olympia oder eine Weltmeisterschaft. Das hat mich motiviert. Es gibt auch die Negativmotivation, die aus dem „Jetzt erst recht“-Gedanken resultiert. Noch heute belächeln mich manche Zeitgenossen. Die kenne ich. Aber mein Gott. Wenn sie nicht mehr über mich reden, wär’s schlimmer.

ORF.at: Haben Sie eigentlich manchmal Mitleid mit Ihren Kandidaten?

Assinger: Mitleid klingt mir zu großkotzerisch. Aber ich freue mich sehr, wenn Fortuna darauf geschaut hat, wer da in die Mitte kommt. Wenn jemand weit kommt, der Schulden hat, alleinerziehend ist, arbeitslos ist oder eine Scheißpension bezieht - dann taugt mir das natürlich. Dann denke ich mir: Heute hat’s wieder einmal gepasst und den Richtigen erwischt.

ORF.at: Erleben Sie oft Überraschungen, wo Sie vorher dachten: Das wird bei dem oder der nichts werden - und dann kommen die doch weit. Oder umgekehrt?

Assinger: Genau so ist es. Das kommt oft vor. Ich kann mich noch sehr gut an eine meiner ersten Sendungen erinnern, wo ein Staplerfahrer hereinkommt. Der war recht stark gebaut, hat geschwitzt und war nervös. Da war ich neugierig. Und der hat 75.000 Euro gewonnen! Der hatte viel Zeitung gelesen. Der hatte keine Familie. Neben dem Schichtdienst hatte der viel Zeit zum Lesen, auch Tratschzeitungen. Hatte Magazine im Fernsehen gesehen, auch Wissenschaftsmagazine und Sendungen wie „Universum“. Der konnte sich alles zusammenreimen. Das hat mir so gefallen. Ein Kandidat, den ich nie vergessen werde. Das war eine lässige Performance - die ich ihm nicht zugetraut hätte.

Dann passiert es auch umgekehrt: etwa wenn Gymnasialprofessoren bei unglaublich simplen Fragen versagen - noch dazu aus dem eigenen Fachgebiet. Vor Überraschungen ist man in beide Richtungen nicht gefeit. Ich habe mir seit damals abgewöhnt, mit Vorurteilen und Stereotypen dort hineinzugehen. Ich lasse mich überzeugen. Schauen wir einmal. Es ist nicht immer die Bildung, die den Unterschied macht.

ORF.at: Was macht den Unterschied?

Assinger: Oft ist es der Mut zum Risiko. Dass man etwa auf einen Joker verzichtet, auch wenn man sich nur zu 80 Prozent sicher ist. Weil der Joker später noch wichtiger wird. Wer zu früh den Joker nimmt, dem geht er oben ab. Da muss man im richtigen Moment mit Risiko vorgehen: „Da klemme ich die Arschbacken zusammen und gehe ab durch die Mitte.“ Das haben die Millionäre den anderen voraus, zusätzlich zu ihrem Wissen.

ORF.at: Gibt es Highlights aus den letzten 14 Jahren?

Assinger: Die Freude der Millionäre. Der letzte Gewinner, ein junger Bursch. Der hat sich so gefreut, dass er auf den Sessel gehüpft ist und fast heruntergefallen wäre. Ich hatte schon Angst, dass der sich den Fuß bricht. Der war gscheit und knallhart. Der hatte den Brockhaus durchgearbeitet, einige Monate lang. Aber Glück brauchst du auch, dass genau so eine Auswahlfrage am Anfang kommt, bei der du wirklich schnell bist. Wenn es blöd läuft, bist du Zweitschnellster: ein paar Monate für die „Millionenshow“ umsonst investiert. Nur fürs Leben gelernt.

ORF.at: Bleibt während der Drehphasen noch Zeit für Sport?

Assinger: Ich gehe in Köln immer ins Fitnesscenter. Da lese ich auf dem Standfahrrad die Moderationskarten, wo die Lebensläufe der Kandidaten draufstehen. Da überlege ich mir ein bisschen, was ich zu ihnen dann sagen werde. Ich kann beim Radeln gut lesen. Einmal Zeit, doppelter Effekt. Da schwitze ich vor mich hin, bin entspannt, und fahre ins Studio.

ORF.at: Was macht den Job nach bald 14 Jahren noch immer schön?

Assinger: Abgesehen von der Musik, den Scheinwerfern, die runterkommen, ist nichts Routine. Jeder ist anders. Sitzt mir einer wie Sie gegenüber, mit einem leichten Vollbart und einem leichten Grinser, da denke ich mir: Was ist da los? Bei dem Burschen muss ich erst einmal draufkommen. Sitzt da eine ältere Dame? Oder ein 21-Jähriger? Es ist jeder Kandidat anders. Das macht für mich den Reiz aus.

Und die Fragen sind anders. Ich spiele für mich selbst immer mit: Weiß ich das jetzt? Scheiße, das weiß ich nicht. Und der sagt, er nimmt jetzt diese Antwort. Ich denke mir: Das kann der doch nicht machen, wenn der das nicht weiß. Dem muss ich einen Joker reindrücken. So spiele ich für mich mit. Das ist immer interessant und abwechslungsreich.

Außerdem machen wir jetzt nur noch einmal pro Woche eine Sendung - 40 im Jahr, früher waren es an die 100. Jetzt bleibt Zeit für anderes. Vorträge, Motivationstraining, Moderationen, Bücher schreiben, Skirennen kommentieren. Es wird nie fad. Insofern freue ich mich immer von einer Aufgabe auf die nächste. Morgen habe ich einen Auftrag. Dann freue mich schon aufs Wochenende. Dann fahre ich am Montag wieder nach Köln, wo die „Millionenshow“ gedreht wird. Dann ist mein Fokus dort. Komme ich zurück, habe ich Donnerstag und Freitag schon wieder zwei Vorträge.

So hantel ich mich von Aufgabe zu Aufgabe und freue mich jedes Mal, weil jede anders ist. Deshalb macht mir das alles zusammen Freude. Ich tu das gerne.

ORF.at: Seit so vielen Jahren funktioniert das Format international und kommt immer noch sehr gut bei den Zusehern an. Was ist das Erfolgsrezept?

Assinger: Seit es Fernsehen gibt, gibt es Quizsendungen. Das gehört dazu. Und die „Millionenshow“ punktet durch die Einfachheit des Formats. Du hast vier Fragen zur Auswahl und ein paar Hilfen. Wennst ganz vif bist, gewinnst eine Million innerhalb einer halben Stunde und veränderst dein Leben dadurch vollkommen. Die „Millionenshow“ wurde oft kopiert. Nichts davon hat sich durchgesetzt. Die „Millionenshow“ ist ein Dampfer, den du fast nicht versenken kannst. Die „Millionenshow“ ist das Original. Alles andere sind Abklatsche.

Und vor allem: Es ist eine klasse Show zum Mitspielen. Das ist wie bei der Urform des Fernsehens. Da sitzen wir zu zweit zu Hause vor dem Fernsehen. Wer ist jetzt der Gescheitere von uns zwei? „Was sagst du?“ „Ich sag A.“ „Spinnst? Ich sag C.“ „Opa, was sagst denn du?“ „Ihr habt alle keine Ahnung, es ist nämlich B.“ So ergibt sich eine Diskussion. Die Leute spielen mit. Und die Auflösung wird gleich mitgeliefert. „Ich sag’s euch ja: Der Opa ist am gscheitesten.“ Das alles in Summe macht den Reiz der „Millionenshow“ aus.

Das Gespräch führte Simon Hadler, ORF.at