Elizabeth II. kein bisschen amtsmüde
Schon zu ihrem 21. Geburtstag hat Königin Elizabeth II. den Briten versprochen: „Mein ganzes Leben, sei es kurz oder lang, werde ich in euren Dienst stellen.“ Bis heute hat sie ihr Versprechen gehalten: Seit September vergangenen Jahres ist die Queen sogar die dienstälteste Monarchin Großbritanniens.
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Auf die Minute genau lässt sich nicht sagen, seit wann Elizabeth II. die längste Regentschaft für sich verbuchen kann. Denn es ist nicht überliefert, wann genau ihr Vater König George VI. im Februar 1952 im Schlaf starb - und seine Tochter über Nacht zur Königin machte. Eines steht aber fest: Anfang September letzten Jahres hat Elizabeth II. die bisherige Rekordhalterin, ihre Ururgroßmutter Königin Victoria, die zwischen 1837 und 1901 herrschte, überholt.
Symbolfigur der Weltmacht
„Königin Victoria ist die Königin des 19. Jahrhunderts gewesen, sie war Kaiserin von Indien und hat ein ganzes Zeitalter geprägt“, sagte Autor und Adelsexperte Jürgen Worlitz gegenüber ORF.at. Unter Queen Victoria erlebte das britische Empire seine Blütezeit. Die Regentschaft von Elizabeth II. dagegen war unter anderem geprägt vom Zerfall des britischen Weltreichs, dem wirtschaftlichen Kollaps sowie von dem blutigen Unabhängigkeitskampf der nordirischen Untergrundorganisation IRA.

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Königin Victoria musste den Rekordtitel als dienstälteste britische Monarchin abgeben
„Königin Victoria ist die Symbolfigur für Großbritanniens ungemeine Kraft und Stärke und für eine Weltmacht, die es in der Form heute nicht mehr gibt“, so Worlitz. Eines hätten die beiden Königinnen aber gemeinsam: Gleich mehrere Generationen haben damals wie heute, wegen der langen Regentschaft Victorias und Elizabeths II. nur eine Person als britisches Staatsoberhaupt im Kopf.
Queen feierte nicht
Groß gefeiert hat die Königin den Meilenstein ihrer langen Regentschaft nicht. „No fuss“ - nur kein Aufhebens - hatte sie laut einem Vertrauten angeordnet. An ihrem großen Tag stand ein ganz normaler Besuchstermin an, es ging um die Eröffnung einer Eisenbahnstrecke in Schottland. Die Briten ließen sich das Feiern aber nicht nehmen: Der 180 Meter hohe BT-Tower in London, der zur Geburt von Prinz George und Prinzessin Charlotte schon per Megaschriftzug der Welt „It’s a boy“ und „It’s a girl“ verkündete, leuchtete wieder mit einer Botschaft: „Long May She Reign“ („Möge sie lange regieren“). Außerdem gab es in der offiziellen Rekordkollektion einen Kugelschreiber, eine Schokomünze und eine 20-Pfund-Gedenkmünze zu Ehren der Queen.
Elizabeth II. kam - wie schon Tausende Male zuvor - höflich-reserviert und ohne sichtbare Gefühlsregung ihrer Pflicht nach. „Vom ersten Tag an hat die Queen die absolute Pflichterfüllung in ihrem Dasein ganz oben angestellt“, sagte Worlitz. Die Queen sei das Beispiel schlechthin für unanfechtbare Integrität, so der Historiker David Starkey. Die Königin habe ihre Rolle immer mit Würde ausgefüllt. „In der heutigen gefühlsduseligen Zeit hat sie sich einen zurückhaltenden, altehrwürdigen Stil bewahrt“ - auch wenn es privat nicht immer rund lief.
„Zeigen Sie mehr Gefühl!“
Ihr Sohn Prinz Charles beschwerte sich einmal bitter darüber, dass er von seiner Mutter nie wirkliche Zuneigung erfahren und eine „elende Kindheit“ erlebt habe. Doch nicht nur Charles hätte sich mehr Liebe gewünscht, auch den Briten war ihre Monarchin oft zu steif. „Zeigen Sie mehr Gefühl“, forderte das Volk beispielsweise von seiner Regentin, als diese 1997 äußerlich ungerührt den Tod ihrer Ex-Schwiegertochter Prinzessin Diana hinnahm.

