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Züge bald wieder planmäßig?

Ungarns Bustransporte von Flüchtlingen an die Grenze enden so plötzlich, wie sie begonnen haben. Ungarn organisiert keine weiteren Transporte von Flüchtlingen an die österreichische Grenze, sagte Regierungssprecher Zoltan Kovacs am Samstag am Grenzübergang Nickelsdorf/Hegyeshalom.

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Die am Freitag im Einvernehmen mit Österreich und Deutschland gestartete Transportaktion per Bus sei einmalig gewesen. Ziel sei gewesen, eine Notsituation zu vermeiden. Ab sofort aber stünden keine Busse mehr zur Verfügung, erklärte der Regierungssprecher. Nun könnten bald auch die internationalen Züge wieder planmäßig fahren, fügte Regierungssprecher Andras Giro Szaz hinzu. Ob in diesen auch Flüchtlinge reisen dürfen oder sie wie in den letzten Tagen von der Mitfahrt ausgeschlossen werden, sagte Szaz nicht.

Erneut Hunderte Flüchtlinge zu Fuß unterwegs

In Budapest machten sich unterdessen wie schon am Vortag wieder mehrere hundert Flüchtlinge zu Fuß Richtung Wien auf den Weg. Der Budapester Ostbahnhof füllte sich unterdessen wieder mit mindestens tausend neu angereisten Flüchtlingen. Bereits am Samstagmorgen hatten etwa 200 Flüchtlinge das Aufnahmelager Vamosszabadi nahe der Stadt Györ verlassen und waren zu Fuß Richtung Österreich aufgebrochen.

Menschen machen sich auf den Weg von Budapest nach Wien

AP/Marko Drobnjakovic

Erneut machten sich am Samstag Flüchtlinge vom Budapester Ostbahnhof zu Fuß auf den Weg Richtung Westen

Auch aus dem Lager in Bicske, 137 Kilometer von der Grenze entfernt, seien 250 Flüchtlinge zu Fuß gestartet und würden auf der Autobahn A1 Richtung Wien gehen. Im nordostungarischen Debrecen hätten Flüchtlinge ein Aufnahmelager verlassen und seien zunächst per Zug nach Budapest gefahren, um von dort Richtung Österreich zu reisen, berichteten ungarische Medien. Der Weg von Debrecen bis zur Westgrenze ist mehr als 400 Kilometer lang. Am Grenzübergang Nickelsdorf kam mittlerweile der Verkehr vollständig zum Erliegen - mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Flüchtlingssituation in Ungarn unübersichtlich

In Ungarn ist die Flüchtlingssituation derzeit unübersichtlich: Etwa 200 Flüchtlinge haben ein Aufnahmelager nahe der Stadt Györ verlassen und sind zu Fuß unterwegs nach Österreich.

Unsichere Informationslage

Inwieweit die Behörden in Österreich und Deutschland in die jüngste Entscheidung Ungarns eingebunden oder darüber informiert wurden, ist offen. Zumindest rechneten beide Länder noch Samstagmittag mit einem Anstieg der Flüchtlingszahlen im Laufe des Tages. Die Informationslage sei sehr unsicher und ändere sich ständig, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Man müsse sich aber auf eine Zahl in der Größenordnung von bis zu 10.000 Flüchtlingen einstellen. Auch Deutschland ging von Zahlen deutlich jenseits der 5.000 aus.

ORF-Reporter Jürgen Pettinger aus Budapest

Nachdem sich die Situation am Bahnhof in Budapest am Morgen beruhigt hatte, herrscht nach der Ankündigung Ungarns, keine Busse mehr bereitzustellen, wieder Chaos und Verunsicherung.

Auch die offiziellen Zahlen weichen voneinander ab. In der Nacht auf Samstag hatten nach ungarischen Angaben 90 Busse insgesamt 4.500 Flüchtlinge nach Hegyeshalom gebracht. Das österreichische Innenministerium sprach hingegen von 6.500 Menschen, die in den vergangenen Stunden nach Österreich gekommen waren.

Kommunikation läuft unrund

Generell scheint die Kommunikation zwischen den österreichischen und den ungarischen Behörden zurzeit nicht allzu gut zu funktionieren. In der Nacht habe man versucht mit den ungarischen Behörden zu sprechen und sie davon zu überzeugen, mit den Bussen bis zum Bahnhof Nickelsdorf zu fahren. Aber das sei nicht möglich gewesen, so der burgenländische Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil.

Landespolizeichef Doskozil im Interview

Der burgenlädnische Polizeichef schildert in der ZIB die nicht ganz friktionslose Kommunikation mit den ungarischen Behörden in den vergangenen Stunden.

Die Entwicklung der nächsten Tage ist laut Doskozil derzeit schwierig abzuschätzen. Der Landespolizeidirektor wollte nun am Nachmittag bei einem Treffen in Györ mit den ungarischen Behörden wieder eine Gesprächsebene aufbauen - mehr dazu in burgenland.ORF.at

Sonderzug fuhr direkt nach Deutschland weiter

Von jenen Flüchtlingen, die bis jetzt von den ungarischen Behörden an die österreichisch-ungarische Grenze gebracht wurden, dürften fast alle mittlerweile in Österreich sein. Sie wurden von der Polizei zuerst in die Nova-Rock-Halle in Nickelsdorf und zum Bahnhof des Ortes gebracht. Von dort stellten die ÖBB und die Polizei Züge und Busse zur Verfügung, um den Flüchtlingen die Weiterreise zu ermöglichen.

