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„Stacheldraht hält Menschen nicht auf“

Der aktuelle Zuzug von Flüchtlingen könnte nur durch Stabilität und Sicherheit in den Krisenregionen gestoppt werden. Die EU-Staaten müssten daher gemeinsam dort für Stabilität und Sicherheit sorgen, wo Krieg und kriegsähnliche Zustände herrschen, sagte Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ).

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Österreich stehe für entsprechende militärische Missionen zur Verfügung, so Klug im Interview mit der APA. Auch für einen Assistenzeinsatz an den österreichischen Grenzen sei das Militär bereit.

Betreiben und Sichern von Schutzzonen

Noch seien etwaige Stabilisierungsschritte in Syrien offen, sollte es zur Errichtung von Schutzzonen kommen, könnte das Bundesheer im Betreiben und im Sichern dieser Schutzzonen einen Beitrag leisten. „Unsere Soldaten werden dafür ausgebildet. Wir haben die Profis dafür und wir würden dafür zur Verfügung stehen“, so Klug. Die Voraussetzung dafür sei natürlich ein UNO-Mandat.

Grundsätzlich brauche es aber einen „Maßnahmenmix“ im Umgang mit den vielen Flüchtlingen. Neben der Ursachenbekämpfung brauche es eine engere Abstimmung zwischen internationaler Sicherheitspolitik und Entwicklungszusammenarbeit. Bei der Verknüpfung dieser beiden Punkte gebe es noch „Verbesserungsmöglichkeiten“, sagte der Minister.

Klug für Erstaufnahmezentren an EU-Außengrenze

Was die Zusammenarbeit innerhalb der EU betrifft, sieht Klug zwei Lösungsansätze. Einerseits könnten besonders geforderte Einzelstaaten bilateral unterstützt werden, etwa beim Betreiben von Flüchtlingslagern. Andererseits sollen an den EU-Außengrenzen, etwa in Italien, Griechenland und Ungarn, Erstaufnahmezentren errichtet und von der EU gemeinsam mit dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) und den betroffenen Staaten betrieben werden. „Ich bin sehr optimistisch, dass wir auf EU-Ebene einen guten nächsten Schritt setzen werden, setzen werden müssen.“

Skeptisch zeigte sich Klug darüber, dass man Flüchtlinge mit einer stärkeren Sicherung der EU-Außengrenzen bremsen könnte. „Menschen, die vor Terror, Krieg und Tod flüchten, lassen sich auch durch einen Stacheldraht nicht aufhalten. Das ist eine Illusion.“ Daher müsse man zu einen System kommen, in dem Menschen legal nach Europa einreisen können.

„Ohne Sicherheit ist vieles nichts“

„Erstaufnahmezentren an der EU-Außengrenze wären ein guter Weg.“ Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass Menschen gezwungen sein werden zu flüchten, solange in den Krisenregionen keine Sicherheit und Stabilität herrsche. „Es ist vielleicht eine banale Erkenntnis: Aber ohne Sicherheit ist vieles nichts.“

Deswegen gewinne der afrikanische Kontinent für die Sicherheit Europas und Österreichs an Bedeutung, und deswegen leiste Österreich hier mit seinen Auslandsmissionen einen solidarischen Beitrag. Derzeit sind rund 1.000 Soldaten an internationalen Friedensmissionen beteiligt, und diese gemessen an der Größe des Landes hohe Zahl will Klug beibehalten. „Das Halten dieses hohen Niveaus ist mir politisch wichtig und ist ein deutliches Zeichen für internationale Solidarität.“

Keine Signale für Assistenzeinsatz an Grenze

Klug bekräftigte, dass das Bundesheer auch für einen Assistenzeinsatz an den österreichischen Grenzen zur Verfügung stehe. Er sagte aber, dass man hier der Bevölkerung „reinen Wein einschenken“ müsse. Dadurch „würde kein einziger Flüchtling weniger kommen. Wir können sie nur aufgreifen und bis zur nächsten Polizeistation bringen und übergeben.“ Das Bundesheer stehe aber grundsätzlich zur Verfügung. „Wir haben die Soldaten dafür. Wenn das Innenministerium der Meinung ist, dass die Polizei an ihre Kapazitätengrenze stößt, und das Bundesheer anfordert, würden wir zur Verfügung stehen.“ Signale für einen baldigen Assistenzeinsatz habe er aber nicht erhalten, sagte der Minister.

