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Beginn im Burgenland

Nach Deutschland hat nun auch Österreich aufgrund der hohen Zahl an Flüchtlingen wieder Grenzkontrollen eingeführt. Mittwochfrüh starteten die Kontrollen nach Angaben der Polizei vorerst an den drei Grenzübergängen zu Ungarn - Nickelsdorf, Deutschkreutz und Schachendorf.

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Im Laufe des Tages werde man an zehn weiteren Übergangsstellen mit Kontrollen beginnen, sagte ein Polizeisprecher zur APA. Dann soll auch in Kittsee, Pamhagen, Klingenbach, Rattersdorf, Heiligenkreuz und Bonisdorf kontrolliert werden. Möglich sei auch, dass die Maßnahme auf die Steiermark und Kärnten ausgeweitet werden.

Polizisten kontrollieren einen Lkw an der Grenze in Nickelsdorf

Reuters/Leonhard Foeger

Kontrolle in Nickelsdorf

In Nickelsdorf baute die Polizei indes einen „Trichter“ auf der Autobahn auf, um den Verkehr zu verlangsamen. Dabei wird die Autobahn mit Einsatzautos teilweise abgeriegelt, sodass eine Fahrspur frei bleibt. Dann werden stichprobenartig die Papiere der Insassen geprüft. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte schon am Dienstag angekündigt, „schrittweise“ Grenzkontrollen aktivieren zu wollen. Die Verordnung der Regierung gilt seit Mitternacht. Am Vormittag wurden die Kontrollen in Nickelsdorf schon wieder unterbrochen. Der Einsatz könnte aber im Laufe des Tages wieder fortgesetzt werden, hieß es vonseiten der Polizei zur APA.

Nur wenige Flüchtlinge überqueren Grenze

Mit Verkehrsverzögerungen muss gerechnet werden. Die Kontrollen sollen sich aber auf das für die Sicherheit notwendige Maß beschränken, sagte Polizeisprecher Helmut Marban - mehr dazu in burgenland.ORF.at. Die Situation an der Grenze zu Ungarn ist allerdings derzeit ruhig. In der Nacht auf Mittwoch kamen nach Angaben der Polizei nur knapp 100 Flüchtlinge an. Dienstagabend trafen nach einem eher ruhigen Tag am Abend in Heiligenkreuz noch einmal etwa 500 Flüchtlinge ein. Sie wurden mit sechs Bussen nach Szentgotthard auf ungarischer Seite der Grenze transportiert. Unter den Flüchtlingen waren wieder viele Familien mit Kindern.

Soldat des Bundesheers

APA/Herbert P. Oczeret

Soldaten des Bundesheeres sollen die Polizei unterstützen

Heer unterstützt mit Assistenzeinsatz

Schon Dienstagabend startete das Bundesheer bereits seinen Assistenzeinsatz - in Zusammenhang mit den Grenzkontrollen. 635 Soldaten der Kaderpräsenzeinheiten wurden in „grenznahe Räume“ verlegt, gab das Verteidigungsministerium am Dienstagabend bekannt. Die Soldaten sollen gemäß dem Regierungsauftrag die Polizei bei Kontrollen unterstützen und humanitäre Hilfe leisten. Sie sollen „in enger Zusammenarbeit mit der Polizei“ unter anderem Transportaufgaben sowie Absicherungs- und Ordnungstätigkeiten übernehmen, hieß es seitens des Verteidigungsministeriums.

Soldaten bereiten den Grenzeinsatz vor

ORF.at/Philipp Naderer

In der Nacht auf Mittwoch bereiteten die ersten Soldaten den Einsatz vor

Die Regierung hatte das Bundesheer am Montag um den Assistenzeinsatz ersucht. Bei der Unterstützung der Hilfsorganisationen, NGOs und Freiwilligen werden sowohl Berufs- und Zeitsoldaten als auch Grundwehrdiener herangezogen. Für die Unterstützung der Polizei bei den Grenzkontrollen wird das Bundesheer auf Berufs- und Zeitsoldaten, nicht aber auf Grundwehrdiener zurückgreifen. Kontrollen an der grünen Grenze sind nicht vorgesehen. Insgesamt könnten bis zu 2.200 Soldaten eingesetzt werden. Aus Niederösterreich werden sich 100 Soldaten am Einsatz beteiligen - mehr dazu in noe.ORF.at.

