Themenüberblick

Beginn an Grenze zu Ungarn

Österreich wird so wie Deutschland „temporäre Grenzkontrollen“ in der derzeitigen Flüchtlingskrise einführen. „Wir werden so wie Deutschland vorgehen“, so Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Im Rahmen von Schengen seien temporäre Grenzkontrollen direkt an der Grenze erlaubt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Entgegen anderlautenden Berichten wurde die EU-Kommission von diesem Schritt offenbar offiziell noch nicht informiert, wie es aus informierten Kreisen in Brüssel heißt. Es wird allerdings erwartet, dass Österreich diesen Schritt nachholt. Nach Deutschland und Österreich kündigten unterdessen auch die Slowakei, Tschechien und Ungarn verschärfte Grenzkontrollen an. In Ungarn selbst treten am Dienstag zudem verschärfte Gesetze zur Grenzsicherung in Kraft. Die Einführung von Grenzkontrollen wird zudem von Polen und Frankreich derzeit geprüft.

Karte zu Grenzkontrollen in Europa

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

„Geht jetzt einmal um die nächsten Tage“

Österreich wird nach Angaben von Mikl-Leitner mit Kontrollen an der Grenze zu Ungarn beginnen. „Es geht jetzt einmal um die nächsten Tage, hier diese Grenzkontrollen durchzuführen“, sagte sie am Montag vor einem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen in Brüssel. „Wir halten uns das offen, an welchen Grenzübertritten wir das schwerpunktmäßig machen. Wir werden auf alle Fälle so schnell als möglich beginnen, direkt an der österreichisch-ungarischen Grenze“, sagte Mikl-Leitner.

EU: Beratungen über Flüchtlingsverteilung

Die Grenzkontrollen können im Schengen-Raum nur temporär erfolgen. Was danach kommt und ob es zu einer europaweiten Verteilung von Flüchtlingen kommen kann, darüber beraten die EU-Innenminister in Brüssel.

Ministerin sieht zwei Alternativen

„Es ist einfach ein Signal , dass es eine große gemeinsame europäische Antwort gibt“, so Mikl-Leitner. Es brauche hier rasche Antworten, weil kein einziger Staat diese Antwort geben könne und diese „Migrationsströme“ bewerkstelligen könne. Sie hoffe auf ein rasches Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs. „Es braucht hier lieber heute als morgen eine konkrete Lösung“, fügte die Innenministerin hinzu.

„Es ist hoffentlich jedem mittlerweile ersichtlich, dass es hier nur gemeinsam geht, dass wir hier nur zwei Alternativen haben, dass Europa scheitern kann oder dass wir es gemeinsam angehen und aus dieser Situation gestärkt hervorgehen könne.“ Es kommen derzeit Tausende Flüchtlinge in Österreich an. „Zur Stunde sind etwa 18.000 Flüchtlinge in Österreich.“ Seit Deutschland die Dublin-Regeln für Syrer ausgesetzt habe, hätten sich Tausende Menschen verstärkt auf den Weg gemacht.

Österreich stehe dem Vorschlag der EU-Kommission zur Verteilung von zusätzlich 120.000 Flüchtlingen in Europa positiv gegenüber. Bei dem aktuellen Vorschlag der EU-Kommission gehe es darum, die Balkan-Route zu entlasten und davon würde auch Österreich profitieren, sagte die Innenministerin.

Assistenzeinsatz des Bundesheeres

Zuvor hatten Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bei einer kurzfristig einberufenen gemeinsamen Pressekonferenz den Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der österreichischen Grenze angekündigt. Selbstverständlich gewähre man der Polizei die notwendige Unterstützung durch das Bundesheer, so Faymann: Humanitäre Hilfe im Inland stehe im Mittelpunkt.

Doch auch der Grenzeinsatz gehöre bei der Assistenz des Bundesheeres dazu. Es werde dort eingesetzt, wo es notwendig sei. Dass das Bundesheer in dieser Frage kompetent sei, habe es schon 20 Jahre lang beim Assistenzeinsatz an den Ostgrenzen bewiesen.

Österreich schickt Heer zur Grenze

Bundeskanzler Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP) geben bekannt, dass Österreich das Bundesheer an die Grenze schicken wird. Das Hauptziel sei, humanitäre Hilfe zu leisten.

Erste Soldaten ab Dienstag im Einsatz

Nach der Entscheidung der Regierung, bis zu 2.200 Soldaten in den Assistenzeinsatz zu schicken, beginnen jetzt die Vorbereitungen im Bundesheer. Details werden im Ministerratsbeschluss festgelegt. Danach wird das Verteidigungsministerium die genauen Pläne erstellen. Die Streitkräfte haben allerdings bereits jetzt den Auftrag erhalten, sofort 500 Soldaten aus ganz Österreich einsatzbereit zu machen.

Dabei kommen Kaderpräsenzeinheiten zum Einsatz. Bereits am Dienstag werden Vor- und Erkundungskommandos in die Einsatzräume entsandt - die ersten Soldaten können ebenfalls am Dienstag verlegt werden, teilte das Ressort in einer Aussendung mit. Der Einsatz aller Kräfte wird in Abstimmung mit der Polizei an Ort und Stelle erfolgen. Kaderpräsenzeinheiten sind Berufssoldaten, die sofort verfügbar sind.

