Ruf nach neuen Überprüfungen
Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen in den USA rückt die gesamte Autobranche ins Zwielicht. In Europa kritisieren Umweltverbände und einige Politiker schon seit Jahren die umstrittenen Messverfahren in der Branche. Der reale Treibstoffverbrauch und die Schadstoffemissionen liegen oft deutlich über den Ergebnissen der Tests, mit denen die Autokonzerne werben.
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Der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert nun Nachprüfungen bei allen Abgastests. Laut VCD sind die Manipulationen nur die „Spitze des Eisbergs“. Der VCD habe den Verdacht, dass die Abgaswerte bei offiziellen Tests viel niedriger sind als im realen Verkehr, schon 2013 geäußert und in den Folgejahren immer wieder Nachprüfungen gefordert, hieß es am Montag weiter.
„Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass neben Volkswagen auch andere Konzerne die Abgaswerte manipulieren, und das nicht nur in den USA“, so der verkehrspolitische Sprecher, Gert Lottsiepen. Auch nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) setzen andere Hersteller ähnliche Methoden wie VW ein, um die Abgaswerte zu beschönigen. Die DUH warf der Regierung vor, „auf Druck der Autoindustrie“ keine wirksamen Maßnahmen zu ergreifen.
Autos sollen im Realbetrieb getestet werden
In dasselbe Horn stößt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Alle Dieselfahrzeuge, die die neue Euro-6-Norm erfüllen, müssen auf den Prüfstand“, so der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Die Kosten für eine Rückrufaktion und eventuell notwendige Nachrüstungen müssten die Hersteller übernehmen.

APA/EPA/Jochen Luebke
Finaler Check eines VW in der Werkshalle
Auch Weiger kritisierte die Messverfahren in Deutschland: „Im Testbetrieb schneiden Dieselfahrzeuge oftmals besser ab als im Realbetrieb, weil beispielsweise die Testmessungen nur bis zu einer Maximalgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern durchgeführt werden.“ Auf Autobahnen werde aber erheblich schneller gefahren. Daher müssten alle Autos ab sofort im Realbetrieb auf Schadstoffe getestet werden.
Ministerium fordert „belastbare Informationen“
Der deutsche Wirtschaftsminister, Sigmar Gabriel (SPD), forderte am Montag, Messwerte generell zu überprüfen. Gabriel sprach von einem „schlimmen Vorfall“. „Made in Germany“ sei aber nach wie vor weltweit ein Qualitätsmerkmal, das dadurch nicht in Gefahr gerate. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltbundesministerium, forderte derweil die Autohersteller auf, zu klären, ob auch „Abgaswerte anderer Pkw-Modelle in dieser oder ähnlicher Weise manipuliert wurden oder werden“.
„Wir erwarten von den Automobilherstellern belastbare Informationen, damit das Kraftfahrtbundesamt prüfen kann, ob vergleichbare Manipulationen am Abgassystem auch in Deutschland oder in Europa stattgefunden haben.“ Sein Ministerium habe keine Erkenntnisse über möglicherweise weitere Irregularitäten bei der Abgassteuerung von Kfz-Herstellern.
BMW und Daimler: „Nicht betroffen“
BMW ist nach eigenen Angaben von dem VW-Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Tests in den USA nicht betroffen. Bei Überprüfungen eines Dieselfahrzeugs habe es keine auffälligen Abweichungen der Werte gegeben, erklärte das Unternehmen am Montag in München. Deshalb sei BMW auch nicht von den zuständigen Behörden kontaktiert worden.
Wie sich der Skandal auf den Absatz von Dieselfahrzeugen in den USA auswirken werde, lässt sich nach Einschätzung von BMW noch nicht beurteilen. Für BMW machen diese Fahrzeuge bisher erst einen kleinen Anteil aus: In den letzten Jahren habe der Absatz von Dieselwagen in den USA drei bis sechs Prozent des gesamten Absatzes ausgemacht - höchstens rund 20.000 Fahrzeuge jährlich. In den ersten acht Monaten 2015 verkaufte BMW 8.500 Dieselautos.
Auch der Autokonzern Daimler ist nach eigener Darstellung nicht von den Ermittlungen der US-Umweltbehörde betroffen. „Es gibt nach unseren Erkenntnissen keine Untersuchungen zu Mercedes-Benz“, sagte ein Daimler-Sprecher am Montag in Stuttgart.
Realitätsgetreuere Bedingungen in den USA
Dass bei den Abgastests nichts dem Zufall überlassen wird und alle Register gezogen werden, ist demnach bekannt. Selbst auf den Reifendruck werde dabei geachtet, berichtete der „Spiegel“ (Onlineausgabe) am Montag. Für die kurze Strecke im Test seien sie weit härter aufgepumpt als erlaubt.
Die Testbedingungen in den USA sind nun allerdings weitaus härtere als in Europa, denn in den USA pickt sich die US-Umweltbehörde EPA einzelne Autos aus der Serie heraus. Der Fahrzyklus ist den Alltagssituationen außerdem wesentlich genauer nachgebildet, wie „Spiegel“ beschreibt: zum Beispiel mit einigen Kilometern bei kaltem Motor oder im Stop-and-go-Verkehr. Das Abgasverhalten liegt damit viel näher an der Realität als in Europa.
Gute Werte nur im Test
Genau diesen Umstand versuchte VW auszuhebeln, indem eine Software eingebaut wurde, die erkennt, wenn ein Auto im Prüflabor steht. Laut EPA hat Volkswagen mittels dieser Software den Schadstoffausstoß nur bei offiziellen Tests vollständig kontrolliert, nicht aber beim normalen Betrieb der Autos. Die Dieselfahrzeuge stießen folglich im regulären Straßenverkehr mehr Stickoxide aus als erlaubt. Stickoxide werden als gesundheitsschädlich eingestuft und können zu Atemwegserkrankungen führen.
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