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„Brauchen jetzt Unterstützung“

Die bisher dramatischste Entwicklung in den Fluchtbewegungen aus Syrien steht nach Meinung von Fabrice Leggeri, dem Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex, unmittelbar bevor: In den nächsten Wochen werden laut seinen Worten so viele Familien mit Kindern die Gefahren des Fluchtwegs in die EU auf sich nehmen wie noch nie.

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Familien mit kleinen Kindern scheuten die Flucht wegen der damit verbundenen Gefahren bisher am ehesten. Die Bedrohungen in ihrer Heimat überwiegen offenbar nun für viele. In einem Interview mit mehreren internationalen Zeitungen („Welt“, „El Pais“ und andere, jeweils Montag-Ausgaben) zitierte Leggeri Einschätzungen der Risikoanalysten seiner Behörde, wonach Familien nun „jede Chance“ nützen würden, um in Europa Schutz zu finden.

„Dringende“ Mahnung zu Einheit

Für die Familien sei jetzt der Zeitpunkt der Entscheidung, bevor der Wintereinbruch eine Überfahrt noch riskanter macht. Den Schätzungen zufolge warten laut Leggeri allein an der türkischen Westküste derzeit bis zu 500.000 Flüchtlinge darauf, die Überfahrt nach Griechenland zu wagen. „Die Geschwindigkeit und Dynamik des Flüchtlingszustroms bleibt weiterhin außergewöhnlich hoch“, sagte der Frontex-Chef.



Pfadfinder betreuen Flüchtlingskinder

APA/Neumayr/MMV

Flüchtlingskinderbetreuung am Sonntag in der Tiefgarage des Hauptbahnhofs Salzburg

Leggeri forderte angesichts der Situation, „dass wir dringend zu einem einheitlichen europäischen Grenzmanagement finden müssen“. Zugleich betonte er, dass das aus seiner Sicht nur ein Baustein sein könne in einer großen Strategie zur Bewältigung der gegenwärtigen europäischen Krise im Umgang mit Flüchtlingen. Auch seine Behörde brauche mehr „Unterstützung seitens der Länder“ - „und die brauchen wir jetzt“.

Arbeit an Registrierungssoftware

Frontex wolle die systematische Erfassung der Flüchtlinge verbessern. Seine „Vision“ sei es, „dass Frontex künftig ein ganzes Registrierungspaket anbieten kann - die Technologie, die nötigen Geräte und auch diejenigen, die die Geräte bedienen“, so Leggeri. Eine geordnete Registrierung an den europäischen Außengrenzen sei schließlich auch die notwendige Basis, um künftig die Flüchtlinge im Falle einer Einigung auf EU-Quoten systematisch auf die Mitgliedsstaaten verteilen zu können.

Europa sieht sich derzeit mit der schwersten Flüchtlingskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges konfrontiert. Pläne der EU-Kommission für verpflichtende Quoten scheiterten bisher insbesondere am Widerstand osteuropäischer Länder. Viele Flüchtlinge versuchen aus Afrika über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Bei der gefährlichen Überfahrt kommen immer wieder Menschen ums Leben. Schon in den letzten Tagen und Wochen mehrten sich die Bilder und Nachrichten von auf der Flucht gestorbenen Kindern.

Lage an slowenisch-kroatischer Grenze gespannt

Allein am Sonntag kamen 10.700 Flüchtlinge über die burgenländische Grenze nach Österreich. Die meisten, nämlich 10.500, hätten den Grenzübergang Nickelsdorf passiert, teilte die Polizei am Montag mit. Weitere 200 Menschen reisten laut Polizei über Heiligenkreuz ein. Keiner von ihnen habe unter freiem Himmel schlafen müssen, hieß es. Trotz Stacheldrahts und scharfer Grenzkontrollen in Ungarn, Kroatien und Slowenien hatten am Samstag laut dem Roten Kreuz bis zu 13.000 Flüchtlinge Österreich erreicht.

Flüchtlingsfamilie mit Kindern an der slowenisch-steirischen Grenze

APA/Erwin Scheriau

Eine Flüchtlingsfamilie zwischen Slowenien und Österreich am Sonntag

An der kroatisch-slowenischen Grenze warteten am Sonntag einige hundert Menschen auf die Weiterreise nach Norden, viele mussten im Freien übernachten. In die wenigen Busse, mit denen die Flüchtlinge zur Registrierung in die Erstaufnahmezentren gebracht wurden, wurden vorrangig Familien, Ältere und Invaliden gelassen. An den Grenzübergängen Obrezje und Rigonce, den beiden Einreisepunkten von Kroatien nach Slowenien, war die Stimmung deswegen angespannt, wie Medien berichteten.

„Einige tausend“ am Montag erwartet

In Nickelsdorf stieg die Zahl der Flüchtlinge am Montagvormittag auf rund 3.200. „Es sind seit 3.00 Uhr Früh 2.200 Menschen gekommen. Um 6.30 Uhr ist außerdem ein Zug mit etwa 1.000 Flüchtlingen in Hegyeshalom in Ungarn angekommen, die gerade eintreffen“, sagte Polizeisprecher Helmut Marban gegenüber der APA. Für den weiteren Tag rechne man „mit einigen tausend“ Flüchtlingen. In Heiligenkreuz sind unterdessen etwa 150 bis 160 Personen. „Der Weitertransport (aus Nickelsdorf und Heiligenkreuz, Anm.) mit Zügen und Bussen wird gerade vorbereitet“, so Marban.

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