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Würdigung quer durch politische Lager

Politiker aus Deutschland und ganz Europa haben den verstorbenen deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt gewürdigt. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte Schmidt einen Vordenker der internationalen Zusammenarbeit. Der französische Präsident Francois Hollande würdigte ihn als „großen Europäer“.

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Merkel erinnerte an Schmidts Entscheidung zum NATO-Doppelbeschluss. Merkel wurde in ihrer Würdigung auch sehr persönlich: Sie habe etwa 1962 von der DDR aus beobachtet, wie er als Hamburgs Regierender Bürgermeister in der Sturmflut agiert habe. Ihre Familie habe Verwandtschaft in Hamburg gehabt, um die man sich Sorgen gemacht habe, sagte die in der Hansestadt geborene Kanzlerin.

„Europa und Deutschland geprägt“

Der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder nannte Schmidt eine der „ganz großen politischen Persönlichkeiten unseres Landes“. Als Kanzler habe er nachhaltig Europa und Deutschland geprägt, schrieb Schröder in einem Gastbeitrag für die „Bild“-Zeitung (Mittwoch-Ausgabe).

„Wie nur wenige in der deutschen Nachkriegsgeschichte hat er es verstanden, durch beherztes staatliches Handeln existenzielle Krisen zu meistern und zugleich den Menschen Orientierung in Zeiten der Unsicherheit zu geben.“ Schmidt habe „das Bild Deutschlands als eines der Freiheit, der Demokratie und dem sozialen Ausgleich verpflichtenden Landes nach innen und außen verkörpert“ und es verstanden, „die Gesellschaft über die Partei- und Milieugrenzen hinweg zu integrieren“.

„Großer Staatsmann“

Hollande bezeichnete Schmidt als „großen Staatsmann“, der dafür plädiert habe, „der Marktwirtschaft eine soziale Dimension“ zu geben. Schmidt war Bundeskanzler an der Spitze einer rot-gelben Koalition von 1974 bis 1982. Ihn verband eine enge Freundschaft mit dem damaligen französischen Präsidenten Valery Giscard d’Estaing, mit dem er sich für die weitere europäische Integration einsetzte. In Schmidts Amtszeit fällt etwa die Einführung des europäischen Währungssystems, aus dem später der Euro hervorging.

Giscard d’Estaing sprach von einem persönlichen Verlust. „Er war der beste Kanzler, den Deutschland gekannt hat seit Konrad Adenauer“, schrieb der 89-Jährige in einer Stellungnahme. „Er hat die äußere Würde seines großen Landes wiederhergestellt.“

Putin schickt Telegramm

Der russische Präsident Wladimir Putin drückte Deutschland sein Beileid aus. In einem Telegramm an Bundespräsident Joachim Gauck und Merkel bezeichnete er Schmidt als „herausragende Persönlichkeit Nachkriegsdeutschlands für die europäische und globale Politik“. Das teilte der Kreml am Dienstagabend in Moskau mit. Schmidt habe einen erheblichen persönlichen Beitrag zur Entwicklung und Stärkung guter Beziehungen zwischen Deutschland und Russland geleistet.

Trauer auch in Wien

Bundeskanzler Werner Faymann lobte Schmidt in einer Aussendung als „großen und prinzipienfesten Sozialdemokraten“ und „Jahrhundertpolitiker“. Sein Lebenswerk habe ihm über die Länder- und Parteigrenzen hinweg Achtung, Bewunderung und Anerkennung verschafft. „Mit Helmut Schmidt verliert die Sozialdemokratie einen großen Mitstreiter und ebenso wachen wie kritischen Geist, dessen Wortmeldungen, Kommentare und Bücher unverzichtbare Orientierungshilfe in einer zunehmend komplexer werdenden Welt waren“, so der Kanzler.

Bundespräsident Heinz Fischer kondolierte im Namen der Republik Österreich. Er habe Schmidt in den 1970er Jahren kennengelernt und erst vor wenigen Monaten in Wien getroffen. „Jedes Gespräch mit ihm war beeindruckend und fruchtbringend“, teilte der Bundespräsident in einer Aussendung mit.