Britische Luftwaffe flog Angriffe in Syrien

Der britische Premierminister David Cameron gab unterdessen bekannt, dass die Luftwaffe seines Landes Ende August erstmals die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien angriff. Vor dem Unterhaus in London sagte Cameron am Montag, bei dem Drohnenangriff in der Nähe der IS-Hochburg al-Rakka am 21. August seien drei IS-Kämpfer getötet worden, darunter zwei Briten.

Bei dem „Präzisionsangriff“ mit einer ferngesteuerten Drohne auf ein fahrendes Fahrzeug sei unter anderen der britische IS-Kämpfer Reyaad Khan getötet worden, sagte Cameron. Es habe sich um einen „Akt der Selbstverteidigung“ gehandelt. Cameron sagte weiter, er prüfe einen Militäreinsatz gegen den IS in Syrien. Vor zwei Jahren hatte das Unterhaus einen Syrien-Einsatz abgelehnt.

Die britische Regierung schließt weitere Drohnenaktionen nicht aus. Man werde nicht zögern, wenn Extremisten Anschläge in Großbritannien begehen wollten, sagte Verteidigungsminister Michael Fallon am Dienstag in einem BBC-Interview. Fallon nannte keine Details zu Anschlagsplänen. Auch Einzelheiten zu Zielen wurden nicht bekannt.

Frankreich bereitet Luftangriffe gegen IS vor

Auch die französische Regierung bereitet mögliche Luftangriffe gegen den IS in Syrien vor. Der französische Präsident Francois Hollande sagte in Paris, er habe Aufklärungsflüge über syrischem Gebiet angeordnet, um dort „Angriffe gegen den IS“ zu ermöglichen. Anschließend könnten Luftangriffe gegen den IS in Betracht gezogen werden.

Frankreich hatte sich vor einem Jahr den US-geführten Luftangriffen gegen den IS im Irak angeschlossen, ein solches Vorgehen in Syrien aber zunächst ausgeschlossen. Es gehe nun darum, „den Gefahren für unser Land entgegenzutreten“, sagte Hollande am Montag. „Von Syrien aus, dafür haben wir Beweise, werden Angriffe gegen mehrere Länder organisiert, auch gegen unser Land.“

Der IS sei mit seinen „Massakern“ zudem für die Flucht „Tausender Familien“ aus Syrien und dem Irak verantwortlich. „Wir wollen wissen, was in Syrien gegen uns vorbereitet und was gegen die syrische Bevölkerung unternommen wird“, fügte Hollande hinzu. Einen Einsatz von Bodentruppen in Syrien schloss er - wie auch im Irak - aus.

UNO warnt vor Ausweitung des Konflikts

Die Zahl der aus Syrien fliehenden Menschen könnte nach Einschätzung des UNO-Sondergesandten Staffan de Mistura noch einmal drastisch zunehmen. Sollte sich der Bürgerkrieg auf das Gebiet der bisher weitgehend vom Konflikt verschont gebliebenen Mittelmeer-Küstenstadt Latakia ausweiten, sei mit bis zu einer Million zusätzlichen Flüchtlingen zu rechnen, sagte der Diplomat am Montagabend vor Journalisten in Brüssel. Die meisten von ihnen würden nach seiner Einschätzung versuchen, mit Booten über das Mittelmeer nach Europa zu kommen. Zudem könne auch ein weiterer Vormarsch des IS die Fluchtbewegungen verstärken. „Die Tendenz ist besorgniserregend“, so De Mistura.

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