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Eigener Fonds für Integration

Mit bis zu 5.000 Flüchtlingen pro Tag rechnet Österreichs Regierung derzeit. Doch auch wenn der Großteil davon nicht in Österreich bleiben will, werden nun die Mittel aufgestockt. 75 Mio. Euro werden für Integrationsmaßnahmen bereitgestellt. Die Grundversorgung der Flüchtlinge in Österreich soll 420 Mio. Euro kosten.

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Die 420 Mio. Euro seien allerdings nur vorläufige Zahlen, so Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Freitag bei einer Pressekonferenz im Rahmen der Regierungsklausur zur aktuellen Flüchtlingsfrage - die Lage und damit die Zahlen würden sich laufend ändern. 75 Mio. Euro werden als zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt und sollen unter anderem für den Ausbau von Sprachkursen, neue Integrationsangebote und den Ausbau der Lehre für Asylwerber aufgewendet werden.

Faymann und Mitterlehner vor der Presse

In einer Presskonferenz nannte die Regierungsspitze Details zu den geplanten Maßnahmen und deren Kosten.

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) bezifferte später am Tag die „Mehrkosten“ für die Grundversorgung von Flüchtlingen in Österreich mit 350 Millionen Euro. Beim ECOFIN in Brüssel wies Schelling Berichte über Zusatzkosten von einer Mrd. Euro durch die Flüchtlingskrise zurück. „Es gibt keinen zusätzlichen Finanzbedarf, weil schon jetzt aufgrund der humanitären Hilfe relativ viel im Budget drin ist. Wir haben im Bundesfinanzrahmengesetz zusätzliche Mittel eingetaktet, die jetzt ins Budget übernommen werden.“

Regierung bei Zahlen vorsichtig

Das Regierungsprogramm sieht unter anderem vor, dass mobile Einsatzteams aus Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeitern im Schulbereich zum Einsatz kommen. Zudem wird die Möglichkeit für Asylwerber ausgeweitet, eine Lehre anzutreten. Künftig soll das in sämtlichen Lehrberufen in Branchen mit Fachkräftemangel möglich sein, etwa bei Köchen. Theoretisch könnten so 5.000 Asylwerber eine Lehre antreten Zivildiener sollen vermehrt zur Betreuung von Flüchtlingen eingesetzt werden . Dazu kommt eine projektbezogene Integrationsförderung seitens des Außenministeriums. 70 Mio. Euro sollen für den Arbeitsmarkt bereitgestellt werden.

Bundeskanzler  Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner

APA/Herbert Neubauer

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) stellten die jüngsten Pläne vor

Mitterlehner betonte, dass man bei den Zahlen besonders sensibel umgehen wolle, nachdem im Vorfeld schon Milliardenschätzungen kolportiert worden seien, da viele Bürger Angst hätten, dass ihnen durch die Hilfe für die Flüchtlinge etwas entgehen könnte. Bei den Kosten gehe es auch nur rein um die Abdeckung des Notwendigen. Die Bundesländer bekommen im Rahmen des Stabilitätspakts ebenfalls Spielraum, ihnen wird eine Abweichung beim Stabilitätspakt von bis zu 0,1 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) ermöglicht - das sind bis zu 345 Mio. Euro.

Bundesheer übernimmt Koordination

Um mit der schwierigen Transportsituation angesichts der Tausenden täglich nach Österreich kommenden Flüchtlinge besser fertig zu werden, übernimmt nun das Bundesheer unter Leitung von Generalstabschef Othmar Commenda die Koordination, kündigte Faymann an. Was die Quartiersituation angeht, sicherte er zu, dass bis Mitte Oktober alle in Grundversorgung befindlichen Asylwerber eine feste Unterkunft haben sollen. Derzeit seien 2.300 Menschen in Grundversorgung in Zelten. Mitterlehner sagte, es würden bis zu 20.000 fest Quartiere benötigt.

Zelte sollen nur noch kurzfristig in Notsituationen zum Einsatz kommen. Faymann bedankte sich zudem ausdrücklich bei den NGOs, die Großes geleistet hätten und die Menschen anders begrüßt hätten als etwa in Ungarn und Serbien. Mitterlehner merkte allerdings auch an, dass ein Kippen der Stimmung in der Bevölkerung zu spüren sei, dem die Regierung entgegensteuern wolle.

