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Tausende weitere Flüchtlinge erwartet

Tausende Flüchtlinge sind im Laufe der vergangenen Stunden über Ungarn nach Österreich eingereist - das Innenministerium hat zuletzt von knapp 5.700 gesprochen, die Tendenz sei „stark steigend“. Zu Mittag kamen 1.000 zu Fuß über die Grenze. Die ÖBB zogen nun Konsequenzen und stellten aufgrund der „massiven Überlastung“ den Zugsverkehr zwischen Österreich und Ungarn vorübergehend ein.

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Das betreffe sowohl die railjet-Verbindung auf der Strecke Wien - Budapest als auch grenzüberschreitende Regionalzüge, wie die ÖBB am Donnerstag mitteilten. Der Zugsverkehr habe eingestellt werden müssen, weil das Sicherheitsrisiko zu groß gewesen sei. Die aus Ungarn kommenden Züge seien „dermaßen überfüllt, dass wir sie auf keinen Fall weiterfahren lassen können. In Österreich dürfte so ein Zug den Bahnhof gar nicht verlassen“, sagte ÖBB-Sprecher Michael Braun. Ob der Verkehr am Freitag wieder anlaufen kann, sei noch nicht absehbar.

„Komplett überlastet“

Seit etwa zwei Wochen sei bei den ÖBB „alles, was Räder hat, unterwegs“, versicherte der Sprecher. Dass derzeit generell weniger Züge zur Verfügung stehen, ist laut Innenministerium auf die „organisatorischen Nachwehen“ vom Wochenende zurückzuführen. Die Garnituren müssten gewartet und gereinigt werden, so Braun. Ob die Züge danach für einen möglichen Einsatz als Sondertransport für Flüchtlinge nach Deutschland verwendet werden können, war noch offen.

Flüchtlinge auf dem Wiener Westbahnhof

ORF.at/Lukas Krummholz

Der Wiener Westbahnhof gerät an seine Kapazitätsgrenzen

MAV führt Zugsverkehr weiter

Nach eigenen Angaben wickelt die Ungarische Eisenbahn (MAV) auch am Donnerstag weiter Zugsverkehr vom Budapester Ostbahnhof (Keleti) nach Hegyeshalom ab. Das sagte MAV-Sprecherin Virag Löcsei gegenüber der APA. Anstelle der ausgefallenen Züge würden Ersatzzüge eingesetzt, die bis nach Hegyeshalom verkehren. Der normale Inlandszugverkehr in Ungarn werde unverändert abgesichert. Alle Stunden würden damit Züge vom Ostbahnhof in Richtung Hegyeshalom verkehren.

Unterdessen gerät die Drehscheibe für Weiterreisende nach Deutschland, der Wiener Westbahnhof, zunehmend an seine Grenzen. Laut ÖBB ist das System „komplett überlastet“ - mehr dazu in wien.ORF.at. Bis auf Weiteres werden auch keine Tickets für Fahrziele in Ungarn verkauft, heißt es in einer ÖBB-Aussendung.

„Unser Möglichstes reicht nicht mehr“

Trotz dieser Situation wird es vorerst keine Sonderzüge der ÖBB nach Deutschland geben: „Wir tun unser Möglichstes, aber das Möglichste reicht nicht mehr“, sagte ÖBB-Sprecher Braun. Man sei nun an die Grenzen gestoßen. In die regulären Züge nach Deutschland dürfen derzeit nur begrenzt Flüchtlinge einsteigen - je nach verfügbaren Plätzen. Das System sei „komplett überlastet“, so Braun.

Flüchtlinge auf Bahngleisen in Ungarn

APA/AP/Matthias Schrader

Viele Flüchtlinge sind zu Fuß unterwegs nach Österreich

Transport mit Bussen, Zelte in Nickelsdorf

Bereits zuvor hatte man den Transport von Flüchtlingen von Nickelsdorf nach Wien und Wels und laut Polizei „zu anderen Destinationen“ mit Bussen durchgeführt. Dort waren am Vormittag 18 Fahrzeuge des Unternehmens Dr. Richard eingetroffen. Die Busflotte soll weiter verstärkt und zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden. Das sind Ergebnisse einer Tagung des Einsatzstabs im Innenministerium am Donnerstag.

„Wir haben eine Situation wie zum Wochenende“, sagte Ressortsprecher Karl-Heinz Grundböck, „mit dem Unterschied einer eingeschränkten Transportkapazität auf der Schiene.“ Die Informationslage aus Ungarn sei „weiterhin sehr dürftig, was das Vorgehen und die Planung der dortigen Behörden betrifft“, sagte Grundböck. Das erfordere entsprechende Flexibilität, wenn sich die Lage ändert.

Lage in Nickelsdorf

Laut Polizei sind in Nickelsdorf zu Mittag 1.000 neue Flüchtlinge angekommen. Mit Bussen wurden sie nach Wien bzw. in andere Städte gebracht.

