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Soldaten verlegt

In Österreich starten nun die Grenzkontrollen und der Assistenzeinsatz des Bundesheeres. Das Bundesheer begann am Dienstagabend mit dem Assistenzeinsatz im Zusammenhang mit den Grenzkontrollen. 635 Soldaten der sogenannten Kaderpräsenzeinheiten wurden in „grenznahe Räume“ verlegt, gab das Verteidigungsministerium am Dienstagabend bekannt.

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Die Soldaten sollen gemäß dem Regierungsauftrag die Polizei bei Kontrollen unterstützen und humanitäre Hilfe leisten. Sie sollen „in enger Zusammenarbeit mit der Polizei“ unter anderem Transportaufgaben sowie Absicherungs- und Ordnungstätigkeiten übernehmen, hieß es seitens des Verteidigungsministerium in einer Aussendung. Im Burgenland werden die Soldaten „an bestimmten Grenzübergängen“, in Oberösterreich bei den Bahnhöfen Linz und Wels sowie bei den Inn-Übergängen und in Salzburg im Bereich des Hauptbahnhofs tätig sein. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach in der ZIB2 am Dienstagabend von 500 Soldaten an der Grenze zu Ungarn.

Soldat des Bundesheers

APA/Herbert P. Oczeret

Soldaten des Bundesheeres sollen die Polizei unterstützen

Bis zu 2.200 Soldaten

Die Regierung hatte das Bundesheer am Montag um den Assistenzeinsatz ersucht. Bei der Unterstützung der Hilfsorganisationen, NGOs und Freiwilligen werden sowohl Berufs- und Zeitsoldaten als auch Grundwehrdiener herangezogen. Für die Unterstützung der Polizei bei den Grenzkontrollen wird das Bundesheer auf Berufs- und Zeitsoldaten, nicht aber auf Grundwehrdiener zurückgreifen. Kontrollen an der grünen Grenze sind nicht vorgesehen. Insgesamt könnten bis zu 2.200 Soldaten eingesetzt werden. Ob diese Zahl ausgeschöpft wird, wird laut Verteidigungsressort von den Erfordernissen abhängen. Die diesbezüglichen Planungen sind bereits im Gange. In Niederösterreich - mehr dazu in noe.ORF.at - und auch in Kärnten - mehr dazu in kaernten.ORF.at - rückten Soldaten am Dienstag zu dem Einsatz aus.

EU-Kommission über Grenzkontrollen informiert

Mit Mitternacht dürfen in Österreich generell wieder Grenzkontrollen durchgeführt werden. Die Regierung hat Dienstagnachmittag eine entsprechende Verordnung erlassen. Der EU-Kommission wurde offiziell die Wiedereinführung von temporären Grenzkontrollen gemeldet, teilte das Innenministerium der APA mit.

Grenzkontrollen im Burgenland

An der Grenze zu Deutschland wird seit Sonntag kontrolliert, nun wird es diese Grenzkontrollen auch in Österreich geben.

Die Schwerpunkte sollen an der ungarischen, der italienischen, der slowenischen und der slowakischen Grenze liegen, teilte das Innenministerium in einem Brief an die EU-Kommission, welcher der APA vorliegt, mit. Wann und wo genau das sein wird, teilte das Ressort nicht mit.

Flüchtlinge an der österreichischen Grenze zu Ungarn

Reuters/Leonhard Foeger

Flüchtlinge an der ungarischen Grenze

EU: Im Einklang mit Schengen

Die EU-Kommission sieht die österreichischen Grenzkontrollen in Einklang mit den Schengen-Regeln. „Die derzeitige Situation scheint auf den ersten Blick durch die Regeln gedeckt zu sein“, erklärte die EU-Kommission am Dienstag in Brüssel. Die EU-Kommission kündigte eine genaue Beobachtung der Lage an. Ziel müsse es sein, „so rasch wie möglich“ zu offenen Binnengrenzen zurückzukommen. Die von Österreich gesetzten Maßnahmen für Grenzkontrollen seien so wie jene Deutschlands provisorischer Natur.