Mittwochfrüh seien Soldaten des Jägerbataillons 25 aus Klagenfurt im Burgenland eingetroffen, so das Militärkommando Burgenland. Sie werden mit Angehörigen des in Güssing stationierten Jägerbataillons 19 und des Panzergrenadierbataillons 35 aus Großmittel ihren Dienst versehen. Die Truppe besteht laut Angaben des Militärkommandos aus insgesamt rund 365 Soldaten. Am Vormittag findet die erste Schulung der Soldaten durch die Polizei statt - mehr dazu in burgenland.ORF.at.

EU: Im Einklang mit Schengen

Die EU-Kommission sieht die österreichischen Grenzkontrollen in Einklang mit den Schengen-Regeln. „Die derzeitige Situation scheint auf den ersten Blick durch die Regeln gedeckt zu sein“, erklärte die EU-Kommission am Dienstag in Brüssel. Die EU-Kommission kündigte eine genaue Beobachtung der Lage an. Ziel müsse es sein, „so rasch wie möglich“ zu offenen Binnengrenzen zurückzukommen. Die von Österreich gesetzten Maßnahmen für Grenzkontrollen seien so wie jene Deutschlands provisorischer Natur.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hält die Grenzkontrollen für notwendig und sinnvoll - auch wenn die Ankommenden dennoch weiterreisen können, sofern sie nicht in Österreich um Asyl ansuchen. Es sei wichtig, dass jeder wisse, dass Kontrollen stattfinden. „Das heißt, Menschen, die kein Asylrecht haben und glauben, sie können einfach mitkommen: Da ist es schon wichtig, zu sagen, ja, es gibt Kontrollen“, sagte der Kanzler am Dienstagabend. Außerdem gelte es, gegen Schlepper vorzugehen und dramatische Situation zu verhindern. Erneut betonte Faymann das Recht auf Asyl: „Wenn jemand Asyl sagt, wird er aufgenommen“ - und durchlaufe wie gewohnt ein Asylverfahren.

Mikl-Leitner: Dublin gilt weiter

Innenministerin Mikl-Leitner sagte in der ZIB2 am Dienstag, die Dublin-III-Regeln würden weiter gelten, auch wenn jenen, die nach Deutschland weiterreisen wollen, das derzeit nicht verwehrt werde, wie sie einräumte.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner

Innenministerin Johanna Mikl-Leiter erklärt ihre Position zu den Grenzkontrollen.

Die Grenzkontrollen im Osten und Süden Österreichs würden „im Gleichklang mit Deutschland“ erfolgen, so die Ressortchefin. „Es soll ein wichtiges Signal in die Welt sein, dass es so wie es bisher war, nicht weitergehen kann, dass es keinen grenzenlosen Migrationsstrom geben kann, dass wir wieder zur Normalität zurück müssen.“ Es bedürfe vor allem einer gemeinsamen europäischen Lösung, betonte die Ministerin: „Es braucht hier vor allem eine intensive Kontrolle der EU-Außengrenzen, sowohl in Italien als auch in Griechenland.“

Keine Zurückschiebung nach Ungarn

Gefragt, was sich durch die Grenzkontrollen eigentlich ändere, sagte Mikl-Leitner, man wolle dadurch eine „geordnete Einreise“ ermöglichen. Selbstverständlich müsse es das Ziel sein, jeden zu registrieren - „das muss aber an den EU-Außengrenzen erfolgen“. Nach Ungarn werde auch nach Einführung der Grenzkontrollen niemand zurückgeschickt, betonte die Ministerin: „Zurzeit wird niemand zurückgeschoben, angesichts der Verhältnisse in Ungarn. Aber für Österreich gilt Dublin weiter. Österreich hält an Dublin fest.“ Wenn also Flüchtlinge etwa in anderen EU-Staaten wie Rumänien und Bulgarien einen Asylantrag gestellt haben, werden sie laut Mikl-Leitner in diese Staaten zurückgeschoben.

