Staaten wollen mehr Spielraum
Wegen der Flüchtlingskrise verlangen die EU-Staaten eine Lockerung der vereinbarten Schuldenregeln. Die EU-Finanzminister baten am Freitag die EU-Kommission, zu prüfen, ob die Ausgaben für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen beim Staatsdefizit angerechnet werden können.
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Durch die gelockerten Regeln sollen die Länder mehr Spielraum bekommen, um ihre mittelfristigen Haushaltsziele zu erreichen. Laut Maastricht-Vertrag soll das Defizit drei Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten. Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna sagte, die Staaten müssten nun zusätzliche Kosten stemmen, etwa für die Aufnahme von Flüchtlingen, deren Integration in den Arbeitsmarkt oder auch für Sicherheitsfragen.
„Thema war gar nicht umstritten“
„All diese Elemente haben Auswirkungen auf den Haushalt der EU und auf die nationalen Haushalte“, sagte Gramegna. „Jeder sieht doch, dass das eingestuft werden könnte als außerordentliche Umstände, die im (Stabilitäts- und Wachstums)-Pakt vorgesehen sind.“ Luxemburg hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft.
Auf die Frage, ob auch Staaten wie Deutschland, Österreich und Finnland - die stets die strenge Einhaltung der Stabilitätsregeln fordern - dieses Ansinnen unterstützten, sagte Gramegna: „Dieses Thema war gar nicht umstritten.“ Ein dementsprechender Vorschlag kam offenbar sogar von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP).
Ausgaben aus strukturellem Defizit herausrechnen
Schelling habe vorgeschlagen, die Ausgaben, die einzelne Staaten für Flüchtlinge tätigen, bei der Berechnung des sogenannten strukturellen Defizits herauszurechnen, berichtete der „Standard“ aus Luxemburg. Beim strukturellen Defizit werden Ausgaben und Einnahmen eines Staates gegengerechnet und konjunkturelle Effekte abgezogen. Ebenso werden einmalige Großausgaben wie etwa eine Bankenrettung aus dem Defizit herausgerechnet.
Es dürfe nicht sein, dass jene Staaten, die viele Flüchtlinge aufnehmen, nicht noch „gestraft werden, wenn sie das strukturelle Defizit nicht schaffen“, so Schelling beim Treffen. Die „Mehrkosten“ für die Grundversorgung von Flüchtlingen in Österreich bezifferte er mit 350 Millionen Euro.
Schelling: Geht auch um Griechenland und Italien
Dabei gehe es nicht nur um jene Staaten, die besonders viele Flüchtlinge aufnehmen, sondern auch um Italien und Griechenland. Die würden ebenfalls dadurch strukturelle Probleme bekommen, sagte der Finanzminister. Österreich sei aufgrund seiner hohen Anzahl an Flüchtlingen jedenfalls höher betroffen als Griechenland und Italien zusammen. „Ich erwarte mir, dass darauf entsprechend reagiert wird und Einmalkosten im strukturellen Defizit herausgerechnet werden können“, so Schelling.
Währungskommissar verspricht Prüfung
Vom Vorschlag der Investitionsbank EIB halte er sehr viel. Es seien mehrere Probleme gleichzeitig zu bewältigen. Österreich werde heuer 80.000 Asylwerber bekommen. „Die Hälfte könnten bei uns bleiben. Da braucht man Kindergartenplätze, Schulplätze, Arbeitsplätze und Wohnraum.“
EU-Währungskommissar Pierre Moscovici versprach eine Analyse der Forderung der Finanzminister: „Man muss die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen dieser Krise auf die einzelnen Haushalte prüfen.“ Die Finanzminister könnten bei ihrem nächsten Treffen Anfang Oktober darüber diskutieren.
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