Themenüberblick

Verschärfte Gesetze ab Dienstag in Kraft

Ein „Spiegel“-Interview mit dem Titel „Österreichs Kanzler vergleicht Orbans Flüchtlingspolitik mit Holocaust“ lässt derzeit die Wogen zwischen Österreich und Ungarn hochgehen. Nachdem Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) darin mit ungewohnt scharfen Worten die ungarische Flüchtlingspolitik kritisiert hatte, ließ Ungarns Außenminister Peter Szijjarto Richtung Wien ausrichten: „Dies weisen wir entschieden zurück und verbitten es uns.“

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Faymanns Worte seien Szijjartos zufolge „eines führenden Politikers im 21. Jahrhundert unwürdig“. Laut der ungarischen Nachrichtenagentur MTI warf der ungarische Außenminister Österreich zudem vor, seit Wochen eine „Lügenkampagne“ gegen sein Land zu betreiben, obwohl Ungarn alle EU-Regeln beachte und eine effiziente gemeinsame europäische Lösung für die Flüchtlingskrise suche.

Screenshot spiegel.de

www.spiegel.de

Dem „Spiegel“ zufolge wird der Ton unter den EU-Partnern zunehmend „rauer“

Erschwert werde das dadurch, dass Politiker wie Faymann mit verantwortungslosen Äußerungen bei „Wirtschaftsflüchtlingen“ Illusionen und „Träume ohne Grundlage“ weckten. Faymanns „Amoklauf“ sei unerträglich und offenbare seine Unfähigkeit. Faymanns Aussagen seien Diplomaten zufolge nun auch der Grund, dass Österreichs Botschafter in Ungarn für Montag ins Außenministerium in Budapest zitiert wurde.

„Betreibt bewusst Politik der Abschreckung“

Mit deutlichen Worten hatte zuvor Faymann selbst für Aufsehen gesorgt. Als „unerträglich“ bezeichnete er es laut „Spiegel“ etwa, „Menschenrechte nach Religionen zu unterteilen“. Ungarns Regierungschef Viktor Orban handle zudem „unverantwortlich, wenn er jeden zum Wirtschaftsflüchtling erklärt“. Zudem betreibe der ungarische Regierungschef „bewusst eine Politik der Abschreckung. Flüchtlinge in Züge zu stecken in dem Glauben, sie würden ganz woanders hinfahren, weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres Kontinents.“

In Ungarn waren vor rund einer Woche Hunderte Flüchtlinge in einen Zug gestiegen, der angeblich in Richtung österreichische Grenze fahren sollte. Stattdessen stoppten die ungarischen Behörden den Zug nach kurzer Fahrt, um die Insassen in ein Flüchtlingslager zu bringen. An der Haltestelle spielten sich dramatische Szenen ab, Hunderte Menschen weigerten sich über viele Stunden, den Zug zu verlassen. Ungarn errichtete zudem in den vergangenen Wochen einen Stacheldrahtzaun an seiner Grenze zu Serbien, um Flüchtlinge abzuhalten. Die Strafgesetze wurden verschärft, bereits ab Dienstag drohen etwa bei „illegalem Grenzübertritt“ bis zu drei Jahre Haft.

„Kein Grundrecht auf besseres Leben“

Orban kündigte am Samstag gegenüber der „Bild“-Zeitung zudem an, Flüchtlinge künftig in ihre Heimatländer zurückschicken zu lassen. Flüchtlinge sollten „dorthin, wo sie herkommen“. Die Flüchtlinge kämen ja nicht aus dem Kriegsgebiet, sondern aus Lagern in Nachbarländern Syriens, so Orban weiter.

„Dort waren sie in Sicherheit. Diese Menschen fliehen also nicht vor der Gefahr, sie sind bereits geflohen und mussten nicht mehr um ihr Leben fürchten.“ Die Menschen kämen nach Europa, weil sie ein besseres Leben wollten. Das könne er verstehen, sagte Orban. „Aber fest steht: Es gibt kein Grundrecht auf ein besseres Leben, nur ein Recht auf Sicherheit und Menschenwürde.“

Orban: Drei Mrd. Euro für Syrien

Der ungarische Regierungschef kündigte zudem an, einen eigenen Plan für die Lösung der Flüchtlingskrise vorzulegen. Laut diesem sollen die Nachbarstaaten Syriens - die Türkei, Libanon und Jordanien - massive Finanzhilfen erhalten. Die Hilfen für Syrien bezifferte er auf rund drei Milliarden Euro.