Laut Altbundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) war Schmidt ein „überaus moderner Politiker“. Schmidt sei der Ansicht gewesen, dass „dieser kleine Kontinent Europa“ nicht ohne großes internationales Interesse und ohne internationale Verbindungen zurande komme, sagte Vranitzky in der ZIB 24. Der deutsche Politiker habe damit „dieser Kleinstaaterei, dieser Nationalstaaterei, diesem unsinnigen ‚small is beautiful‘“ eine Absage erteilt. Schmidt habe die Position vertreten, dass sich Europa öffnen und alles in Hinblick auf Innovation und Modernisierung tun müsse, um im internationalen Wettstreit erfolgreich zu bleiben.

Würdigung aus Italien und den Niederlanden

EZB-Präsident Mario Draghi erklärte, er werde seine Begegnungen mit Schmidt niemals vergessen: „Ich bewunderte die Tiefe von Helmut Schmidts Wissen und die Wärme seiner Persönlichkeit.“ Der frühere italienische Ministerpräsident und EU-Kommissionschef Romano Prodi würdigte Schmidt als „einen der großen Väter Europas“: „Er war ein erleuchteter Kanzler Deutschlands, immer aufmerksam bei den komplexen internationalen Problemen und mit einer außerordentlichen Sensibilität im Umgang mit den Themen der Sozialpolitik ausgestattet.“

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sprach von einem „großen Staatsmann, der bereits zu Lebzeiten eine historische Person war“. Er habe ein „scharfes Bewusstsein für die historische Verantwortung Deutschlands im Nachkriegseuropa“ gehabt. „Sein Tod ist ein großer Verlust für Deutschland.“

„Zäsur für Deutschland und Europa“

Europaparlamentspräsident Martin Schulz (SPD) bezeichnete den Tod Schmidts als eine „Zäsur für Deutschland und Europa“. „Mit Helmut Schmidt starb ein herausragender deutscher Bundeskanzler, ein großer und kämpferischer Europäer und ein Mann, der die Sozialdemokratie in Deutschland und Europa wie kaum ein anderer geprägt hat“, so Schulz. „Er hat Deutschland souverän und mit unvergleichlicher Führungsstärke in schwierigen innenpolitischen und weltwirtschaftlichen Zeiten gelenkt.“

Gabriel würdigt „Gestalter“ Schmidt

„Ein wirklich großer Patriot, ein großer Europäer und ein großer Sozialdemokrat ist gestorben“, sagte der deutsche Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die Sozialdemokratie trauere um einen Menschen, der weit über die SPD hinaus als jemand im Gedächtnis bleibe, der mit Zuversicht, Realismus und Tatkraft „unser Land gestaltet hat“.

Schmidts Herzensthema sei der Zusammenhalt Europas gewesen: "Ich glaube, dass sein Vermächtnis Europa ist." Gabriel erinnerte an Schmidts letzte große Rede bei einem SPD-Bundesparteitag im Jahr 2011. Schmidt habe damals gemahnt, dass es nichts Wichtigeres als die Freundschaft zu Frankreich gebe. Und: "Dass Deutschland seine Führungsrolle nicht überfordern darf und dass wir eine Verantwortung haben, Europa zusammenzuhalten", sagte Gabriel.

Lob über Parteigrenzen hinweg

CSU-Chef Horst Seehofer nannte Schmidt einen „herausragenden Nachkriegspolitiker und Staatsmann“. „Strategisches Geschick und politische Weitsicht - so hat Helmut Schmidt als Bundeskanzler die Bundesrepublik Deutschland sicher durch die schwierige Zeit des RAF-Terrorismus und des Kalten Krieges geführt“, erinnerte der bayrische Ministerpräsident. Ein „überzeugter Einsatz für die deutsch-französische Freundschaft sowie die europäische Einigung“ seien auf immer mit Schmidts Namen verbunden. „Ich verneige mich vor der Lebensleistung von Helmut Schmidt, einem Hanseaten, der Bayern in Sympathie verbunden war.“

Die Grünen-Vorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir nannten Schmidt „einen hoch geachteten Politiker und Staatsmann“. Er sei bis zuletzt einer der führenden Intellektuellen des Landes gewesen. Die Fraktionsvorsitzenden der Linken, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, sagten: „Mit Helmut Schmidt verliert Deutschland einen Staatsmann, der die Politik der Bundesrepublik und die Sozialdemokratie in seinem langen Leben bedeutsam mitgeprägt hat.“

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