Menschen in einem  Zug nach Deutschland

Reuters/Dominic Ebenbichler

In Zügen der ÖBB ging für viele Flüchtlinge die Reise weiter

In Salzburg kam am Samstagvormittag ein erster Sonderzug mit Flüchtlingen an. Der Zug legte in Salzburg aber nur einen kurzen Zwischenstopp ein und fuhr danach direkt nach Deutschland weiter - mehr dazu in salzburg.ORF.at.

2.300 Flüchtlinge auf Westbahnhof angekommen

Auf dem Wiener Westbahnhof kamen laut Polizei bereits 2.300 Flüchtlinge an. „1.500 haben den Bahnhof schon wieder Richtung Salzburg verlassen“, sagte Polizeisprecher Roman Hahslinger. Rund 800 befanden sich kurz vor Mittag noch auf dem Westbahnhof. „Es wird weiterhin versucht, die Ströme mit Bussen und Zügen weiterzuleiten“, so Hahslinger. Auch jene Flüchtlinge, die auf dem Hauptbahnhof ankamen, wurden zum Westbahnhof gebracht.

Menschen am Westbahnhof in Wien

APA/Herbert Pfarrhofer

Der Wiener Westbahnhof wurde für Tausende zur Umsteigeplattform

Die ÖBB richteten am Samstagvormittag eine Shuttlezug-Verbindung zwischen Nickelsdorf und Wien-Westbahnhof ein. Die Garnituren sollen stündlich verkehren, sagte ÖBB-Sprecherin Sonja Horner. Zudem wird ein ICE vom Wiener Hauptbahnhof über den Westbahnhof umgeleitet. Er soll angekommene Flüchtlinge weiter nach Deutschland mit Zieldestination Frankfurt bringen.

Mikl-Leitner versteht Ungarn nicht

Auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) kam am Samstagnachmittag zum Wiener Westbahnhof. Sie sprach mit Flüchtlingen und bedankte sich bei den zahlreichen freiwilligen Helfern. Das Vorgehen von Ungarn bezeichnete sie als „schwer nachvollziehbar“ und „nicht zufriedenstellend“. Die Zusammenarbeit sei „äußerst schwierig“, sagte die Ministerin gegenüber Journalisten.

„Mein Herz bebt, wenn ich dieses Leid sehe. Wenn Menschen so lange auf der Flucht sind und erschöpft nach Österreich kommen“, sagte Mikl-Leitner. Hier seien die Flüchtlinge „in Sicherheit“. Die Zusammenarbeit zwischen ÖBB, Hilfsorganisationen und Polizei sei „großartig. Es funktioniert wirklich reibungslos trotz Tausender Menschen“, sagte die Innenministerin. Auf die Frage, wie lange die Grenzen offen bleiben, verwies Mikl-Leitner darauf, dass das „eine Notsituation ist“.

„Ungarn muss nun endlich seinen humanitären Geist walten lassen“, sagte die Ministerin. Dublin-III „hat viele, viele Fehler“. Die Forderung sei, „eine Verbesserung auf den Weg zu bringen. Dublin zeigt, dass es nicht gelingt, zu einer fairen Verteilung zu kommen. Das heißt, es braucht eine neue Strategie“, sagte Mikl-Leitner.

„Balken auf für die Menschlichkeit“

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) betonte am Samstag beim SPÖ-Themenrat, dass in der Flüchtlingsfrage Haltung zu zeigen sei. „Balken auf für die Menschlichkeit“ nannte er als Devise für die Öffnung der Grenzen in der vergangenen Nacht für die Tausenden aus Ungarn in den Westen strömenden Asylsuchenden. Dank des Kanzlers gab es für seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel.

Faymann betonte, dass er angesichts der dramatischen Situation in Ungarn gestern Abend genau gewusst habe, was zu tun sei: „nämlich die deutsche Kanzlerin anrufen“. Auch Merkel habe dann gesagt, die Balken müssten rauf. So habe man es gemeinsam geschafft, eine Einigung zustande zu bringen, bevor der erste Bus mit Flüchtlingen an der österreichischen Grenze angekommen sei.

Ungarns Außenminister markiert Härte

Ungarns Außenminister Peter Szijjarto setzte unterdessen weiter auf Härte und Schuldzuweisungen. „Was in Ungarn seit vergangener Nacht passiert ist, ist die Folge von zweierlei, erstens der gescheiterten Migrationspolitik der Europäischen Union und zweitens einer Serie von unverantwortlichen Erklärungen europäischer Politiker“, sagte Szijjarto am Samstag in Luxemburg. Ungarn werde auch in Zukunft die europäischen Regeln zu Schengen, Dublin und Frontex einhalten, versicherte der Außenminister.

Die mehr als 3.000 Flüchtlinge, die am Samstag bisher nach Österreich gereist sind, seien alle registriert. Die Migranten in Ungarn seien zuletzt immer aggressiver geworden und hätten sich einer Registrierung durch Fingerabdrücke und Fotos durch die Behörden widersetzt. Sie hätten sich auch nicht in Flüchtlingszentren begeben. „Eine Notfallsituation ist eingetreten. Deshalb haben wir entscheiden, Busse an die österreichische Grenze zu schicken, wo sie hin wollten.“ Es sei wichtig, dass die EU ihre Außengrenze effektiv schütze. Deshalb habe Ungarn die Gesetze verschärft. Wer den Grenzzaun zu Serbien beschädige, riskiere nunmehr eine Haftstrafe.

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