Zurückweisungen von nach Deutschland weitergereisten Flüchtlingen nach Österreich habe es bisher noch keine gegeben: „Nein, das ist (mit Deutschland, Anm.) so vereinbart“, sagte sie. Gefragt nach einer Vereinbarung, wonach Deutschland eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen aus Österreich pro Tag aufnimmt, sagte Mikl-Leitner, es habe bereits diesbezügliche Gespräche zwischen dem Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit und Vertretern Deutschlands gegeben.

Faymann: Wann wachen alle auf?

Faymann rief alle EU-Länder zum raschen Handeln auf: „Wann wachen alle auf?“ - das sei die entscheidende Frage. Es könne doch niemand ernst meinen, dass drei Staaten (Österreich, Deutschland und Schweden, Anm.) das Asylproblem alleine lösen könnten. „Einige ducken sich weg, nach dem Motto: ‚Solange die das schaffen, werden wir nicht aufzeigen‘“, sagte Faymann. „Wir werden sie aber in die Sitzung holen, es gilt jetzt mitzumachen“ - Solidarität sei „auch in finanziellen Fragen“ gefordert.

Studiogast: SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann

Bundeskanzler Werner Faymann zu Gast im „Report“-Studio: Er sprach über die neuesten Pläne der Bundesregierung zum Thema Flüchtlingskrise.

Vor allem die Situation in jenen Flüchtlingslagern, aus denen die Flüchtlinge derzeit kommen (wie etwa jene in der Türkei), müssten verbessert werden: „Die EU wird Geld in die Hand nehmen“, sagte der Kanzler. „Wir müssen die Situation finanziell in diesen Lagern stark verbessern.“ Auf eine genaue Höhe der Mittel wollte sich der SPÖ-Chef nicht festlegen, das werde gerade besprochen, aber: „Wir reden von Milliarden. Es gibt aber mehrere Zahler, die EU, die USA, die Golfstaaten und andere“, sagte er. Die Kosten in Milliardenhöhe seien „gut investiert“. Denn die Mittel würden Menschen zugute kommen, die auf der Flucht sind - und diese seien dann nicht mehr gezwungen, Hunderte Kilometer weiter zu flüchten.

Kritik an Zusammenarbeit mit Ungarn

Zur Zusammenarbeit mit Ungarn sagte er, diese funktioniere „auf verschiedenen Ebenen, aber sie funktioniert nicht gut“. So bekomme Österreich nach wie vor nicht die Auskunft, wie viele Flüchtlinge aus Ungarn nach Österreich kommen: „Das war so, das ist so.“ Ungarn setze auf eine „andere Politik“, auf das Bauen von Zäunen - und man glaube dort, „die Sache ist damit erledigt“. „Wir glauben, dass in Europa nicht jeder Zäune bauen kann, sondern dass wir an den Außengrenzen Hotspots brauchen, wo Menschen zu ihrem Asylrecht kommen“, sagte Faymann.

Kritik an seinen scharfen Worten in Richtung Ungarn wies der Bundeskanzler klar zurück: „Mich stört das, wenn Menschen so behandelt werden, da muss man sich auch einmal dazu äußern können.“ Der ungarische Staatssekretär Gergely Pröhle verteidigte am Dienstagabend in der ZIB2 die Arbeit der ungarischen Behörden in der Flüchtlingskrise. In der Zusammenarbeit mit den anderen EU-Ländern gebe es keine Probleme, wenn er „von den etwas nicht böswilligen oder tollpatschigen, aber doch merkwürdigen Bemerkungen“ Faymanns absehe.

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