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Sonderzonen für Flüchtlinge

Ungarn plant ein Militärmanöver in der Nähe der Grenze zum Nachbarland Serbien - unter dem Motto „Entschlossenes Auftreten“. Das teilte das Verteidigungsministerium in Budapest am Mittwoch mit. Mitten im Manövergebiet liegt das ungarische Erstaufnahmelager Röszke.

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Die Armee kündigte an, dass für das Manöver „Entschlossenes Auftreten 2015“ Soldaten und militärisches Gerät in das Gebiet zwischen den Städten Hodmezövasarhely und Baja transportiert würden. Es wurde vor Staus im ungarischen Straßenverkehr gewarnt. Offizielle Angaben zu den Dimensionen der Übung oder einem genauen Termin gab es nicht. Die ungarische Nachrichtenagentur MTI zitierte den Stabschef, General Tibor Benko, wonach das Manöver eine Übung für den künftigen Grenzeinsatz der Soldaten sei.

Karte zeigt ungarisch-serbische Grenzregion

Grafik: Omniscale/OSM/APA/ORF.at

Im Gebiet der Militärübung liegt das Erstaufnahmelager Röszke

Ungarns Regierung will die Grenzsicherung auch durch Soldaten verstärken. Dafür gibt es bisher noch kein grünes Licht vom Parlament. Laut Angaben des Abgeordneten Gergely Gulyas von der regierenden FIDESZ-Partei soll das ungarische Parlament voraussichtlich am 22. September darüber abstimmen. Am Freitag hatte die links-liberale Opposition dazu eine Abstimmung im Parlament verhindert - unter Berufung auf Hausordnungsformalien.

Ungarische Armee sucht Verstärkung

Die ungarische Armee ist bereits auf der Suche nach Verstärkung. Laut dem Onlineportal Privatbankar.hu wurde am Dienstag gezielt eine Anwerbeaktion für Personal für den Grenzschutz in der Flüchtlingskrise gestartet. Im ganzen Land werden laut dem Staatsfernsehen Rekrutierungsbüros über die Bedingungen für die Aufnahme in die Armee und den Sold informieren.

Laut Expertenmeinung ist die Flüchtlingsbewegung nach Ungarn deswegen so groß, weil am 15. September neue gesetzliche Regeln für einen erhöhten Grenzschutz in Kraft treten. Es werden „Grenzjäger“ - speziell für den Grenzeinsatz ausgebildete Polizisten - eingesetzt, der illegale Grenzübertritt wird als Straftat und nicht mehr als Verwaltungsübertretung geahndet.

Ungarn will Flüchtlinge in Zone festhalten

Ungarn will auch eine eigene Zone errichten, in denen laut Gulyas Flüchtlinge festgehalten werden sollen. Das Gebiet werde vom Rest Ungarns abgetrennt. Abgelehnte Asylbewerber würden dann über die Grenze nach Serbien abgeschoben. Dorthin werde die Zone auch offen bleiben, sodass Flüchtlinge jederzeit dorthin zurückkehren könnten. „In Richtung Ungarn wird die Zone dagegen natürlich geschlossen“, so Gulyas. Da das Gebiet zu Ungarn gehöre, werde das Land die Flüchtlinge dort versorgen.

In der Zone, die unmittelbar nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes am 15. September errichten werden sollen, würden „Richter am Fließband die Asylanträge der Migranten beurteilen“, schrieb das Portal VS.hu am Mittwoch. Das Portal will aus Regierungsquellen wissen, dass sich nur ein paar Dutzend Flüchtlinge, die auf die Beurteilung ihres Asylantrags warten, in einer Zone aufhalten dürfen. Alle anderen Flüchtlinge sollen außerhalb warten müssen, wobei nicht klar, ist, wie und wo Ungarn die Sicherung zum Umland ziehen will.

Minister verteidigt Einwanderungsgesetz

Ungarns Justizminister Laszlo Trocsanyi sagte am Mittwoch vor Journalisten, das neue Einwanderungsgesetz sei voll im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention. „Artikel 31 der Konvention sagt ganz klar, dass der illegale Grenzübertritt nicht erlaubt ist, wenn die Person aus einem Land kommt, in dem ihr Leben nicht in Gefahr ist.“ Die Flüchtlinge kämen aus Serbien nach Ungarn, „und in Serbien ist meines Wissen kein Leben bedroht“. Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge hatte gewarnt, dass das Gesetz den Grundsatz der Genfer Konvention aushebeln könnte, wonach niemand wegen illegalen Grenzübertritts verfolgt werden darf, wenn er Asyl beantragen will.

Flüchtlinge zu Fuß unterwegs

Die ungarische Polizei sperrte am Mittwoch erneut die Autobahn M5 in Richtung Budapest für kurze Zeit, da sich viele Flüchtlinge zu Fuß von der serbischen Grenze auf den Weg in die ungarische Hauptstadt gemacht hatten. Nach Verhandlungen mittels Dolmetscher ließen sich die 100 bis 150 Menschen schließlich weiter in das Sammellager Vamosszabadi nahe der westungarischen Stadt Györ bringen. Die Autobahnsperre konnte wieder aufgehoben werden.

Dienstagabend durchbrachen ebenfalls Hunderte Flüchtlinge an der Grenze zu Serbien eine Polizeiabsperrung und machten sich zu Fuß Richtung Budapest auf. Nach Zusammenstößen mit der Polizei, bei denen diese Tränengas einsetzte, gaben die Flüchtlinge am Abend auf und ließen sich zu einer Registrierungsstelle bringen.

Zustände in Röszke „Katastrophe“

Die Zustände im Flüchtlingslager Röszke an der ungarisch-serbischen Grenze sind nach Beobachtungen der Organisation Ärzte ohne Grenzen untragbar. „Das ist eine Katastrophe“, sagte Teresa San Cristobal, Leiterin der Ärztemission in der nahe gelegenen Stadt Szeged am Mittwoch. Es gebe keinerlei Koordination durch die ungarischen Behörden. In Röszke hat Ungarn vor vier Tagen ein neues Lager mit beheizbaren Armeezelten und gut 1.000 Schlafplätzen geöffnet. Es sollte ein altes Containerlager ersetzen. Nun sind beide Lager stets überfüllt.

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