Wien prüft einige neue Notquartiere

Grundböck sprach von einer „konstruktiven Zusammenarbeit“ aller Behörden und Hilfsorganisationen. Zur zwischenzeitlichen Unterbringung habe man in Nickelsdorf Zelte aufgestellt. Aber auch in Kasernen sollen Flüchtlinge unterkommen. „Das wird geprüft“, sagte Grundböck dazu. Rund um die Wiener Bahnhöfe gibt es derzeit 500 Notschlafplätze für durchreisende Flüchtlinge. Der Bedarf wird steigen, daher prüft die Stadt derzeit mehrere Quartiere, unter anderem Kasernen und leerstehende Gebäude - mehr dazu in wien.ORF.at.

Auf der Durchreise

Rund 600 Flüchtlinge trafen am Donnerstag aus Nickelsdorf in Graz ein, die meisten konnten bereits weiterreisen - mehr dazu in steiermark.ORF.at. In Salzburg mussten laut dem Roten Kreuz rund 650 Flüchtlinge im Salzburger Hauptbahnhof übernachten - mehr dazu in salzburg.ORF.at. In der Nacht auf Donnerstag machten fast 900 Flüchtlinge auf der Durchreise in Oberösterreich Station. Im Welser Bahnhof wurden 470 Menschen von Helfern versorgt. In Linz mussten über 400 Flüchtlinge in Notquartieren untergebracht werden - mehr dazu in ooe.ORF.at.

Anhaltender Andrang an Grenze

An der serbischen Grenze zu Ungarn sollen sich rund 4.000 Schutzsuchende aufhalten, wie es Donnerstagmittag hieß. In der Nacht auf Donnerstag waren bereits mehr als 3.700 Flüchtlinge in Nickelsdorf angekommen. Der Andrang der Menschen brachte die Einsatzkräfte an den Rand ihrer Kapazitäten. Allein zwischen Mitternacht und 3.00 Uhr seien mehr als 1.700 Menschen aus Ungarn eingetroffen, teilte die Polizei mit - mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Flüchtlinge aus Ungarn

APA/Herbert P. Oczeret

In Nickelsdorf wurden die Flüchtlinge erstversorgt

Nur wenige stellen Asylantrag in Österreich

Die meisten Flüchtlinge, die aus Ungarn ankamen, wollten wie bisher weiter nach Deutschland. Nur einige Familien stellten in der Nacht einen Asylantrag, laut Polizei gab es bis in die frühen Morgenstunden rund 20 Anträge. Laut Polizei kommen die meisten Flüchtlinge derzeit innerhalb eines Tages von der serbischen Grenze nach Österreich. Vom ungarischen Röszke würden die meisten nach Budapest fahren und von dort mit dem Zug nach Hegyeshalom.

Angespannte Lage in Budapest

Die Lage auf dem Keleti-Bahnhof war unterdessen am Donnerstagvormittag angespannt. Rund 2.000 Flüchtlinge wollten dort einen Zug in Richtung Westen besteigen, wie die Behörden mitteilten. Ein starker Polizeikordon hielt die Flüchtlinge von dem Bahnsteig zurück. Die Polizei sowie die Ungarische Bahn (MAV) wollten gemeinsam für die Sicherheit der Flüchtlinge und des Zugsverkehrs sorgen, sagte eine Polizeisprecherin auf APA-Anfrage am Donnerstagvormittag.

In ganz Ungarn waren am Mittwoch 3.321 Migranten aufgegriffen worden, wie die Polizei am Donnerstag mitteilte. In der nordserbischen Grenzstadt Kanjiza trafen binnen 24 Stunden 4.000 Flüchtlinge ein. Das ist bisher die höchste Zahl innerhalb eines Tages. Gleichzeitig passierten laut Belgrader Medienberichten 3.300 Flüchtlinge die Grenze zu Ungarn. Im Aufnahmelager von Kanjiza halten sich Flüchtlinge in der Regel nur für kurze Zeit auf, wie der staatliche TV-Sender RTS berichtete.

Ungarn verschärft Bedingungen

Auch Hilfsorganisationen erwarten in den kommenden Tagen weiter eine große Anzahl von Flüchtlingen. Da am Montag in Ungarn verschärfte Einwanderungsbestimmungen in Kraft treten, versuchen zahlreiche Menschen, noch vorher Ungarn Richtung Österreich zu durchqueren. Das umstrittene neue ungarische Einwanderungsgesetz sieht unter anderem Gefängnisstrafen von bis zu drei Jahren für alle vor, die den von Budapest an der Grenze zu Serbien errichteten Stacheldrahtzaun überwinden. Am Wochenende hatten insgesamt 15.000 aus Ungarn kommende Flüchtlinge die Grenze nach Österreich passiert. In den vergangenen Tagen hatte der Zustrom vorübergehend deutlich nachgelassen.

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