Faymann: Sinnvoll und notwendig

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hält die Grenzkontrollen für notwendig und sinnvoll - auch wenn die Ankommenden dennoch weiterreisen können, sofern sie nicht in Österreich um Asyl ansuchen. Es sei wichtig, dass jeder wisse, dass Kontrollen stattfinden. „Das heißt, Menschen, die kein Asylrecht haben und glauben, sie können einfach mitkommen: Da ist es schon wichtig, zu sagen, ja, es gibt Kontrollen“, sagte der Kanzler am Dienstagabend. Außerdem gelte es, gegen Schlepper vorzugehen und dramatische Situation zu verhindern. Erneut betonte Faymann das Recht auf Asyl: „Wenn jemand Asyl sagt, wird er aufgenommen“ - und durchlaufe wie gewohnt ein Asylverfahren.

Flüchtlinge an der österreichischen Grenze zu Ungarn

APA/Herbert P. Oczeret

Flüchtlinge in Nickelsdorf

Dass die Exekutive nicht lückenlos kontrollieren wird können, räumte der Regierungschef ein: „Diese Kontrollen sind in einer Bandbreite. Wenn 3.000 Menschen kommen, die dringend Medikamente und etwas zu essen brauchen, dann wird das nicht lückenlos sein. Wenn zehn kommen, wird man die lückenlos kontrollieren.“ Man werde die Kontrollen „mit entsprechendem Feingefühl“ durchführen.

Mikl-Leitner: Signal an die Welt

Innenministerin Mikl-Leitner sagte in der ZIB2 am Dienstag, die Dublin-III-Regeln würden weiter gelten, auch wenn jenen, die nach Deutschland weiterreisen wollen, das derzeit nicht verwehrt werde, wie sie einräumte.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner

Innenministerin Johanna Mikl-Leiter erklärt ihre Position zu den Grenzkontrollen.

Die Grenzkontrollen im Osten und Süden Österreichs würden „im Gleichklang mit Deutschland“ erfolgen, so die Ressortchefin. „Es soll ein wichtiges Signal in die Welt sein, dass es so wie es bisher war, nicht weitergehen kann, dass es keinen grenzenlosen Migrationsstrom geben kann, dass wir wieder zur Normalität zurück müssen.“ Es bedürfe vor allem einer gemeinsamen europäischen Lösung, betonte die Ministerin: „Es braucht hier vor allem eine intensive Kontrolle der EU-Außengrenzen, sowohl in Italien als auch in Griechenland.“

Flüchtlinge an der österreichischen Grenze zu Ungarn

APA/Roland Schlager

Flüchtlinge in Heiligenkreuz

Gleichzeitig betonte die Ressortchefin, dass jeder, der in Österreich einen Asylantrag stellen will, das „selbstverständlich“ tun könne. Am Montag seien 800 Anträge gestellt worden. Die meisten der Flüchtlinge wollten aber nach Deutschland oder Schweden weiterreisen. Dass dies den Betroffenen derzeit ermöglicht wird, bestätigte Mikl-Leitner: „Es hat keinen Sinn, jene im Nachhinein zu registrieren, die nach Deutschland wollen.“ Dauerzustand könne das aber nicht sein, daher müsse man wieder zur Normalität zurück.

„Geordnete Einreise ermöglichen“

Gefragt, was sich durch die Grenzkontrollen eigentlich ändere, sagte Mikl-Leitner, man wolle dadurch eine „geordnete Einreise“ ermöglichen. Selbstverständlich müsse es das Ziel sein, jeden zu registrieren - „das muss aber an den EU-Außengrenzen erfolgen“. Mikl-Leitner verwies einmal mehr auf die Idee der Einrichtung von „Hotspots“ an den Außengrenzen, wo diese Registrierung vorgenommen werden soll.

Nach Ungarn werde auch nach Einführung der Grenzkontrollen niemand zurückgeschickt, betonte die Ministerin: „Zurzeit wird niemand zurückgeschoben, angesichts der Verhältnisse in Ungarn. Aber für Österreich gilt Dublin weiter. Österreich hält an Dublin fest.“ Gefragt, was das bedeute, sagte Mikl-Leitner, es gibt ja auch Flüchtlinge, die in anderen EU-Staaten - etwa Rumänien oder Bulgarien - bereits einen Asylantrag gestellt haben, diese werden in diese Staaten zurückgeschoben.

Zurückweisungen von nach Deutschland weitergereisten Flüchtlingen nach Österreich habe es bisher noch keine gegeben: „Nein, das ist (mit Deutschland, Anm.) so vereinbart“, sagte sie. Gefragt nach einer Vereinbarung, wonach Deutschland eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen aus Österreich pro Tag aufnimmt, sagte Mikl-Leitner, es habe bereits diesbezügliche Gespräche zwischen dem Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit und Vertretern Deutschlands gegeben.

