Von Bus zu Bus
Kroatien hat am Freitag wie von Ministerpräsident Zoran Milanovic angekündigt mit dem Transport von Flüchtlingen nach Ungarn begonnen. „Wir organisieren Transporte von Migranten (...) nach Ungarn“, sagte ein Vertreter des Innenministeriums in Zagreb, der nicht namentlich genannt werden wollte.
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Laut der Nachrichtenagentur AFP kamen mehr als 20 Busse mit jeweils etwa 60 Menschen an Bord an der Grenze zwischen beiden Ländern an. Danach erklärte die ungarische Polizei, dass man den Grenzübertritt zugelassen habe, nachdem mehr als zehn kroatische Busse die Migranten in das Dorf Beremend gefahren hatten.
In Richtung österreichischer Grenze gefahren
Nach Angaben der ungarischen Polizei sollten die Flüchtlinge zu Registrierstellen in den Orten Vamosszabadi und Szentgotthard nahe der österreichischen Grenze gebracht werden. Vamosszabadi liegt in der Nähe von Györ und damit unweit von Nickelsdorf, Szentgotthard an der ungarischen Seite des Grenzübergangs in Heiligenkreuz im Lafnitztal.
Nach eigenen Angaben hoffen die ungarischen Behörden, dass die Flüchtlinge bei der Registrierung kooperieren. Zuvor waren sie für den Weitertransport in 21 ungarische Busse umgestiegen, hieß es. Kroatische Medien jubelten: „Korridor nach Westen geöffnet“, hieß es beispielsweise. Rund 3.500 Flüchtlinge hätten Kroatien schon verlassen und seien in Ungarn auf den Weg nach Österreich gebracht worden.
„Keine Info im Vorfeld“
Das Innenministerium in Wien sei von den ungarischen Behörden im Vorfeld nicht informiert worden, dass Busse mit Flüchtlingen in Registrierungsstellen nahe der österreichischen Grenze gebracht werden, hieß es am Freitagabend. Weiters erklärte ein Sprecher des Ministeriums, die Behörden seien aber vorbereitet, sollte es wieder zu Übertritten von Flüchtlingen aus Ungarn nach Österreich kommen.
Nach Angaben des Innenministeriums behält man sich vor, aus Ungarn kommende Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen. Sollten die Flüchtlinge nicht vorhaben, Asyl zu beantragen, werde ihnen die Einreise verweigert, sagte ein Sprecher des Ministeriums.
Unterdessen traf ein Zug mit 830 Flüchtlingen aus der ostkroatischen Kleinstadt Beli Manastir im südungarischen Grenzbahnhof Magyarboly ein, berichtete das im südungarischen Pecs ansässige Internetportal Bama.hu. Offizielle Bestätigungen lagen nicht vor.

AP/Balazs Mohai
Die Flüchtlinge mussten an der Grenze aussteigen
Ungarn: „Lüge“ nicht verbreiten
Das ungarische Außenministerium ersucht die kroatische Regierung in Zagreb um Aufklärung. Kroatische Polizisten würden Gerüchte unter den Flüchtlingen verbreiten, wonach sich der ungarische und kroatische Innenminister über den Transport der Migranten an die ungarische Grenze geeinigt hätten. Das sei „eine Lüge“, so das Außenministerium.
Die ungarische Regierung forderte die kroatische Seite mit Nachdruck auf, die kroatischen Polizisten sollten die „Verbreitung solcher Lügen“ umgehend beenden, heißt es in der Aussendung.
EU-Kommission rügt Kroatien
Die EU-Kommission kritisierte Kroatien für die Umleitung der Flüchtlinge nach Ungarn. Migranten weiterreisen zu lassen, ohne sie zu registrieren, sei „in der Tat nicht mit den EU-Regeln vereinbar“, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Freitag in Brüssel. Nach den sogenannten Dublin-Regeln ist dasjenige EU-Land für einen Asylbewerber und dessen Asylverfahren zuständig, in dem dieser erstmals europäischen Boden betreten hat. Das Land muss den Flüchtling registrieren und seine Fingerabdrücke nehmen. Die Sprecherin sagte, wenn Flüchtlinge sich weigerten, Asyl zu beantragen, könnte ihnen die Einreise verweigert werden.
Aufnahmekapazität „erschöpft“
Obwohl Kroatien sieben Grenzübergänge zu Serbien geschlossen hat, kommen in dem EU-Land weiterhin zahlreiche Flüchtlinge über die neue Hauptroute an. Man erwartet noch mehr Menschen. Die Regierung ist mit dem Andrang offenbar überfordert. Die Zahl von 14.000 Menschen, die seit Inkrafttreten der rigiden ungarischen Gesetze nach Kroatien gelangten, zeigt, dass „unsere Aufnahmekapazitäten erschöpft sind“, so Innenminister Ranko Ostojic am Freitag laut dem Fernsehsender N1.
„Plan B“ in Kraft gesetzt
„Die ankommenden Menschen werden sich nicht mehr in Kroatien aufhalten können, außer dass wir ihnen Wasser und Nahrung geben und sie behandeln, wenn sie krank sind“, erläuterte Milanovic am Freitag den „Plan B“ seiner Regierung. Daher müsse das Land „neue Methoden“ anwenden, die sich aber von jenen Ungarns unterscheiden würden. Am Nachmittag begann schließlich die Aktion mit der Überstellung der Flüchtlinge zur ungarischen Grenze.

