Die Masche mit der Masche
Produzieren für den Müll: Bei vielen Elektrogeräten ist das Prinzip bereits bekannt – sie werden so hergestellt, dass sie nach kurzer Zeit defekt sind. Doch Sollbruchstellen gibt es auch in Kleidung. Die gesamte Bekleidungsindustrie funktioniere nach diesem System, sagen Experten. Die Käufer suchen die Schuld oft bei sich, dabei ist die Lebenszeit etwa von Leiberln schon beim Kauf gezählt.
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Ob T-Shirt, Pullover oder Hose, Kleidungsstücke reißen heute schneller, bekommen häufiger Löcher und landen schon kurz nach dem Kauf in der Mülltonne oder im Altkleidercontainer. Meist ist es günstiger, sich immer wieder neue Kleidung zu kaufen, als das alte Gewand wiederherzustellen. Vermeiden kann man die Löcher auch nicht: Hinter löchrigen T-Shirts stecke nicht etwa der falsche Waschgang, sondern ein exakt berechnetes System, so Wirtschaftswissenschaftler und Autor Christian Kreiß im Gespräch mit ORF.at.
Auch Marken-Shirts reißen
„Wenn ich ein Bekleidungshersteller bin, dann ist das mein ökonomischer Ruin, wenn ich die Kleidungsstücke ewig haltbar mache“, sagte Kreiß. Andere Ursachen für Löcher wie Motten oder Reibung mit Accessoires wie Gürtel, seien eher die Ausnahme.
Nicht nur die billigen T-Shirts seien betroffen, auch Markenkleidung folge demselben System. Nur dass hier die Preisaufschläge höher seien: „Gerade im Modebereich haben Markenklamotten unglaubliche Preisaufschläge, die nichts mehr mit der Qualität der Herstellung zu tun haben. Soll das T-Shirt dann doch zwei Jahre halten und sich in der Qualität etwas abheben, ist der Aufschlag gleich viermal so hoch“, so Kreiß.
EU-weit keine Qualitätskontrollen
Verbraucher stehen in diesem Spiel auf der Verliererseite. Sie können sich nur die Rechnung aufheben und gekaufte T-Shirts reklamieren. Dafür haben sie durchschnittlich ein halbes Jahr Zeit. Danach wird es nicht so leicht, sein Geld zurückzubekommen. Warum dürfen Hersteller Kleidungsstücke mit so schlechter Qualität produzieren? Die Antwort liege in den rechtlichen Bestimmungen innerhalb der EU, so Gerda Pongratz, Sprecherin des Instituts für Ökologie, Technik und Innovation.
„Im Moment gibt es aus EU-Sicht keine Mindestanforderungen für Eigenschaftskriterien – außer eben der allgemeinen EU-Richtlinie zur Produktsicherheit“, so Pongratz weiter. Produkte, die nicht für eine spezifische Verwendung wie beispielsweise Schutzkleidung hergestellt werden, unterliegen keiner speziellen Anforderung. Bevor die Produkte auf den Markt kommen, müssen sie also nicht auf ihre Haltbarkeit überprüft werden.
Strümpfe als Vorreiter der Massenproduktion
Das Tricksen mit den Sollbruchstellen hat Geschichte, und sie beginnt mit einem Strumpf. Vor 75 Jahren hat der Chemiekonzern DuPont mit dem Nylon die erste Kunstfaser der Welt erfunden. Der Konzern diente ab diesem Moment als Vorreiter bei der Massenherstellung von Kleidungsstücken. Die Strümpfe waren anfangs fast unverwüstlich und außerordentlich beliebt.
Mit der Zeit aber verkürzte DuPont über chemische Prozesse die Haltbarkeit der Nylon-Damenstrümpfe. Damit die damals begehrten Strümpfe dennoch lange hielten, entstanden in den 1940er Jahren eigene Reparaturstellen – damals war es billiger, Laufmaschen in den Strümpfen zu reparieren, als neue zu kaufen. DuPont setzte seine Experimente mit chemischen Zusatzstoffen fort, und die Strümpfe wurden nach und nach zu einem Wegwerfprodukt. Was mit DuPont begonnen hat, ist heute gängige Praxis in der Textilbranche.
Nicht nur Kleidung, auch Möbel hätten ihr geplantes Ablaufdatum, schreibt Kreiß in seinem Buch „Geplanter Verschleiß“: „Sesselpolster werden offensichtlich so gestaltet, dass eine bewusst niedrigere Haltbarkeit herbeigeführt wird.“ Ein Ingenieur könne genau timen, wann der Polster, den er gerade herstellt, abgenutzt ist. Mit „Wetzeinheiten“ werde die Lebensdauer der Polster im Vorhinein berechnet.
Ausgefeilte Technik
Die ausgefeilte Technik in der Textilindustrie sei heute weit fortgeschritten und ausgefeilt, so Kreiß, „das hat große Auswirkungen auf die Produktion und Steuerung der Qualität von Kleidungsstücken“. Für Käufer ist es sehr schwierig, die Qualität von T-Shirts, Hosen und Pullovern im Vorhinein zu prüfen, sogar der Preis sage nicht immer etwas über die Haltbarkeit aus, schreibt auch die Verbraucherzentrale Hamburg in ihrem Dossier über Kleidung. Einer Sache müssten sich Käufer aber bewusst sein, so Pongratz: Ein T-Shirt für fünf Euro werde auch nicht ewig halten.
Manuela Tomic, ORF.at
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