Faymann: Wann wachen alle auf?

Faymann rief alle EU-Länder zum raschen Handeln auf: „Wann wachen alle auf?“ - das sei die entscheidende Frage. Es könne doch niemand ernst meinen, dass drei Staaten (Österreich, Deutschland und Schweden, Anm.) das Asylproblem alleine lösen könnten. „Einige ducken sich weg, nach dem Motto: ‚Solange die das schaffen, werden wir nicht aufzeigen‘“, sagte Faymann. „Wir werden sie aber in die Sitzung holen, es gilt jetzt mitzumachen“ - Solidarität sei „auch in finanziellen Fragen“ gefordert.

Studiogast: SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann

Bundeskanzler Werner Faymann zu Gast im „Report“-Studio: Er spricht über die neuesten Pläne der Bundesregierung zum Thema Flüchtlingskrise.

Vor allem die Situation in jenen Flüchtlingslagern, aus denen die Flüchtlinge derzeit kommen (wie etwa jene in der Türkei), müssten verbessert werden: „Die EU wird Geld in die Hand nehmen“, sagte der Kanzler. „Wir müssen die Situation finanziell in diesen Lagern stark verbessern.“ Auf eine genaue Höhe der Mittel wollte sich der SPÖ-Chef nicht festlegen, das werde gerade besprochen, aber: „Wir reden von Milliarden. Es gibt aber mehrere Zahler, die EU, die USA, die Golfstaaten und andere“, sagte er. Die Kosten in Milliardenhöhe seien „gut investiert“. Denn die Mittel würden Menschen zugute kommen, die auf der Flucht sind - und diese seien dann nicht mehr gezwungen, Hunderte Kilometer weiter zu flüchten.

„Ungarn setzt auf ‚andere Politik‘“

Zur Zusammenarbeit mit Ungarn sagte er, diese funktioniere „auf verschiedenen Ebenen, aber sie funktioniert nicht gut“. So bekomme Österreich nach wie vor nicht die Auskunft, wie viele Flüchtlinge aus Ungarn nach Österreich kommen: „Das war so, das ist so.“ Ungarn setze auf eine „andere Politik“, auf das Bauen von Zäunen - und man glaube dort, „die Sache ist damit erledigt“. „Wir glauben, dass in Europa nicht jeder Zäune bauen kann, sondern dass wir an den Außengrenzen Hotspots brauchen, wo Menschen zu ihrem Asylrecht kommen“, sagte Faymann.

Kritik an seinen scharfen Worten in Richtung Ungarn wies der Bundeskanzler klar zurück: „Mich stört das, wenn Menschen so behandelt werden, da muss man sich auch einmal dazu äußern können.“

Ungarn kritisiert Faymann weiter

Der ungarische Staatssekretär Gergely Pröhle verteidigte am Dienstagabend in der ZIB2 die Arbeit der ungarischen Behörden in der Flüchtlingskrise. In der Zusammenarbeit mit den anderen EU-Ländern gebe es keine Probleme, wenn er „von den etwas nicht böswilligen oder tollpatschigen, aber doch merkwürdigen Bemerkungen“ Faymanns absehe.

Gergely Pröhle, Staatssekretär in Ungarn

Gergely Pröhle, Staatssekretär für EU-Angelegenheiten im ungarischen Außenministerium, erläutert Ungarns Position in der Flüchtlingskrise.

Auf geordnete Weise würden derzeit auch Migranten nach Ungarn reingelassen. Am Dienstag seien an der Grenze 16 Asylverfahren durchgeführt worden. Außerdem habe man 35 Asylanträge erhalten, und diese würden geprüft. „Ich glaube, die dortigen Behörden tun ihre Arbeit“, so der ungarische Staatssekretär für soziale Angelegenheiten. Es gebe sichere Drittländer, aus denen Asylanträge gestellt werden können.

Die Einführung des Notstands in den beiden südlichen Bezirken Bacs-Kiskun und Csongrad verteidigte Gergely. Es sei auch im Sinne Österreichs, dass Ungarn auf alles Mögliche gefasst sei. „Wir wissen, dass die Schleuser zu vielem fähig sind“, so der ungarische Staatssekretär. Es werde sich zeigen, ob die neuen Migrationsgesetze imstande sind, den Flüchtlingsstrom zu regeln.

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