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Flüchtlingen drohen Haftstrafen

Ungarn hat die Grenze zu Serbien, über die in den vergangenen Wochen Zehntausende Flüchtlinge gekommen waren, hermetisch abgeriegelt und droht illegalen Einwanderern seit Dienstag mit Haftstrafen. Mehrere Flüchtlinge, die Löcher in den Grenzzaun geschnitten hatten, wurden verhaftet.

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Die nun gültigen verschärften Einwanderungsgesetze sehen unter anderem Haftstrafen für Menschen vor, die unerlaubt in das EU-Land einreisen. Kommt Sachbeschädigung hinzu - etwa wenn ein Flüchtling den Grenzzaun durchschneidet - erhöht sich das maximale Strafmaß auf fünf Jahre. Anstelle der Haftstrafe ist auch eine sofortige Abschiebung möglich. „Wir beginnen eine neue Ära. Wir werden den Fluss illegaler Einwanderer über unsere grüne Grenze stoppen,“ sagte der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs.

Mehrere Flüchtlinge verhaftet

Dienstagfrüh verhaftete die ungarische Polizei mehrere „illegale Einwanderer“ an der serbischen Grenze. Darunter waren neun syrische und sieben afghanische Flüchtlinge, wie Reuters eine Sprecherin der ungarischen Polizei zitierte. Sie hätten den Zaun an der Grenze zu Serbien in der Nähe des Übergangs Röszke durchschnitten und die Grenze überquert, berichtete das ungarische Staatsfernsehen.

Flüchtlinge hinter dem Ungarischen Grenzzaun

AP/Matthias Schrader

Flüchtlinge entlang der ungarischen Stacheldrahtgrenze zu Serbien

Unterdessen hätten sich an der ungarisch-serbischen Grenze bei Röszke viele Flüchtlinge versammelt, die eine Weiterreise nach Ungarn forderten, wie Reporter berichteten. Nach inoffiziellen Informationen handle es sich um etwa 2.000 Menschen. Sie versammelten sich an einem alten Grenzübergang an der Landstraße, die parallel zur Autobahn verläuft. Es habe Proteststimmung geherrscht. Ungarns Polizei war mit einem großen Aufgebot präsent.

Noch am Montag waren viele Flüchtlinge in das Land gekommen, nach Polizeiangaben belief sich die Zahl auf über 9.000 Schutzsuchende - so viele wie noch nie seit Beginn der Flüchtlingskrise in Europa. Diese zuletzt Angekommenen seien ohne Registrierung direkt in Züge in Richtung österreichische Grenze gesetzt worden, wie Erno Simon vom UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) sagte.

Serbien nimmt keine Flüchtlinge aus Ungarn auf

Laut Angaben der ungarischen Regierung können Flüchtlinge nach wie vor in Ungarn Asyl beantragen - sollten sie allerdings aus Serbien kommen und dort noch keinen Asylantrag gestellt haben, würden sie nach Serbien ausgewiesen. Ungarn hatte das Nachbarland im Juli zum sicheren Herkunftsland erklärt.

„Der legale Grenzübertritt wird möglich sein, und wer einen Asylantrag stellen will, kann das tun, sofern er die international gültigen Regeln einhält“, sagte Regierungssprecher Kovacs. Diese besagen, dass ein Flüchtling im ersten als sicher geltenden Herkunftsland, das er erreicht, Asyl beantragen muss.

20.000 Menschen warten in Serbien

Christian Wehrschütz berichtete über die Situation in Serbien, wo 20.000 Flüchtlinge jenseits des Zauns auf ihre Weiterreise warteten.

Die Vereinten Nationen (UNO) und Menschenrechtsgruppen bezweifeln, dass Serbien als sicher gelten kann. Der für die Flüchtlinge zuständige serbische Minister Aleksandar Vulin sagte, sein Land werde keine Migranten mehr aufnehmen, die bereits auf ungarischem Staatsgebiet gewesen seien.

„Nicht mehr unsere Verantwortung“

„Das ist nicht mehr unsere Verantwortung“, sagte Vulin der amtlichen Nachrichtenagentur Tanjug. „Sie sind dann auf ungarischem Territorium. Und ich erwarte von Ungarn, dass sie entsprechend mit ihnen verfahren.“ Serbien werde im Notfall seine Streitkräfte an der Grenze aufstellen, um die unrechtmäßige Abschiebung von Flüchtlingen auf sein Gebiet zu verhindern, so Nenad Ivanisevic, Staatssekretär im Belgrader Arbeitsministerium. Wolle Ungarn Flüchtlinge abschieben, so müsse das Griechenland sein, das erste EU-Land, das sie betreten hätten, sagte Ivanisevic.

Soldat bewacht die Grenze zu Ungarn

Reuters/Dado Ruvic

Der Einsatz bewaffneter Soldaten muss vom Parlament erst genehmigt werden

An der serbischen Grenze bei Röszke sollen nach Berichten mehrerer ungarischer Medien bereits am Montag zudem bewaffnete ungarische Soldaten mit Militärfahrzeugen erschienen sein. Für eine Unterstützung des Grenzschutzes durch Soldaten gibt es derzeit jedoch noch kein grünes Licht vom Parlament in Budapest. Erst am 21. September sollen die Abgeordneten darüber entscheiden, ob die Armee im Krisenfall dem Grenzschutz helfen darf. Unabhängig davon waren seit Sonntag nach offiziellen Angaben 4.300 Soldaten im Einsatz, um den Zaun an der serbischen Grenze fertigzustellen.

Ausweichroute über Slowenien?

Die EU-Außengrenze zwischen Serbien und Ungarn ist einer der Brennpunkte der laufenden Flüchtlingskrise. Mehr als 180.000 Flüchtlinge kamen in diesem Jahr über Griechenland und die westlichen Balkan-Staaten nach Ungarn, um von dort vielfach nach Deutschland weiterzureisen. Flüchtlinge könnten nun einen neuen Weg über Slowenien nehmen. Laut dem burgenländischen Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil könnte die neue Route über Kroatien und Slowenien bzw. Bulgarien und die Slowakei nach Österreich führen.

„Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich“

Dass Schutzsuchende auf eine andere Route Richtung Westen ausweichen, etwa über Bosnien und Kroatien und dann weiter über Slowenien nach Österreich, hält auch Rados Djurovic vom Belgrader Zentrum zum Schutz für Asylsuchende (APC) für möglich, aber nicht für sehr wahrscheinlich. Bosnien ist kein EU-Mitglied, und Kroatien gehört nicht zum Schengen-Raum. Zudem hätten die bosnischen Behörden zuletzt zahlreiche illegale Einwanderer festgenommen und ins Gefängnis gesteckt bzw. nach Serbien abgeschoben. Das hätte einen abschreckenden Effekt.

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