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Queen Elizabeth II.: die amtsälteste Monarchin Europas
Damals war das Königshaus auf dem Tiefpunkt angelangt. Mit der ihr eigenen Beharrlichkeit und mit Hilfe der jüngeren Generation ihrer Familie hat Elizabeth II. die Wende geschafft. „Die Diana-Skandale haben die Monarchie verändert, Königin Elizabeth II. hat damals erkannt, dass sich etwas ändern muss“, so Worlitz. Daraufhin habe sie die Finanzen der Familie offengelegt, sämtlichen überflüssigen Luxus wie Boote, Yachten und die Luftflotte abgeschafft und den Buckingham Palace für Touristen geöffnet.
Im Chat mit den Enkeln
„Die Queen ist eine Konstante, aber das bedeutet nicht, dass sie deshalb stehengeblieben ist. Sie hat sich, im Gegenteil, immer an neue Zeiten angepasst, nutzt Soziale Netzwerke, bedient Computer und chattet mit ihren Enkeln“, sagte Worlitz. 2014 hatte die Königin ihren ersten Tweet bei einer Ausstellungseröffnung auf Twitter gesendet. Die britische Königsfamilie hat auf ihrem gemeinsamen Twitter-Account mittlerweile 1,52 Millionen Follower.
Viele Briten stimmen heute Prinz William zu, der im Vorwort einer neuen Biografie seine Großmutter „als Vorbild fürs Leben“ preist. „Immer und immer wieder, leise und bescheiden, hat die Königin uns allen gezeigt, dass wir zuversichtlich in die Zukunft gehen können - ohne die Dinge zu verraten, die uns wichtig sind“, schrieb die Nummer zwei der Thronfolge.

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Im Kreis der Familie: Königin Elizabeth II., ihr Mann Philip und der ewige Thronfolger Prinz Charles (v. l.)
Inzwischen gibt es mit Prinz George, dem Kind von William und seiner Frau Kate, sogar schon einen Thronaspiranten der dritten Generation - das hat kaum ein Königshaus zu bieten. Ein entscheidender Grund ist natürlich das hohe Alter von Elizabeth II.: Unter allen amtierenden Monarchen hält sie den Altersrekord, den weltweiten Amtszeitrekord hält aber immer noch der thailändische König Bhumibol. Der 87-Jährige bestieg bereits 1946 den Thron.
Ein ganzes Leben für das Volk
Die Queen hat schon zu ihrem 21. Geburtstag versprochen, dass sie ihr ganzes Leben lang dem Volk dienen möchte - bis zu ihrem Tod. Der einzige Grund, die Krone niederzulegen, wäre, wenn die Königin schwer krank werden würde oder nicht mehr gehen könnte, sagte Worlitz. Da ihre Mutter Königin Elizabeth (Queen Mum) aber auch 101 Jahre alt geworden sei und in dem hohen Alter noch Reden gehalten habe, könne man bei Königin Elizabeth II. auch für Überraschungen offen sein.
Überspringt Thronfolge Prinz Charles?
Ihr Sohn, der ewige Prinz Charles, muss sich wohl oder übel noch eine Weile mit der Rolle des Thronfolgers begnügen, dabei ist er schon 67 Jahre alt. Sollte Elizabeth II. auch 101 Jahre alt werden, dann wäre Charles um die 80, wenn er endlich den Thron besteigen könnte. Prinz Charles dürfte in ein paar Jahren wohl seine Anwartschaft auf den Thron altersbedingt an Sohn William weitergeben, so Worlitz.
Die jungen Royals stehen in den vergangenen Jahren in der Wahrnehmung der Briten immer mehr im Vordergrund. Allen voran Prinz William als Nummer zwei der Thronfolge und seine Frau Kate. Ihr gemeinsamer Sohn George steht auf dem dritten Rang der Thronfolge, seine Schwester Charlotte ist die Nummer vier. Insofern ist die Erbfolge im britischen Königshaus über Generationen gesichert. Die Queen hat damit ihre wohl wichtigste royale Aufgabe erfüllt und dafür gesorgt, dass die britische Monarchie noch lange Bestand haben wird.
Manuela Tomic, ORF.at
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