Grafik: Omniscale/OSM/ORF.at
„Sind sie nicht sauber genug?“
Milanovic kritisierte die Weigerung der beiden Nachbarländer Slowenien und Ungarn, die ankommenden Flüchtlinge durchreisen zu lassen. „Ich verstehe nicht, wo das Problem ist, wenn die Leute durch Slowenien und Ungarn reisen. Sind sie nicht sauber genug?“, sagte er nach Angaben der slowenischen Nachrichtenagentur STA. „Wenn Deutschland kein Problem darin sieht, die Migranten aufzunehmen, warum machen Ungarn und Slowenien Probleme?“
Der EU warf Milanovic vor, Kroatien mit dem Problem alleinzulassen und sich um eine Lösung zu drücken. Die jetzige Grenzschließung gilt laut dem kroatischen Innenministerium bis auf Weiteres. Geschlossen sind die Übergänge Tovarnik, Ilok, Ilok 2, Principovac, Principovac 2, Batina und Erdut.
Ungarn baut Grenzzaun zu Kroatien
Die ungarische Regierung baut nun auch an der Grenze zu Kroatien einen Stacheldrahtzaun, um - wie bereits an der Grenze zu Serbien und bald auch Rumänien - die Ankunft weiterer Flüchtlinge zu verhindern. 500 Soldaten hätten in der Nacht mit dem Bau der Absperrung begonnen, so Ministerpräsident Viktor Orban am Freitag. Auch er beklagte mangelnde Unterstützung durch die anderen EU-Staaten in der Flüchtlingskrise. „Es scheint, dass wir uns auf niemanden verlassen können“, sagte der rechtsnationalistische Politiker.

Reuters/Srdjan Zivulovic
Abseits der Wege schlagen sich die Flüchtlinge in Kroatien über die Grenze
Ungarn verhängte zudem auch über Regionen an der Grenze zu Kroatien den Krisenzustand. Das ermächtigt die Behörden zu einem besonderen Vorgehen gegen Migranten. Ähnlich war Ungarn auch im Südosten des Landes vorgegangen. Statt sich um die Flüchtlinge zu kümmern und sie zu registrieren, schicke Kroatien die Menschen in Richtung Ungarn und Slowenien, begründete Außenminister Peter Szijjarto die Maßnahme. Die Polizei erklärte, sie habe bereits einige hundert Flüchtlinge festgenommen, die von Kroatien nach Ungarn gekommen seien.
Von Kroatien nach Slowenien
Immer mehr Schutzsuchende schaffen es aus Kroatien über die grüne Grenze nach Slowenien zu kommen. Nach offiziellen Informationen befanden sich um 14.00 Uhr rund 250 Flüchtlinge in dem Erstaufnahmezentrum in Brezice. Laut informellen Informationen und Prognosen aus dem Innenministerium werden dort am Freitag insgesamt 1.000 Flüchtlinge erwartet. Die Polizei greift die Flüchtlinge, die überwiegend aus Syrien, dem Irak und Afghanistan stammen, in der Nähe der Grenzübergänge Obrezje und Rigonce auf. Um nach Slowenien zu gelangen, müssen die Flüchtlinge teilweise den Grenzfluss Sotla überqueren, der an vielen Stellen nur kniehoch ist.
Die Polizeibesetzung an der Grenze ist sichtbar verstärkt. In dem kroatischen Grenzdorf Harnice rund 200 Meter von der slowenischen Grenze entfernt haben am Freitagnachmittag rund 50 arabischsprachige Flüchtlinge ausgeharrt. Darunter waren viele Kleinkinder und Babys. Eine kroatische Hilfsorganisation stellte am Donnerstag inmitten des Dorfes Zelte auf und versorgt die Menschen mit Nahrung und Bekleidung. Die meisten Flüchtlinge seien in der Nacht gekommen, viele inzwischen schon wieder aufgebrochen, hieß es. Am Tag trafen sie vereinzelt auch mit den lokalen Linienbussen in dem Grenzdorf ein.
Sloweniens Innenministerin Vesna Gjerkes Znidar hatte zuvor jedoch hervorgehoben, dass eine unkontrollierte Weiterleitung von Flüchtlingen gegen EU-Recht verstoße. Die Polizei kündigte zudem die verstärkte Überwachung durch Hubschrauber und Patrouillen an. Derzeit reagieren viele EU-Länder auf die Flüchtlingskrise mit verschärfter Grenzkontrolle. Auch Österreich, Deutschland und die Slowakei hatten kürzlich wieder Grenzkontrollen eingeführt. Polen und die Niederlande erwägen diesen Schritt.
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