Durchschnittlich 5.000 Flüchtlinge pro Tag

Österreich rechne auf Basis der jüngsten Schätzungen Deutschlands mit täglich durchschnittlich 5.000 Flüchtlingen bis Jahresende, so Faymann weiter, wobei dabei eingerechnet sei, dass in den kälteren Monaten weniger Flüchtlinge erwartet werden. In Österreich werde mit einem Bedarf von bis zu 80.000 Betreuungsplätzen gerechnet. Verstärkte Kontrollen an den Grenzen würden bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise nicht helfen, so Mitterlehner, denn dann würden die Menschen andere Wege suchen. Derzeit würden in Summe 300 bis 400 Menschen pro Tag um Asyl in Österreich ansuchen.

Regierungsklausur zur Flüchtlingsfrage

APA/Herbert Pfarrhofer

Am Freitag traf sich die gesamte Regierungsspitze samt Flüchtlingskoordinator Christian Konrad zu einer Klausur

Klar sei aber auch, dass es internationale Anstrengungen brauche, um für eine Entspannung in der Flüchtlingsfrage zu sorgen, so Faymann. Dazu gehöre eine Unterstützung von Camps außerhalb der EU-Grenzen durch EU und UNO und eine Entspannung der politischen Lage in Syrien. Die Regierung will sich auch weiter für eine gemeinsame Grenzsicherung mit Hotspots einsetzen und für eine Vereinheitlichung der Asylstandards innerhalb der EU-Staaten.

Hilfe „alternativlos“

Die Hilfe für die Flüchtlinge sei „alternativlos“, so die Regierungsspitze, es gebe aktuell eine Notsituation. Faymann lobte in diesem Zusammenhang die Kooperation mit Deutschland und kritisierte das Verhalten Ungarns: Der „Pushfaktor“, den Ungarns Regierungschef Victor Orban mit Stacheldrähten und angedrohten Gefängnisstrafen auslöse, habe „nichts mit Menschlichkeit zu tun“. Jeder Mensch müsse die Chance haben, Asylrecht zu bekommen. Und das müsse in ganz Europa gleich gelten. Faymann und Mitterlehner betonten, dass man in Österreich nicht mit Gewehren gegen Asylwerber vorgehen werde.

UNHCR begrüßt Regierungspläne

Lob bekam die Regierung am Freitag vom UNO-Flüchtlingshochkommissariat. „Die Unterstützung der ersten Schritte für Flüchtlinge in Österreich, sei es im Bildungsbereich oder auch auf dem Arbeitsmarkt, kann wesentlich zu einer gelungenen Integration beitragen“, so Christoph Pinter, Leiter von UNHCR Österreich, in einer Aussendung.

Durch die angekündigten Maßnahmen werde es für Flüchtlinge einfacher, ihre Talente und Potenziale in Österreich einzubringen und aktiv an der Gesellschaft teilzunehmen, hofft er. Weiters begrüßt das UNHCR, dass sich die Regierung zur Schaffung fester Quartiere bekennt. „Damit vor dem Winter keine Asylsuchenden mehr in Zelten unterkommen müssen oder überhaupt keinen festen Schlafplatz haben, wird nochmals eine Kraftanstrengung aller Verantwortlichen notwendig sein. Umso wichtiger ist der heutige Beschluss, diese Aufgabe gemeinsam zu schultern“, sagte Pinter.

Für Grüne „erster notwendiger Schritt“

Die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun sah in den am Freitag angekündigten Integrationsmaßnahmen einen ersten notwendigen Schritt - weitere, etwa bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen sowie der Arbeitserlaubnis für Asylwerber, müssten nun folgen. Wenig beeindruckt von der Regierungsperformance war hingegen NEOS- Menschenrechtssprecher Niki Scherak nach einem Lokalaugenschein in Nickelsdorf. Er zeigte sich „schockiert“, dass dort Tausende Menschen festsitzen würden und es keine Informationen gebe, wie es weiter gehen solle.

FPÖ und TS für Grenzschließung

FPÖ und Team Stronach (TS) forderten am Freitag eine Schließung der Grenzen. „Wir müssen die Notbremse ziehen, sonst wird diese neue Völkerwanderung nicht nur den Arbeitsmarkt bedrohen, sondern sämtliche Systeme in Österreich“, so FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Nicht die Dublin-Vereinbarung müsse ausgesetzt werden, sondern Schengen.

„Es muss Schluss sein mit dem unkontrollierten Flüchtlingsstrom, der nach und durch Österreich zieht“, sagte TS-Klubobmann Robert Lugar. Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun forderte ihrerseits, dass das Bundesheer mit seinen gesamten Kapazitäten bei der Bewältigung der vielen Flüchtlinge hilft.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) schloss eine Grenzschließung im Vorfeld der Klausur nicht aus. Dieses „letzte Mittel“ lasse man sich offen. Derzeit arbeite die Polizei im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und es gebe Stichproben, so Mikl-Leitner.

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