Elf Tage verschwunden
Agatha Christie (1890 - 1976) schrieb nicht nur einige der bekanntesten Kriminalromane der Welt - sie inszenierte auch im richtigen Leben einen Kriminalfall mit sich selbst als Hauptperson. Ihr mysteriöses Verschwinden für elf Tage im Dezember 1926, das damals ganz Großbritannien in Atem hielt, war einem Buch zufolge weder ein schlechter Scherz noch der Versuch, Publizität zu erhaschen.
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Agatha Christie, damals 36, habe ihr eigenes Verschwinden sorgfältig inszeniert und nach einem Verbrechen aussehen lassen, weil sie damit ihrem ungetreuen Ehemann Oberst Archie Christie ein Wochenende mit dessen Geliebter Nancy Neele habe verpatzen wollen. Das schreibt der Autor Jared Cade nach einem Bericht des „Guardian“ in seinem Buch „Agatha Christie and the Eleven Missing Days“ (Agatha Christie und die fehlenden elf Tage).
Die Krimischriftstellerin sei davon ausgegangen, dass die Ermittlungen der Polizei nach ihrem Verschwinden das Liebeswochenende des Ehemannes ruinieren würden. Um die Familie nicht über Gebühr zu beunruhigen, schrieb sie ihrem Schwager einen Brief, wonach sie für einige Tage „in einem Kurort in Yorkshire“ sein werde. Ihre Absicht, rasch wieder aufzutauchen, schlug fehl, weil die englische Polizei sich bei der Suche nach ihr wesentlich unbeholfener anstellte, als es die Schöpferin von Miss Marple und dem belgischen Superdetektiv Hercule Poirot vermutet hatte.
„Sherlock Holmes“ suchte mit
Tausende von Polizisten, verstärkt durch Freiwillige, durchkämmten tagelang die Landschaften von Surrey und Berkshire südlich von London auf der Suche nach der Autorin. Experten wurden zu Rate gezogen: Die Krimikollegin Dorothy L. Sayers tippte sofort auf „freiwilliges Verschwinden, sehr clever eingefädelt“. Kein Geringerer als Sir Arthur Conan Doyle, der Schöpfer des Sherlock Holmes, konsultierte mit einem Handschuh Agathas den Wahrsager Horace Leaf, der auch eine richtige Eingebung hatte: „Die Eigentümerin ist halb verwirrt und halb berechnend. Sie ist nicht, wie viele denken, tot. Sie lebt.“
Ehemann Archie ahnte zwar, was seine Frau bezweckte, als sie am 3. Dezember 1926 das Haus verließ und ihr Auto wie nach einem Überfall am Straßenrand stehen ließ. Er wollte aber seine Eheprobleme nicht in die Öffentlichkeit bringen und vertrat - als die Polizei ihn schließlich als Mordverdächtigen anzusehen begann - die Auffassung, seine Frau Agatha habe einen Gedächtnisverlust erlitten. Auch als die Polizei von dem Brief erfuhr und im bekannten Erholungsort Harrogate nach Frau Christie suchte, wurde sie nicht fündig.
Die offizielle Version
Die Schriftstellerin hatte sich mit dem Nachnamen der Geliebten als Teresa Neele aus Südafrika ausgegeben. Ein Musiker erkannte in der Frau, die allabendlich zum Schlager „Ausgerechnet Bananen“ Charleston tanzte, die Gesuchte und rief die Polizei. Agatha Christie behauptete dann, sie habe einen Gedächtnisverlust erlitten. An dieser Version hielt sie ungeachtet öffentlicher Zweifel für immer fest, wollte aber später an diese Episode ihres Lebens nicht mehr erinnert werden.
Sollte sie tatsächlich verschwunden sein, um ihrem Mann das Stelldichein zu vereiteln, hätte sie das kaum zugeben dürfen: Umsonst einen Polizeieinsatz samt Suchmannschaft auszulösen, war auch damals nicht legal. Der Leiter der Polizei von Surrey, William Kenward, wurde jedenfalls in der Öffentlichkeit wegen der Unfähigkeit, Agatha Christie zu finden, verspottet. Die Ehe von Agatha und Archie Christie ging auseinander.
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