ORF-Reporter Geier kommentiert die Flüchtlingslage

Innenpolitikexperte Wolfgang Geier analysiert die Entscheidung der Regierung, das Bundesheer an der Grenze einzusetzen.

„Klares Signal“

Das Bundesheer solle sowohl im Bereich der Kontrolle agieren als auch den Menschen, die auf der Flucht sind, helfen, so der Kanzler weiter. Durch die Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland könne es zu einem Rückstau kommen. Wenn jemand in Deutschland Asyl sage, sei auch Asyl zu prüfen. Die Grenzkontrolle in Deutschland sei ein „klares Signal“. Die von Deutschland in Gang gesetzten Grenzkontrollen seien aber keine Grenzschließung, betonte der Regierungschef.

Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner

APA/Hans Punz

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Kanzler Werner Faymann (SPÖ) beantworten Fragen der anwesenden Journalisten

„Wir haben Dublin nicht außer Kraft gesetzt“, so Faymann auf die Nachfrage, ob Österreich Flüchtlinge nach Ungarn abschiebe, weiter. Aber Dublin funktioniere im Moment nicht. „Wir wollen Dublin außer Kraft setzen und mit einer anderen Regelung ersetzen, die gibt es aber noch nicht.“

Mitterlehner: Kontrollverstärkung

Laut Mitterlehner gelte der beschlossene Einsatz des Bundesheeres praktisch „sofort“. Die Schengen-Regeln blieben aber aufrecht. Angesichts der unkontrollierten Einreise von Flüchtlingen nach Österreich müsse gegengesteuert werden, so der Vizekanzler weiter. Die Hilfsstrukturen und die österreichische Bevölkerung dürften nicht überfordert werden. Man müsse dazu übergehen, übersichtlich zu strukturieren und zu organisieren.

Die deutschen Grenzkontrollen sieht er ebenso wie den Einsatz des Bundesheeres als Weg in diese Richtung. Der Vorgang sei bisher ungelenkt erfolgt. Nun müsse man gegenlenken. Es gelte, das Signal Deutschlands aufzugreifen, betonte Mitterlehner. „Wenn Deutschland Grenzkontrollen einführt, muss auch Österreich das tun.“

Unklarheit über Ausmaß der Kontrollen

Ähnliches gilt für die Regeln zum Asylverfahren, betonte Faymann. „Das ist wichtig festzuhalten, dass wir Dublin nicht außer Kraft gesetzt haben.“ Man wolle niemand aus der Verantwortung entlassen, sagte er wohl in Richtung Ungarn. „Wir wollen Dublin außer Kraft setzen durch neue, bessere Regelungen. Aber die gibt es noch nicht.“

In welchem Ausmaß nun Züge und Autos an den Grenzen kontrolliert werden, wollte keiner der beiden festlegen. „Das ist Aufgabe der Polizei und des Stabs“, meinte der Bundeskanzler. Mitterlehner sagte, dass das von der jeweiligen Lageentwicklung und den Wegen der Flüchtlingsströme abhängen werde.

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) begrüßt die Entscheidung, dass das Bundesheer zur Hilfe gerufen wird. Laut dem Landeshauptmannstellvertreter Johann Tschürtz (FPÖ) kommt der Einsatz viel zu spät - mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Grüne: Große Herausforderung

Grünen-Chefin Eva Glawischnig sieht angesichts von Tausenden Kriegsflüchtlingen eine große Herausforderung. „Im Mittelpunkt aller jetzt gesetzten Maßnahmen muss die humanitäre Hilfe für diese ankommenden Flüchtlinge stehen. Das Wichtigste ist daher der Ausbau der Hilfsstrukturen, damit die Flüchtlinge gut und menschenwürdig versorgt werden können“, sagte die grüne Bundesprecherin.

FPÖ: „Mehr als besorgt“

Der Bundesparteiobmann der FPÖ, Heinz-Christian Strache, zeigte sich angesichts der aktuellen Entwicklung der Flüchtlingslage heute „mehr als besorgt“. Auch einen Schuldigen machte er aus: „Die Bundesregierung hat auf allen Ebenen kläglich versagt". Deshalb will die FPÖ laut Strache nun eine Nationalratssondersitzung sowie einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung stellen.

Zudem wolle man einen Antrag auf Ministeranklage gegen Innenministerin Mikl-Leitner stellen und prüfe einen ebensolchen auch gegen Bundeskanzler Faymann. Auch soll die Einberufung des nationalen Sicherheitsrates beantragt werden, da „Gefahr in Verzug“ sei, so Strache. Er erneuerte zudem seine Forderung nach der kompletten Schließung der Grenzen. Der geplante Assistenzeinsatz des Heeres sei zudem „spät, aber doch“ ein Schritt in die richtige Richtung.

„Signal - keine Lösung“

Geht es nach NEOS-Menschenrechtssprecher Niki Scherak können die von der Regierung angekündigten Maßnahmen „nur als Zeichen an die europäischen Staaten und hier vor allem die europäischen Innenminister gesehen werden, dass es so nicht weitergehen kann“ - die Probleme würden dadurch allerdings nicht gelöst. Laut Robert Lugar vom Team Stronach (TS) hat Merkel „die Flüchtlinge aus Syrien ermutigt, Richtung Deutschland aufzubrechen“ und „diese gigantische Völkerwanderung massiv beschleunigt“. Daher sei „es nur legitim, dass sie die Flüchtlinge auch übernehmen“.

Links: