„Tiefe Differenzen“
Das Werben um eine verpflichtende Quote für die Aufnahme von Flüchtlingen in den EU-Staaten bleibt weiter erfolglos. Die Slowakei und Tschechien bestehen auf ihrem Nein. Auch andere Staaten sperren sich dagegen, mehr Flüchtlinge aufzunehmen.
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„Es gibt weiterhin tiefe Differenzen, was die Quoten angeht“, erklärte der slowakische Regierungschef Robert Fico nach einem Treffen mit Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) am Montagnachmittag in Bratislava. „Migranten, die in Europa ankommen, wollen nicht in der Slowakei bleiben. Deswegen denke ich, dass Quoten irrational sind.“ Am Nachmittag hatte sich der slowakische Staatspräsident, Andrej Kiska, für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen ausgesprochen.
„Bezüglich der Quoten sind wir uns nicht einig“, sagte auch sein tschechischer Amtskollege, Bohuslav Sobotka. Er habe Quoten abgelehnt, weil er sie nicht als die wirkliche Lösung der Flüchtlingskrise erachte. Wichtiger seien der Schutz der Schengen-Außengrenzen und eine Regulierung des Flüchtlingsstroms. „Wir wollen beitragen, wir wollen helfen, aber auf freiwilliger Basis“, so Sobotka.
Faymann hofft auf gute Beziehungen
Faymann sagte nach dem Treffen, er sei dankbar für die Gespräche, „auch wenn wir noch nicht ganz der gleichen Meinung sind. Aber das ist das Wesen der Europäischen Union, dass man unter Freunden hart diskutiert.“ Er habe bei dem Treffen jedenfalls den „Eindruck“ gewonnen, „dass wir wissen: Eine Lösung gibt es nur miteinander.“ Menschen, die vor Krieg flüchten, hätten aber „Recht auf Asyl“, Kriegsflüchtlinge „können wir nicht aussperren“.

APA/Andrea Vesela
Faymann mit Fico und Sobotka
Er wolle die guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu Prag und Bratislava nutzen, um auch in dieser Frage zu einer Lösung zu kommen, so Faymann weiter. Im Vorfeld hatte er angedroht, den Druck auf jene Länder erhöhen zu wollen, die sich einer EU-weiten Lösung widersetzen. In dem Fall will er EU-Förderungen an diese Länder zurückhalten.
Rumänien will nur wenige Flüchtlinge
Die Slowakei hat bis Ende Juni 105 Flüchtlinge aufgenommen. In Tschechien waren es bis Ende August etwa 765, während im selben Zeitraum in Österreich 28.317 Menschen Asyl beantragten. Der von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag sieht dagegen für Österreich nach Angaben des Bundeskanzleramts um zwei Drittel weniger, also die Aufnahme von 10.937 Flüchtlingen, vor. Faymann ist in engem Kontakt mit Deutschland und Schweden und trifft am Dienstag den schwedischen Ministerpräsidenten, Kjell Stefan Löfven, in Stockholm.
Der rumänische Präsident, Klaus Iohannis, erklärte am Montag, dass er nicht an die Einführung verpflichtender Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen in der EU glaube. Das würde die Flüchtlingskrise nicht lösen, so Iohannis bei einer Pressekonferenz in Bukarest. Rumänien könne jedenfalls nicht mehr als 1.785 Flüchtlinge aufnehmen. Laut Informationen des Innenministeriums wurden seit Jahresbeginn etwa 900 Asylanträge verzeichnet, vor allem von Syrern, von denen rund 300 stattgegeben wurde.
EU-Plan wird am Mittwoch vorgestellt
EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos warb am Montag bei den Mitgliedsstaaten um Unterstützung ebenfalls für den neuen Vorschlag von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er zähle auf alle Mitgliedsstaaten, das zu unterstützen, sagte Avramopoulos nach einem Besuch im Flüchtlingslager Traiskirchen. Der Ansturm der Asylsuchenden könne nicht von einzelnen wenigen Ländern bewältigt werden. „Es ist essenziell, dass die Mitgliedsstaaten ihre Solidarität zeigen“, so Avramopoulos.
Am Mittwoch will die EU-Kommission die neue Quote vorstellen. Im Mai hatte sie bereits Pläne für die Verteilung von 40.000 Menschen aus Italien und Griechenland vorgelegt, worauf sich die EU-Staaten aber bisher nicht einigen konnten. Nun sollen weitere 120.000 Menschen aus Italien, Griechenland und Ungarn verteilt werden. Großbritannien, Irland und Dänemark müssen aufgrund von Ausnahmeklauseln nicht an dem System teilnehmen. Frankreich und Schweden sprachen sich im Vorfeld grundsätzlich für den Quotenplan aus.
Bewegungen in Großbritannien
Der britische Premier, David Cameron, kündigte am Montag an, dass Großbritannien in den kommenden fünf Jahren bis zu 20.000 Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen werde. Polen will innerhalb der nächsten zwei Jahre hingegen nicht mehr als 2.000 Flüchtlinge aufnehmen. Dänemarks Ministerpräsident, Lars Lökke Rasmussen, kündigte am Montag an, aktuell mehr Asylwerber aufnehmen zu wollen. Die Regierung hatte am Montag abschreckende Anzeigen in einigen libanesischen Tageszeitungen zu den Asylregeln geschaltet. Auch Kanada will rund 3.600 syrische Flüchtlinge aufnehmen.
Ungarn: Keine Forderung nach Grenzschließung
Die ungarische Botschaft in Wien erklärte am Montag, dass Ungarn von Österreich und Deutschland keine Grenzschließung fordert. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban hatte am Sonntagabend in der ZIB erklärt, Wien und Berlin sollen „klar sagen“, dass keine weiteren Flüchtlinge mehr aufgenommen werden, da ansonsten weiterhin „mehrere Millionen“ Menschen nach Europa kommen würden. Er habe aber „mit keinem Wort“ darauf hingewiesen, dass die Grenzen tatsächlich geschlossen werden sollen, so die Botschaft am Montag in einer Stellungnahme.
Viktor Orban im Interview
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat ORF-Korrespondent Ernst Gelegs ein Exklusivinterview zur Flüchtlingskrise gegeben.
Die Einreise in die EU ohne Papiere entspreche nicht den Regeln, trotzdem habe Österreich die Migranten ungehindert einreisen lassen, kritisierte Orban. Ungarische Medien erinnerten daran, dass Orban persönlich darüber entschieden hatte, Tausende Flüchtlinge ohne jegliche Registrierung mit Bussen in der Nacht auf Samstag an die österreichische Grenze transportieren zu lassen.
Ungarn pocht auf EU-Regeln
Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto betonte am Montag im ungarischen staatlichen Fernsehen die Wichtigkeit des Schutzes der Grenzen und die Entschlossenheit Ungarns, auch weiterhin die Außengrenze der EU zu schützen und die Rechtsnormen der Union einzuhalten. Eine „Relativierung dieser Regeln wäre äußerst gefährlich, da das mit schädlichen Folgen für die ganze EU einhergehen könnte“. Laut Szijjarto könne weder Ungarn noch Europa insgesamt eine solche Zahl an „Wirtschaftsflüchtlingen“ aufnehmen.
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