„Ich schlage vor, dass jedes Land ein Prozent zusätzlich in den Haushalt der EU einzahlt. Zugleich senken wir die Ausgaben für andere Zwecke generell um ein Prozent.“ Sollte mehr Geld nötig sein, „stocken wir die Hilfen auf - so lange, bis der Flüchtlingsstrom versiegt“, sagte Orban weiter. Er werde den Plan seinen EU-Kollegen bei ihrem nächstem Treffen vorlegen, kündigte Orban an.

„Deutsche Regierung schuld an Chaos“

Orban griff in der Zeitung zudem erneut die deutsche Regierung an. Die Ankündigung vom vergangenen Wochenende, Flüchtlinge aus Ungarn unregistriert nach Deutschland reisen zu lassen, habe in seinem Land „eine Revolte ausgelöst“. Migranten seien aus Unterkünften ausgebrochen und hätten Polizisten angegriffen. „Sie verweigerten, sich registrieren zu lassen, wie es das EU-Recht vorschreibt“, sagte Orban.

„Zuvor hatten unsere Behörden die Lage - wenn auch mit Mühe - im Griff. Erst als die deutsche Regierung ankündigte, EU-Regeln ‚vorübergehend‘ außer Kraft zu setzen, brach bei uns das Chaos aus.“ So etwas geschehe, wenn man „Regeln nicht einhält“.

Deutscher Vizekanzler: „An EU-Recht halten“

Der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel konterte Orbans Vorwürfe seinerseits mit Kritik: „Er ist an europäisches Recht gehalten und muss politischen Flüchtlingen Schutz bieten“, so der SPD-Vorsitzende am Samstag. „Er kann nicht einfach die Flüchtlinge in so schlechten Verhältnissen lassen und sie zurückschieben.“

Die meisten Flüchtenden kommen auf der Balkan-Route aus der Türkei über Griechenland und Ungarn nach Österreich und wollen dann weiter nach Deutschland reisen. Menschenrechtler kritisieren, dass der ungarische Staat die Flüchtlinge unzureichend versorgt. Die deutsche Regierung rechnet allein an diesem Wochenende mit 40.000 Neuankömmlingen.

Pröll kritisiert Faymann

Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) kritisierte in einem Interview mit der Tageszeitung „Österreich“ Faymann für seine Aussagen über Orban. „Was ich für gar nicht hilfreich halte, ist, dass der Kanzler in dieser Situation die Konfrontation mit dem ungarischen Ministerpräsidenten gesucht hat, statt das Miteinander zu pflegen. Ich fürchte, da haben ihn gewisse Spindoctoren in eine falsche Richtung gedrängt, die eines Staatsmannes nicht würdig ist und die Situation schwieriger macht“, sagte Pröll.

Schutzstatus nur 300 Mal gewährt

Trotz hoher Flüchtlingszahlen werden in Ungarn kaum Asylverfahren abgeschlossen, weil der überwiegende Großteil der Menschen das Land vor deren Bearbeitung wieder verlässt, geht aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung von Innenminister Sandor Pinter hervor, aus der das Nachrichtenportal hvg.hu am Samstag zitierte.

Den Asylstatus erhielten demnach von Jahresbeginn bis Ende August überhaupt nur 88 Personen, weitere 222 bekamen einen temporären Schutzstatus. In 1.914 Fällen wurde der Asylantrag abgelehnt. 64.696 Personen suchten zwar um Asyl an, verließen das Land jedoch, bevor das Verfahren beendet war, weshalb dieses eingestellt wurde, erklärte Pinter demnach. Insgesamt hätten seit Jahresbeginn 170.252 Menschen illegal die Grenze zwischen Ungarn und Serbien überquert, heißt es in der Anfragebeantwortung.

Links: