Themenüberblick

Abfuhr für Schelling-Vorstoß

Deutschland lehnt das Ansinnen einiger EU-Staaten ab, wegen der Flüchtlingskrise die vereinbarten europäischen Schuldenregeln zu lockern. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Samstag beim Treffen mit seinen EU-Kollegen in Luxemburg zur Flüchtlingskrise: „Sie ist nicht als Instrument zu nutzen, um andere Dinge zu machen.“

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Dabei geht es um die Frage, ob EU-Staaten sich die Ausgaben für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen beim Defizit anrechnen lassen können. Nach dem Maastricht-Vertrag darf das Staatsdefizit drei Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten, für die Gesamtverschuldung gilt eine Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Die EU-Kommission hat auf Verlangen einiger Staaten zugesagt, diese Forderung zu prüfen. Dadurch bekämen die Länder mehr Spielraum, um ihre mittelfristigen Haushaltsziele zu erreichen. Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna sagte, die Staaten müssten nun zusätzliche Kosten stemmen, etwa für die Aufnahme von Flüchtlingen, deren Integration in den Arbeitsmarkt und auch für Sicherheitsfragen.

„Thema war gar nicht umstritten“

„All diese Elemente haben Auswirkungen auf den Haushalt der EU und auf die nationalen Haushalte“, sagte Gramegna. „Jeder sieht doch, dass das eingestuft werden könnte als außerordentliche Umstände, die im (Stabilitäts- und Wachstums-)Pakt vorgesehen sind.“ Luxemburg hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft.

Auf die Frage, ob auch Staaten wie Deutschland, Österreich und Finnland - die stets die strenge Einhaltung der Stabilitätsregeln fordern - dieses Ansinnen unterstützten, sagte Gramegna: „Dieses Thema war gar nicht umstritten.“ Ein dementsprechender Vorschlag kam offenbar sogar von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP).

Ausgaben aus strukturellem Defizit herausrechnen

Schelling habe vorgeschlagen, die Ausgaben, die einzelne Staaten für Flüchtlinge tätigen, bei der Berechnung des strukturellen Defizits herauszurechnen, berichtete der „Standard“ aus Luxemburg. Beim strukturellen Defizit werden Ausgaben und Einnahmen eines Staates gegengerechnet und konjunkturelle Effekte abgezogen. Ebenso werden einmalige Großausgaben wie etwa eine Bankenrettung aus dem Defizit herausgerechnet.

Es dürfe nicht sein, dass jene Staaten, die viele Flüchtlinge aufnehmen, noch „gestraft werden, wenn sie das strukturelle Defizit nicht schaffen“, so Schelling beim Treffen. Die „Mehrkosten“ für die Grundversorgung von Flüchtlingen in Österreich bezifferte er mit 350 Millionen Euro.

Schelling: Geht auch um Griechenland und Italien

Dabei gehe es nicht nur um jene Staaten, die besonders viele Flüchtlinge aufnehmen, sondern auch um Italien und Griechenland. Diese würden ebenfalls dadurch strukturelle Probleme bekommen, sagte der Finanzminister. Österreich sei aufgrund seiner hohen Anzahl an Flüchtlingen jedenfalls stärker betroffen als Griechenland und Italien zusammen. „Ich erwarte mir, dass darauf entsprechend reagiert wird und Einmalkosten im strukturellen Defizit herausgerechnet werden können“, so Schelling.

Währungskommissar verspricht Prüfung

Vom Vorschlag der Investitionsbank EIB halte er sehr viel. Es seien mehrere Probleme gleichzeitig zu bewältigen. Österreich werde heuer 80.000 Asylwerber bekommen. „Die Hälfte könnte bei uns bleiben. Da braucht man Kindergartenplätze, Schulplätze, Arbeitsplätze und Wohnraum.“

EU-Währungskommissar Pierre Moscovici versprach eine Analyse der Forderung der Finanzminister: „Man muss die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen dieser Krise auf die einzelnen Haushalte prüfen.“ Die Finanzminister könnten bei ihrem nächsten Treffen Anfang Oktober darüber diskutieren.

Studie über Folgekosten angekündigt

Wie Schelling am Samstag erklärte, will die EU-Kommission im Oktober zudem eine Studie über die Folgekosten der Flüchtlingsproblematik für die einzelnen Staaten vorlegen. Dabei gehe es nicht nur darum, die Auswirkungen auf den Stabilitätspakt durch die Ausgaben für Flüchtlinge zu evaluieren, sondern auch die Chancen der Integration.

Eine Rolle spiele dabei etwa, was die Migranten wirtschaftlich den einzelnen Ländern bringen könnten. Mit einberechnet werden sollen aber auch die späteren Folgekosten der Flüchtlingsaufnahme, was wichtig sei, weil die EU-Staaten die Budgetentwürfe für das kommende Jahr schon bald nach Brüssel schicken müssten.

Links: